Kliniken rüsten sich für Krisenbetrieb
In Bayern steigen die Infektionen sprunghaft an, Krankenhäuser bereiten sich auf eine historische Notfallsituation vor. Bei Ulm könnte ein Bundeswehr-Rettungszentrum entstehen
München Die Pflegekräfte in den Krankenhäusern rüsten sich gerade auch in Bayern für eine schwere Belastungsprobe. Flächendeckend werden Besuchsverbote erlassen, planbare Operationen abgesagt und vielerorts mehr Betten mit Beatmungsgeräten bereitgestellt. Noch ist die Lage überschaubar: Am Uniklinikum Augsburg behandeln Ärzte derzeit acht an Covid-19 erkrankte Patienten. „Im Moment wird die Situation der Intensivbetten und Beatmungsgeräte am Uniklinikum durch Covid-19 noch nicht beeinflusst“, sagt der medizinische Organisationsleiter Herbert Quinz. Auch gebe es ausreichend Schutzkleidung für mehrere Monate. Der Klinikverbund Allgäu behandelt in Kempten und Mindelheim insgesamt zwei am Coronavirus erkrankte Patienten. Auch das Klinikum Ingolstadt hat einen über 70-jährigen Covid19-Patienten isoliert auf der Intensivstation untergebracht.
Doch Experten erwarten in den kommenden Wochen eine drastische Zunahme der Infektionen: „Wir stehen am Anfang der Epidemie – wir sind nur ein bis zwei Wochen vor Italien“, warnt der Chef des Robert-Koch-Instituts, Lothar Wieler. „Wenn wir es nicht schaffen, die Kontakte unter den Menschen wirksam und über einige Wochen nachhaltig zu reduzieren, dann ist es möglich, dass wir in zwei bis drei Monaten bis zu zehn Millionen Infizierte in Deutschland haben.“ dpa
Die bayerischen Krankenhäuser erarbeiten deshalb intensiv Notfallpläne: „Wenn die Welle an Infektionen wirklich so über uns hereinbricht, wie es uns die Virologen und Experten voraussagen, steuern wir auf eine historische Krisensituation zu, die den Krankenhäusern alles abverlangen wird“, sagt der Chef der Bayerischen Krankenhausgesellschaft, Siegfried Hasenbein, unserer Redaktion. „Deswegen ist es entscheidend, die Infektionskurve so flach zu halten, wie irgendwie möglich“, betont er.
Allerdings stiegen am Mittwoch die Infektionszahlen im Freistaat erneut sprunghaft an: Das Landesamt für Gesundheit meldete binnen nur 24 Stunden 446 neue bestätigte Fälle. Insgesamt haben sich laut offiziellem Stand Mittwoch 1800 Bayern mit dem Coronavirus infiziert. Damit hat sich die Zahl im Freistaat seit Freitag mehr als verdreifacht. Allerdings gehen Mediziner von einer hohen Dunkelziffer aus. Tests würden trotz verdächtiger Symptome
nicht oder nur sehr verzögert durchgeführt, heißt es in Medizinerkreisen.
Krankenhausverbandschef Hasenbein bestätigt Probleme: „Diese Sorgen beim medizinischen Personal gibt es in einigen Häusern, denn die Situation mit der Ausstattung von Schutzkleidung ist regional unterschiedlich.“Viele Häuser seien bei der Lagerhaltung eigene Wege gegangen, nun wollten Bund und Länder die Lage verbessern. Entscheidend sei aber die Personalsituation, weshalb die Kliniken Notfallpläne umsetzen: „Man versucht beispielsweise Pflegekräfte aus dem Ruhestand zurückzuholen, Teilzeitkräfte für Mehrarbeit zu gewinnen oder auch Medizinstudenten in den letzten Semestern in die Krankenhäuser zu bringen“, sagt Hasenbein. Zudem laufen die Vorbereitungen für Notkrankenhäuser: Bei Ulm könnte ein Bundeswehr-Rettungszentrum, das für die Nato vorbehalten wird, eingesetzt werden, sagt Presseoffizier Daniel Lamparska.