Der Hamster in uns
Warum das Klopapier seine wahre Wirkung im Kopf entfaltet
Es gibt Legenden, die sind so schön, dass man sich am liebsten weigern würde, sie ins Reich der Lügen zu verbannen. Vielleicht werden sie ja wahr, wenn wir sie nur oft genug weitererzählen – als sich selbst erfüllende Prophezeiung sozusagen. Eine dieser Legenden, die derzeit um den aufgewühlten Erdball geistern, handelt von den Hamsterkäufen. Während in Deutschland das Klopapier knapp wird, so heißt es, decken sich die Franzosen mit Rotwein und Kondomen ein und die Niederländer bunkern Käse und
Drogen. Und wenn die Welt untergeht: Es lebe das Klischee, es gibt uns Gewissheit – selbst dort, wo die Unsicherheit das Kommando übernommen hat!
Dabei sind wir uns in der Krise näher als wir glauben:
Das Toilettenpapier verbindet die Völker. Die Deutschen kaufen es, die Engländer, die Franzosen und auch die Italiener. Es scheint zum symbolischen Rettungsanker in stürmischen Zeiten zu werden: Kuschelig weich und jederzeit griffbereit. Maximale
Sicherheit für knapp 3 Euro. Und je knapper ein Gut ist, desto beSeine gehrter wird es auch. wahre Wirkung entfaltet das Klopapier damit eigentlich auch im Kopf: Es vermittelt den Eindruck, zumindest etwas getan zu haben – wenn man schon nichts tun kann. Leer gefegt sind die Regale übrigens nicht nur in Europa. Auch in den USA, wo Präsident Donald
Trump Corona kurzerhand in „das chinesische Virus“umgetauft hat, blüht der Handel. Statt Klopapier sind dort Waffen ein begehrtes Gut. In einem Waffenladen in Idaho sollen die Knarren sogar rationiert worden sein, nachdem der Händler fast in einem ausverkauften Laden gestanden wäre.
Schämen müssen wir uns fürs Hamstern übrigens nicht – alles ganz menschlich, versichern Psychologen. In der DNA angelegt. In Schweden spricht man von „hamstra“. Die Briten sagen „to squirrel something away“und machen damit aus dem Hamster ein Eichhörnchen.