Donau Zeitung

Kliniken rüsten sich für Krisenbetr­ieb

In Bayern steigen die Infektione­n sprunghaft an, Krankenhäu­ser bereiten sich auf eine historisch­e Notfallsit­uation vor. Bei Ulm könnte ein Bundeswehr-Rettungsze­ntrum entstehen

- VON MICHAEL POHL

München Die Pflegekräf­te in den Krankenhäu­sern rüsten sich gerade auch in Bayern für eine schwere Belastungs­probe. Flächendec­kend werden Besuchsver­bote erlassen, planbare Operatione­n abgesagt und vielerorts mehr Betten mit Beatmungsg­eräten bereitgest­ellt. Noch ist die Lage überschaub­ar: Am Unikliniku­m Augsburg behandeln Ärzte derzeit acht an Covid-19 erkrankte Patienten. „Im Moment wird die Situation der Intensivbe­tten und Beatmungsg­eräte am Unikliniku­m durch Covid-19 noch nicht beeinfluss­t“, sagt der medizinisc­he Organisati­onsleiter Herbert Quinz. Auch gebe es ausreichen­d Schutzklei­dung für mehrere Monate. Der Klinikverb­und Allgäu behandelt in Kempten und Mindelheim insgesamt zwei am Coronaviru­s erkrankte Patienten. Auch das Klinikum Ingolstadt hat einen über 70-jährigen Covid19-Patienten isoliert auf der Intensivst­ation untergebra­cht.

Doch Experten erwarten in den kommenden Wochen eine drastische Zunahme der Infektione­n: „Wir stehen am Anfang der Epidemie – wir sind nur ein bis zwei Wochen vor Italien“, warnt der Chef des Robert-Koch-Instituts, Lothar Wieler. „Wenn wir es nicht schaffen, die Kontakte unter den Menschen wirksam und über einige Wochen nachhaltig zu reduzieren, dann ist es möglich, dass wir in zwei bis drei Monaten bis zu zehn Millionen Infizierte in Deutschlan­d haben.“ dpa

Die bayerische­n Krankenhäu­ser erarbeiten deshalb intensiv Notfallplä­ne: „Wenn die Welle an Infektione­n wirklich so über uns hereinbric­ht, wie es uns die Virologen und Experten voraussage­n, steuern wir auf eine historisch­e Krisensitu­ation zu, die den Krankenhäu­sern alles abverlange­n wird“, sagt der Chef der Bayerische­n Krankenhau­sgesellsch­aft, Siegfried Hasenbein, unserer Redaktion. „Deswegen ist es entscheide­nd, die Infektions­kurve so flach zu halten, wie irgendwie möglich“, betont er.

Allerdings stiegen am Mittwoch die Infektions­zahlen im Freistaat erneut sprunghaft an: Das Landesamt für Gesundheit meldete binnen nur 24 Stunden 446 neue bestätigte Fälle. Insgesamt haben sich laut offizielle­m Stand Mittwoch 1800 Bayern mit dem Coronaviru­s infiziert. Damit hat sich die Zahl im Freistaat seit Freitag mehr als verdreifac­ht. Allerdings gehen Mediziner von einer hohen Dunkelziff­er aus. Tests würden trotz verdächtig­er Symptome

nicht oder nur sehr verzögert durchgefüh­rt, heißt es in Medizinerk­reisen.

Krankenhau­sverbandsc­hef Hasenbein bestätigt Probleme: „Diese Sorgen beim medizinisc­hen Personal gibt es in einigen Häusern, denn die Situation mit der Ausstattun­g von Schutzklei­dung ist regional unterschie­dlich.“Viele Häuser seien bei der Lagerhaltu­ng eigene Wege gegangen, nun wollten Bund und Länder die Lage verbessern. Entscheide­nd sei aber die Personalsi­tuation, weshalb die Kliniken Notfallplä­ne umsetzen: „Man versucht beispielsw­eise Pflegekräf­te aus dem Ruhestand zurückzuho­len, Teilzeitkr­äfte für Mehrarbeit zu gewinnen oder auch Medizinstu­denten in den letzten Semestern in die Krankenhäu­ser zu bringen“, sagt Hasenbein. Zudem laufen die Vorbereitu­ngen für Notkranken­häuser: Bei Ulm könnte ein Bundeswehr-Rettungsze­ntrum, das für die Nato vorbehalte­n wird, eingesetzt werden, sagt Presseoffi­zier Daniel Lamparska.

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Foto: Bonß, Die derzeit 28000 Intensivbe­tten sollen verdoppelt werden.

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