Die Krisen-Strategie des BMW-Konzerns
Erst werden die Arbeitszeitkonten der Beschäftigten abgeräumt, dann könnte Kurzarbeit ins Spiel kommen
München Mit einer Dreier-Strategie versucht BMW-Chef Oliver Zipse, mit dem Konzern über die CoronaKrise hinwegzukommen. An erster Stelle steht für den 56-jährigen Vater zweier Söhne der Vorsatz, „unsere Mitarbeiter mit ihren Familien bestmöglich zu schützen“. Als Zweites führt der Manager an, die Gesellschaft im Kampf gegen das Virus unterstützen zu wollen. Doch Zipse ist Chef einer im Dax notierten Aktiengesellschaft. Deshalb folgt auf Position drei seines Pakets für BMW die Bekundung des festen Willens, „die operative Handlungsfähigkeit aufrechtzuerhalten und uns auf die Zeit nach Corona vorzubereiten“. Der Heidelberger macht also bei der Vorlage der BMW-Bilanz für das Jahr 2019 in einer digitalen Pressekonferenz deutlich, dass er „bei einer Minimierung der gesundheitlichen Risiken“alles daran setzen will, dass die Geschäfte weiterlaufen und wieder richtig aufgenommen werden können, wenn die Pandemie abklingt.
Doch zunächst einmal fährt der BMW-Chef ab jetzt den wesentlichen Teil des Geschäfts herunter, wird doch die Produktion an den europäischen Automobil-Standorten und im Werk Rosslyn in Südafrika „voraussichtlich bis zum 19. April unterbrochen“. Wie es in der weltweit größten BMW-Fabrik im amerikanischen Spartanburg weitergeht, steht hingegen noch nicht fest.
Der Konzern ist in Deutschland traditionell stark mit Werken vertreten: In Dingolfing sind rund 18 000 Frauen und Männer beschäftigt, in München 8000, in Regensburg 9000 und in Leipzig 5000. Natürlich arbeiten nicht alle dieser Kräfte in der Produktion, also im direkten Bereich, der vom Herunterfahren der Fertigung vor allem betroffen ist. Wie derzeit in den meisten Betrieben sind viele BMW-Mitarbeiter auch von zu Hause tätig.
Die angekündigten Produktionsunterbrechungen sollen sich nach ersten Schätzungen direkt auf etwa 35000 Mitarbeiter des Unternehmens in Deutschland auswirken. Natürlich sind längst Vertreter der BMW-Betriebsräte eingeschaltet, um zu klären, welche Folgen – auch finanzieller Natur – der radikale Schritt des Managements hat.
Manfred Schoch, Gesamtbetriebsratsvorsitzender der BMW AG, trägt die Entscheidung Zipses, die Produktion für viele Wochen herunterzufahren, mit: „Das oberste Ziel ist, die Gesundheit unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu schützen sowie deren Arbeitsplätze und Einkommen abzusichern.“Hier taucht wieder eine auf. Denn der Gesamtbetriebsrat hat den Einsatz von drei wichtigen Instrumenten mit der Unternehmensführung vereinbart: An erster Stelle stehen dabei flexibel einsetzbare Arbeitszeitkonten. Es folgt die Möglichkeit für Beschäftigte, im Homeoffice zu arbeiten. Und dann wurde eine betriebliche Regelung zur Kurzarbeit getroffen, die für Beruhigung unter den Mitarbeitern sorgen sollte. Denn es konnte festgelegt werden, dass die Nettoeinkommen von Beschäftigten, die unter den Tarifvertrag fallen, auch bei Kurzarbeit mindestens 93 Prozent des üblichen Niveaus betragen.
Das ist eine vergleichbar komfortable Lösung. Daher glaubt Betriebsratschef Schoch: „Ich bin davon überzeugt, dass wir mit diesen drei Instrumenten unsere Belegschaft sinnvoll und sicher durch diese Corona-Krise steuern.“Es werden also bei BMW zunächst die oft gut gefüllten Arbeitszeitkonten der Beschäftigten abgeräumt, dann steht die Frage an, ob und in welDreier-Lösung cher Form Kurzarbeit beantragt wird. Zipse denkt indes schon weiter, an die Phase, wenn das Virus eingedämmt ist. Zuversichtlich meint er: „Es wird eine Zeit nach Corona geben.“Seinen Optimismus, dass die Münchner dann wieder durchstarten können, schöpft der Manager auch aus der Vergangenheit: „BMW kann mit schwierigen Situationen umgehen. Das haben wir schon oft bewiesen.“
So hat der Konzern während der Ölkrise Anfang der 70er Jahre das Werk in Dingolfing eröffnet. Und trotz des Finanzmarktbebens in den Jahren 2008 und 2009 schrieb BMW noch schwarze Zahlen. Damals brachte das Unternehmen auch das Elektroauto i3 auf den Weg.
Die Zuversicht Zipses mag sich auch aus den Ergebnissen für das Geschäftsjahr 2019 speisen. Hier ging zwar der Konzernüberschuss von 7,06 auf 5,02 Milliarden Euro zurück. Das ist aber immer noch ein satter Gewinn. Dabei konnte BMW 2,2 Prozent mehr Autos ausliefern: Die neue Bestmarke liegt nun bei rund 2,54 Millionen Fahrzeugen. Folglich stieg der Umsatz um 7,6 Prozent auf 104,21 Milliarden Euro und lag erstmals oberhalb der Marke von 100 Milliarden. Das könnte stabilisierend auf die Belegschaft wirken. Doch eine genaue Prognose will BMW für 2020 nicht abgeben.