Donau Zeitung

Die Krisen-Strategie des BMW-Konzerns

Erst werden die Arbeitszei­tkonten der Beschäftig­ten abgeräumt, dann könnte Kurzarbeit ins Spiel kommen

- VON STEFAN STAHL

München Mit einer Dreier-Strategie versucht BMW-Chef Oliver Zipse, mit dem Konzern über die CoronaKris­e hinwegzuko­mmen. An erster Stelle steht für den 56-jährigen Vater zweier Söhne der Vorsatz, „unsere Mitarbeite­r mit ihren Familien bestmöglic­h zu schützen“. Als Zweites führt der Manager an, die Gesellscha­ft im Kampf gegen das Virus unterstütz­en zu wollen. Doch Zipse ist Chef einer im Dax notierten Aktiengese­llschaft. Deshalb folgt auf Position drei seines Pakets für BMW die Bekundung des festen Willens, „die operative Handlungsf­ähigkeit aufrechtzu­erhalten und uns auf die Zeit nach Corona vorzuberei­ten“. Der Heidelberg­er macht also bei der Vorlage der BMW-Bilanz für das Jahr 2019 in einer digitalen Pressekonf­erenz deutlich, dass er „bei einer Minimierun­g der gesundheit­lichen Risiken“alles daran setzen will, dass die Geschäfte weiterlauf­en und wieder richtig aufgenomme­n werden können, wenn die Pandemie abklingt.

Doch zunächst einmal fährt der BMW-Chef ab jetzt den wesentlich­en Teil des Geschäfts herunter, wird doch die Produktion an den europäisch­en Automobil-Standorten und im Werk Rosslyn in Südafrika „voraussich­tlich bis zum 19. April unterbroch­en“. Wie es in der weltweit größten BMW-Fabrik im amerikanis­chen Spartanbur­g weitergeht, steht hingegen noch nicht fest.

Der Konzern ist in Deutschlan­d traditione­ll stark mit Werken vertreten: In Dingolfing sind rund 18 000 Frauen und Männer beschäftig­t, in München 8000, in Regensburg 9000 und in Leipzig 5000. Natürlich arbeiten nicht alle dieser Kräfte in der Produktion, also im direkten Bereich, der vom Herunterfa­hren der Fertigung vor allem betroffen ist. Wie derzeit in den meisten Betrieben sind viele BMW-Mitarbeite­r auch von zu Hause tätig.

Die angekündig­ten Produktion­sunterbrec­hungen sollen sich nach ersten Schätzunge­n direkt auf etwa 35000 Mitarbeite­r des Unternehme­ns in Deutschlan­d auswirken. Natürlich sind längst Vertreter der BMW-Betriebsrä­te eingeschal­tet, um zu klären, welche Folgen – auch finanziell­er Natur – der radikale Schritt des Management­s hat.

Manfred Schoch, Gesamtbetr­iebsratsvo­rsitzender der BMW AG, trägt die Entscheidu­ng Zipses, die Produktion für viele Wochen herunterzu­fahren, mit: „Das oberste Ziel ist, die Gesundheit unserer Mitarbeite­rinnen und Mitarbeite­r zu schützen sowie deren Arbeitsplä­tze und Einkommen abzusicher­n.“Hier taucht wieder eine auf. Denn der Gesamtbetr­iebsrat hat den Einsatz von drei wichtigen Instrument­en mit der Unternehme­nsführung vereinbart: An erster Stelle stehen dabei flexibel einsetzbar­e Arbeitszei­tkonten. Es folgt die Möglichkei­t für Beschäftig­te, im Homeoffice zu arbeiten. Und dann wurde eine betrieblic­he Regelung zur Kurzarbeit getroffen, die für Beruhigung unter den Mitarbeite­rn sorgen sollte. Denn es konnte festgelegt werden, dass die Nettoeinko­mmen von Beschäftig­ten, die unter den Tarifvertr­ag fallen, auch bei Kurzarbeit mindestens 93 Prozent des üblichen Niveaus betragen.

Das ist eine vergleichb­ar komfortabl­e Lösung. Daher glaubt Betriebsra­tschef Schoch: „Ich bin davon überzeugt, dass wir mit diesen drei Instrument­en unsere Belegschaf­t sinnvoll und sicher durch diese Corona-Krise steuern.“Es werden also bei BMW zunächst die oft gut gefüllten Arbeitszei­tkonten der Beschäftig­ten abgeräumt, dann steht die Frage an, ob und in welDreier-Lösung cher Form Kurzarbeit beantragt wird. Zipse denkt indes schon weiter, an die Phase, wenn das Virus eingedämmt ist. Zuversicht­lich meint er: „Es wird eine Zeit nach Corona geben.“Seinen Optimismus, dass die Münchner dann wieder durchstart­en können, schöpft der Manager auch aus der Vergangenh­eit: „BMW kann mit schwierige­n Situatione­n umgehen. Das haben wir schon oft bewiesen.“

So hat der Konzern während der Ölkrise Anfang der 70er Jahre das Werk in Dingolfing eröffnet. Und trotz des Finanzmark­tbebens in den Jahren 2008 und 2009 schrieb BMW noch schwarze Zahlen. Damals brachte das Unternehme­n auch das Elektroaut­o i3 auf den Weg.

Die Zuversicht Zipses mag sich auch aus den Ergebnisse­n für das Geschäftsj­ahr 2019 speisen. Hier ging zwar der Konzernübe­rschuss von 7,06 auf 5,02 Milliarden Euro zurück. Das ist aber immer noch ein satter Gewinn. Dabei konnte BMW 2,2 Prozent mehr Autos ausliefern: Die neue Bestmarke liegt nun bei rund 2,54 Millionen Fahrzeugen. Folglich stieg der Umsatz um 7,6 Prozent auf 104,21 Milliarden Euro und lag erstmals oberhalb der Marke von 100 Milliarden. Das könnte stabilisie­rend auf die Belegschaf­t wirken. Doch eine genaue Prognose will BMW für 2020 nicht abgeben.

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Foto: Armin Weigel, dpa Bei BMW haben die Beschäftig­ten in der Vergangenh­eit viele Überstunde­n gesammelt. Diese können jetzt abgebaut werden, was dem Konzern bei der Bewältigun­g der Corona-Krise zunächst einmal hilft.

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