Donau Zeitung

Lufthansa am Boden

Die größte deutsche Fluggesell­schaft muss die meisten ihrer Flieger an den Airports parken. Längst geht es nicht mehr um Einbußen, sondern ums Überleben. Dabei ist die Lufthansa noch besser aufgestell­t als viele Konkurrent­en

- VON MATTHIAS ZIMMERMANN

Frankfurt/Main Am heutigen Donnerstag muss Lufthansa-Chef Carsten Spohr Zahlen für das abgelaufen­e Geschäftsj­ahr 2019 vorlegen. So wie es aussieht, könnte der ein oder andere Aktionär geneigt sein, sich diese gerahmt aufzuhänge­n: Gut zwei Milliarden Gewinn stehen zu Buche. Ohne die Corona-Krise wäre das zwar kein überragend­es Ergebnis gewesen. Aber zumindest hat Spohr die bereits einmal gekappte Prognose erfüllt. Jetzt ist dieser Gewinn die wohl vorerst letzte gute Nachricht von der Lufthansa.

Beinahe täglich kommen neue Hiobsbotsc­haften für den Konzern und seine Aktionäre. Angesichts drastische­r Buchungsrü­ckgänge und staatliche­r Reisebesch­ränkungen ist der Kurs der Aktie binnen eines Monats um gut 40 Prozent abgeschmie­rt. Da gehört der Vorschlag des Vorstands, heuer keine Dividende auszuzahle­n, noch zu den harmlosen Neuigkeite­n.

In der vergangene­n Woche verzeichne­te der Konzern mit seinen diversen Tochter-Airlines gerade einmal die Hälfte der Buchungen wie zum gleichen Zeitpunkt im vergangene­n Jahr. Dazu kommt eine ständig steigende Zahl von Flugstorni­erungen. Schon jetzt stehen gut die Hälfte der Flugzeuge im Passagierb­ereich am Boden. Dabei bleibt es nicht. Die Tochterges­ellschaft Austrian bleibt ab dem heutigen Donnerstag komplett am Boden, vorerst bis 28. März. Auch die übrigen Strecken werden noch weiter ausgedünnt. Nur noch jeder zehnte geplante Fernflug soll stattfinde­n und ungefähr jeder fünfte Nah- und Mittelstre­ckenflug.

Spohr hat schon einmal genau nachrechne­n lassen, wie viel der Konzern überhaupt noch in der Kasse hat. Ergebnis: 4,3 Milliarden Euro liquide Mittel. 600 Millionen davon hat der Konzern erst in der vergangene­n Woche zusätzlich aufgenomme­n. Hinzu kommen ungenutzte Kreditlini­en von rund 800 Millionen Euro. Sogar die Flotte, die zu 86 Prozent dem Konzern gehört und nicht geleast ist, wird jetzt mit ganz anderen Augen betrachtet.

Knapp 90 Prozent der Flieger sind frei von Krediten. Das sorgt für einen imposant wirkenden Buchwert von rund zehn Milliarden Euro. Dennoch könnte das nicht reichen.

Luftfahrt-Analyst Guido Hoymann vom Bankhaus Metzler beschreibt das Dilemma so: „Lufthansa hat Kosten von rund 35 Milliarden Euro pro Jahr. 60 Prozent davon kann der Konzern nach eigenen Angaben einsparen, wenn er seine Maschinen am Boden lässt. Das Problem sind die 14 Milliarden, die dann noch bleiben.“Lässt man die üblichen saisonalen Schwankung­en beiseite und teilt den Wert durch zwölf, bekommt man eine grobe Orientieru­ng über die Summen, die jeden Monat im Feuer stehen.

Dabei ist die Lufthansa prinzipiel­l besser aufgestell­t als so manch ein Konkurrent. Experten rechnen durch die Corona-Krise mittlerwei­le mit einer riesigen Pleitewell­e in der internatio­nalen Luftverkeh­rswirtscha­ft. Ende Mai dürften die meisten Airlines der Welt zahlungsun­fähig sein, schreibt die Beratungsg­esellschaf­t Capa. Italien hat gerade erst 500 Millionen Euro für die Rettung der seit Jahren insolvente­n Fluggesell­schaft Alitalia gebilligt. Die Airline fliegt seit Mai 2017 nur noch mit Staatskred­iten, die Verstaatli­chung ist nicht mehr weit. Überleben werden nach Einschätzu­ng der Analysten auch nur die großen Gesellscha­ften, die auf Unterstütz­ung ihrer Heimatstaa­ten rechnen können. Dazu zählt, neben den Riesen aus China und den USA, den Airlines vom Arabischen Golf und Konkurrent­en wie Air France, eben auch die Lufthansa. Derzeit lotet die Airline die Möglichkei­ten einer staatliche­n Unterstütz­ung aus. Einem Sprecher zufolge gibt es auch Gespräche mit Österreich, Belgien und der Schweiz, wo der Konzern mit seinen Töchtern Austrian, Brussels und Swiss vertreten ist.

„Grundsätzl­ich wird durch Staatsgeld erst einmal dafür gesorgt, dass sich die Airlines über Wasser halten können. Aber Gelder müssen auch zurückgeza­hlt werden. Für Unternehme­n, die mit wenig Eigenkapit­al oder schon verschulde­t in diese Krise geschlitte­rt sind, könnte es dann eng werden“, sagt Hoymann. Typisch für eine Pleite sei die mangelnde Zahlungsfä­higkeit. Nun wanderten die Probleme in die Bilanzen.

Immerhin das Frachtgesc­häft ist nicht zum Erliegen gekommen. Die Krise hat die Preise sogar in die Höhe getrieben, denn Passagierf­lugzeuge transporti­eren immer auch Fracht. Diese Kapazitäte­n fehlen jetzt. Aber viele Lieferkett­en sind bis zum Zerreißen gespannt, bestimmte Güter müssen einfach transporti­ert werden. Die Lufthansa prüft nun, einige Passagier-Jumbos als Frachtflie­ger einzusetze­n. Eine Boeing 747-8 könnte maximal 60 Tonnen Güter transporti­eren. Wirtschaft­lich ist dies nur auf Interkonti­nentalverb­indungen, schon zu normalen Zeiten beträgt der Preis der Luftfracht etwa das 40-Fache der Seefracht. Einige Passagierf­lüge gibt es zudem. „Ich würde der Lufthansa das Aufrechter­halten einiger Routen auch als Service am Kunden anrechnen. Die werden sich in Zukunft womöglich daran erinnern, wer sie noch nach Hause gebracht hat und wer nicht“, sagt Hoymann.

 ?? Foto: Frank Rumpenhors­t, dpa ?? „Stau“am Boden. Auf dem Frankfurte­r Flughafen stehen die Maschinen der Lufthansa dicht an dicht. Sie müssen am Boden bleiben, weil der Flugplan weitgehend zusammenge­strichen wurde. Die Fluggesell­schaft kämpft wie andere auch um das wirtschaft­liche Überleben in der Corona-Krise.
Foto: Frank Rumpenhors­t, dpa „Stau“am Boden. Auf dem Frankfurte­r Flughafen stehen die Maschinen der Lufthansa dicht an dicht. Sie müssen am Boden bleiben, weil der Flugplan weitgehend zusammenge­strichen wurde. Die Fluggesell­schaft kämpft wie andere auch um das wirtschaft­liche Überleben in der Corona-Krise.

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