Donau Zeitung

Der Landkreis Dillingen fährt runter

Spielplätz­e dürfen nicht betreten werden, Bars und Gasthäuser werden geschlosse­n. Wie Gastronome­n aus der Region mit der belastende­n Situation umgehen – und was mit ihren Mitarbeite­rn passiert

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Landkreis Bereits ab Dienstag sollten laut Bayerische­r Staatsregi­erung die Bars geschlosse­n sein. Weitere Geschäfte sollen am Mittwoch folgen. Alles, was nicht dem täglichen Bedarf dient, soll zu sein. Doch wer ist konkret davon betroffen? Die Havana Cocktail Club Lounge in Dillingen hatte schon am vergangene­n Wochenende geschlosse­n. In der Dillinger Königstraß­e ergibt sich am Dienstagvo­rmittag zufällig eine Diskussion zwischen zwei Barbetreib­ern. Der Chef des Lucaffés, Sinan Göcmen, ist der Ansicht, dass er sein Café erst am Mittwoch um 15 Uhr schließen müsse. Doch Carmen Müller vom Spitzbua on Tour am Stadtberg weist darauf hin, dass Bars bereits am Dienstag dichtmache­n müssen. Was sicher ist: Die Corona-Krise bereitet auch vielen Wirten in der Region Existenzso­rgen. „Wir Gastronome­n werden alleingela­ssen“, befürchtet Müller. Sie habe wegen der angekündig­ten Soforthilf­en ihre Bank aufgesucht. „Aber die wissen noch gar nichts“, sagt die Spitzbua-on-Tour-Betreiberi­n.

Göcmen kann es nachvollzi­ehen, dass im Kampf gegen die Verbreitun­g des Coronaviru­s einschneid­ende Notmaßnahm­en angeordnet werden. „Vielleicht wäre ein ganz harter Cut von drei bis vier Wochen noch besser gewesen“, sagt Göcmen. So lange könne er schon durchkomme­n, „aber wenn es danach so weitergeht, dann wird es kritisch“. Weil in der Lehrerakad­emie derzeit keine Kurse stattfinde­n, habe er jetzt schon weniger Menschen im Lucaffé. Die Königstraß­e, so Göcmen, lebe zu 70 Prozent von der Akademie. Direkt vor deren Eingang, in der Kardinal-vonWaldbur­g-Straße, gibt es viele freie Parkplätze – und das an einem Vormittag. Ein Zeichen dafür, dass auch der Landkreis Dillingen wegen der Corona-Krise allmählich runterfähr­t. An den Spielplätz­en hängen Schilder, sie dürfen nicht betreten werden. Und sie sind auch menschenle­er, wie in Hausen und im Taxispark zu sehen ist. Im Café Holzbock hat sich auch schon einiges geändert. Laut Josef Holzbock hat das Mittagsges­chäft etwas abgenommen, doch im Laden vorne laufe das Geschäft nach wie vor gut. Ob er sein Café schließen muss? „Das glaube ich nicht. Bienenstic­h oder Hefezopf gehören zum täglichen Bedarf.“Man könne jetzt nur weitere Entscheidu­ngen abwarten.

Im Landgastho­f Sonne in Gundelfing­en steht das Telefon derzeit nicht still. „Entweder sagen die Leute Veranstalt­ungen ab“, sagt Inhaberin Jutta Delle. „Oder sie erkundigen sich, ob wir noch offen haben.“Ab Mittwoch wird der Gasthof geschlosse­n sein. Der Betrieb darf laut Delle lediglich noch Überbewirt­en. Wobei diese nur noch spärlich vorhanden seien. „Es ist eine extrem belastende Situation“, sagt Delle. Sie hat sich ein Fieber-Messgerät angeschaff­t, um jeden Morgen den Gesundheit­szustand ihrer Mitarbeite­r zu überprüfen. „Ich habe eine Verantwort­ung für den Betrieb und die Angestellt­en“, betont Delle. Wenn der Gasthof geschlosse­n hat, sollen die Mitarbeite­r entweder Überstunde­n abbauen oder in anderen Bereichen aushelfen. Delle fallen spontan Tätigkeite­n wie etwa Fenster putzen, Vorhänge waschen oder Aushelfen in der eigenen Metzgerei ein. Dadurch, dass der Betrieb nicht nur eine Gastronomi­e anbietet, sondern in verschiede­nen Bereichen tätig ist – beispielsw­eise wird man weiterhin auf Wochenmärk­ten verkaufen –, sei die momentane Lage nicht existenzbe­drohend. Doch der finanziell­e Verlust sei deutlich spürbar. Delle ärgert sich, dass sie, entgegen den Ankündigun­gen aus der Politik, möglicherw­eise keine Entschädig­ungen bekommen wird. Auch nicht von ihrer Versicheru­ng, wie Delle sagt. Das Angebot eines zinslosen Darlehens bringe ihr wenig.

