Lufthansa am Boden
Die größte deutsche Fluggesellschaft muss die meisten ihrer Flieger an den Airports parken. Längst geht es nicht mehr um Einbußen, sondern ums Überleben. Dabei ist die Lufthansa noch besser aufgestellt als viele Konkurrenten
Frankfurt/Main Am heutigen Donnerstag muss Lufthansa-Chef Carsten Spohr Zahlen für das abgelaufene Geschäftsjahr 2019 vorlegen. So wie es aussieht, könnte der ein oder andere Aktionär geneigt sein, sich diese gerahmt aufzuhängen: Gut zwei Milliarden Gewinn stehen zu Buche. Ohne die Corona-Krise wäre das zwar kein überragendes Ergebnis gewesen. Aber zumindest hat Spohr die bereits einmal gekappte Prognose erfüllt. Jetzt ist dieser Gewinn die wohl vorerst letzte gute Nachricht von der Lufthansa.
Beinahe täglich kommen neue Hiobsbotschaften für den Konzern und seine Aktionäre. Angesichts drastischer Buchungsrückgänge und staatlicher Reisebeschränkungen ist der Kurs der Aktie binnen eines Monats um gut 40 Prozent abgeschmiert. Da gehört der Vorschlag des Vorstands, heuer keine Dividende auszuzahlen, noch zu den harmlosen Neuigkeiten.
In der vergangenen Woche verzeichnete der Konzern mit seinen diversen Tochter-Airlines gerade einmal die Hälfte der Buchungen wie zum gleichen Zeitpunkt im vergangenen Jahr. Dazu kommt eine ständig steigende Zahl von Flugstornierungen. Schon jetzt stehen gut die Hälfte der Flugzeuge im Passagierbereich am Boden. Dabei bleibt es nicht. Die Tochtergesellschaft Austrian bleibt ab dem heutigen Donnerstag komplett am Boden, vorerst bis 28. März. Auch die übrigen Strecken werden noch weiter ausgedünnt. Nur noch jeder zehnte geplante Fernflug soll stattfinden und ungefähr jeder fünfte Nah- und Mittelstreckenflug.
Spohr hat schon einmal genau nachrechnen lassen, wie viel der Konzern überhaupt noch in der Kasse hat. Ergebnis: 4,3 Milliarden Euro liquide Mittel. 600 Millionen davon hat der Konzern erst in der vergangenen Woche zusätzlich aufgenommen. Hinzu kommen ungenutzte Kreditlinien von rund 800 Millionen Euro. Sogar die Flotte, die zu 86 Prozent dem Konzern gehört und nicht geleast ist, wird jetzt mit ganz anderen Augen betrachtet.
Knapp 90 Prozent der Flieger sind frei von Krediten. Das sorgt für einen imposant wirkenden Buchwert von rund zehn Milliarden Euro. Dennoch könnte das nicht reichen.
Luftfahrt-Analyst Guido Hoymann vom Bankhaus Metzler beschreibt das Dilemma so: „Lufthansa hat Kosten von rund 35 Milliarden Euro pro Jahr. 60 Prozent davon kann der Konzern nach eigenen Angaben einsparen, wenn er seine Maschinen am Boden lässt. Das Problem sind die 14 Milliarden, die dann noch bleiben.“Lässt man die üblichen saisonalen Schwankungen beiseite und teilt den Wert durch zwölf, bekommt man eine grobe Orientierung über die Summen, die jeden Monat im Feuer stehen.
Dabei ist die Lufthansa prinzipiell besser aufgestellt als so manch ein Konkurrent. Experten rechnen durch die Corona-Krise mittlerweile mit einer riesigen Pleitewelle in der internationalen Luftverkehrswirtschaft. Ende Mai dürften die meisten Airlines der Welt zahlungsunfähig sein, schreibt die Beratungsgesellschaft Capa. Italien hat gerade erst 500 Millionen Euro für die Rettung der seit Jahren insolventen Fluggesellschaft Alitalia gebilligt. Die Airline fliegt seit Mai 2017 nur noch mit Staatskrediten, die Verstaatlichung ist nicht mehr weit. Überleben werden nach Einschätzung der Analysten auch nur die großen Gesellschaften, die auf Unterstützung ihrer Heimatstaaten rechnen können. Dazu zählt, neben den Riesen aus China und den USA, den Airlines vom Arabischen Golf und Konkurrenten wie Air France, eben auch die Lufthansa. Derzeit lotet die Airline die Möglichkeiten einer staatlichen Unterstützung aus. Einem Sprecher zufolge gibt es auch Gespräche mit Österreich, Belgien und der Schweiz, wo der Konzern mit seinen Töchtern Austrian, Brussels und Swiss vertreten ist.
„Grundsätzlich wird durch Staatsgeld erst einmal dafür gesorgt, dass sich die Airlines über Wasser halten können. Aber Gelder müssen auch zurückgezahlt werden. Für Unternehmen, die mit wenig Eigenkapital oder schon verschuldet in diese Krise geschlittert sind, könnte es dann eng werden“, sagt Hoymann. Typisch für eine Pleite sei die mangelnde Zahlungsfähigkeit. Nun wanderten die Probleme in die Bilanzen.
Immerhin das Frachtgeschäft ist nicht zum Erliegen gekommen. Die Krise hat die Preise sogar in die Höhe getrieben, denn Passagierflugzeuge transportieren immer auch Fracht. Diese Kapazitäten fehlen jetzt. Aber viele Lieferketten sind bis zum Zerreißen gespannt, bestimmte Güter müssen einfach transportiert werden. Die Lufthansa prüft nun, einige Passagier-Jumbos als Frachtflieger einzusetzen. Eine Boeing 747-8 könnte maximal 60 Tonnen Güter transportieren. Wirtschaftlich ist dies nur auf Interkontinentalverbindungen, schon zu normalen Zeiten beträgt der Preis der Luftfracht etwa das 40-Fache der Seefracht. Einige Passagierflüge gibt es zudem. „Ich würde der Lufthansa das Aufrechterhalten einiger Routen auch als Service am Kunden anrechnen. Die werden sich in Zukunft womöglich daran erinnern, wer sie noch nach Hause gebracht hat und wer nicht“, sagt Hoymann.