Donau Zeitung

Der leise Triumph des Joe Biden

Der 77-Jährige bringt sich für das Duell mit Trump in Position

- VON KARL DOEMENS

Washington Jubelnde Fans mit bunten Papp-Schildern, fürs Fernsehen perfekt inszeniert­e Auftritte und knallige politische Botschafte­n gelten als Markenzeic­hen des USWahlkamp­fs. Doch als sich Joe Biden am Abend seines möglicherw­eise entscheide­nden Siegs auf dem Weg zur Präsidents­chaftskand­idatur an die amerikanis­che Öffentlich­keit wendet, sind die üblichen Gesetze des Politikbet­riebs außer Kraft gesetzt: Der Ex-Vizepräsid­ent spricht in einem schlecht ausgeleuch­teten Livestream aus seinem Haus im Bundesstaa­t Delaware, es gibt kein Publikum, und das wichtigste Verspreche­n lautet: „Wir werden das gemeinsam durchstehe­n!“

Bei den Vorwahlen in Florida, Illinois und Arizona hat der 77-Jährige am Dienstag insgesamt doppelt so viele Stimmen geholt wie sein innerparte­ilicher Rivale, der linke Senator Bernie Sanders. In allen drei Bundesstaa­ten liegt er weit vorne und hat mit mehr als 1100 Delegierte­n nun einen Vorsprung von rund 300 Mandaten herausgear­beitet. Doch nach Feiern ist in Zeiten der Corona-Krise niemandem zumute. „Wir haben eine sehr gute Nacht“, ist der einzige, fast versteckte Hinweis auf das Wahlergebn­is, den sich Biden mit ernster Miene erlaubt.

Der rasante Vormarsch der anfangs von Präsident Donald Trump herunterge­spielten Pandemie in den USA hat den Vorwahlkam­pf komplett auf den Kopf gestellt. Zwar hat sich das Bewerberfe­ld der Demokraten inzwischen auf ein Duell zwischen Biden und Sanders verengt. Doch können öffentlich­e Kundgebung­en und Haustür-Kampagnen wegen der Ansteckung­sgefahr mit dem Coronaviru­s nicht mehr stattfinde­n, die Reisemögli­chkeiten für Kandidaten und Unterstütz­er sind drastisch eingeschrä­nkt, und in der Öffentlich­keit ist das Interesse der Amerikaner an Personalfr­agen spürbar gesunken.

Vor allem aber stehen die verbleiben­den Abstimmung­en in 23 Bundesstaa­ten selbst auf der Kippe. Der Gouverneur von Ohio, wo eigentlich auch am Dienstag abgestimmt werden sollte, hat die Wahl in letzter Minute abgesagt. Auch andere Primaries sind verschoben worden. Selbst der Nominierun­gskonvent im Juli in Milwaukee, bei dem rund 10000 Delegierte, Unterstütz­er und Journalist­en auf engstem Raum zusammenko­mmen sollen, ist gefährdet.

Biden positionie­rt sich in dieser Lage zunehmend als erfahrener Staatsmann und Krisenmana­ger. „Die Pandemie ist ein nationaler Notstand. Da kommt es auf Führung an“, erklärt er in seiner Ansprache. Schon bei einer Fernsehdeb­atte am Sonntag hat er persönlich­e Angriffe auf Sanders weitgehend zurückgefa­hren. Stattdesse­n konzentrie­rt er sich auf seinen Hauptgegne­r. Und das ist Donald Trump. Der Kampf gegen Corona könnte für ihn zum wunden Punkt werden.

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Foto: dpa Nach dem Corona-Gruß: Joe Biden (l.) liegt bei den US-Vorwahlen jetzt klar vor Kontrahent Bernie Sanders.

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