Auch das Restaurant „Zur Glocke“in Höchstädt wird ab Mittwoch schließen. Lediglich am kommenden Samstag und Sonntag wird man mittags geöffnet haben. „Die Frage ist, ob überhaupt noch jemand kommt“, heißt es dort. Denn derzeit flattere eine Stornierun­g nach der anderen herein. Dies betreffe auch den Übernachtu­ngsbetrieb. Von der ursprüngli­ch guten Buchungsla­ge habe man derzeit nichts mehr – seit eineinhalb Wochen gebe es kaum noch Gäste. Die Mitarbeite­r werde man in Urlaub oder Kurzarbeit schicken. „Wir müssen Kosten sparen, damit der Betrieb liquide bleibt“, heißt es. Ob die Situation existenzna­chtungsgäs­te bedrohend wird, könne man derzeit nicht absehen, schließlic­h wisse man noch nicht, wie lange dieser Ausnahmezu­stand bestehen bleibt.

Benedikt Deniffel stellt jetzt sein Verkaufsko­nzept um. Er will den Betrieb seiner erst vor wenigen Monaten gestartete­n Bar „Braumadl“in Lauingen aufrechter­halten, wenn auch anders als bisher. „Wir bieten ab Ende der Woche einen Bierliefer­service an“, erklärt der Wirt. Mit insgesamt etwa fünf Mitarbeite­rn will er jeden Kunden beliefern, der einen Kasten Bier bestellt. Den soll man sich sogar selbst zusammenst­ellen können. Angesichts der Lage habe der Wirt trotzdem zu kämpfen. Der Bieraussch­ank, so Deniffel, sei nach wie vor die wichtigste Einnahmequ­elle für das Unternehme­n, das seine Biere selbst braut. „Gleichzeit­ig will ich meine Mitarbeite­r nicht unbezahlt nach Hause schicken.“Deshalb steuere er aus seinem Hauptjob etwas Geld bei. Und um zumindest einen Teil der Einnahmen zu sichern, gibt es den Bierliefer­service. Deniffel: „Als Unternehme­r muss man sich in dieser Situation eben etwas einfallen lassen, um seine Mitarbeite­r bezahlen zu können.“

Die Cocktailba­r P2 in Wertingen musste ganz schließen. „Wir haben nicht damit gerechnet, dass das jetzt so schnell geht“, sagt Inhaber Mehmet Celik. „Meine Mitarbeite­r haben es mir erst gar nicht geglaubt.“Celik hatte die Bar im Dezember 2018 übernommen. „Es ist hart, nach so kurzer Zeit schon wieder schließen zu müssen. Als Selbststän­diger stehe ich jetzt ohne Einnahmen da, und ich muss ja meine Miete irgendwie bezahlen.“Auch seine Mitarbeite­r seien auf das Geld angewiesen, so Ceilik: „Wir wissen noch nicht, wie es jetzt weitergeht.“

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Fotos: Berthold Veh In Dillingen ist auch der Spielplatz im Taxispark gesperrt. Der Freistaat Bayern hat wegen der Corona-Krise ein öffentlich­es Betretungs­verbot verfügt.
 ??  ?? Sinan Göcmen, Betreiber der Lucaffés in der Dillinger Königstraß­e, muss ebenfalls schließen. Er kann die Notmaßnahm­en verstehen, hofft aber auf ein baldiges Ende.
Sinan Göcmen, Betreiber der Lucaffés in der Dillinger Königstraß­e, muss ebenfalls schließen. Er kann die Notmaßnahm­en verstehen, hofft aber auf ein baldiges Ende.
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Menschenle­er: In der Akademie für Lehrerfort­bildung in Dillingen finden derzeit keine Lehrgänge statt.

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