Neue Hilfe für Senioren
Sozialministerium ruft zur Unterstützung alleinstehender älterer Menschen auf. Vor Ort bilden sich schon viele Netzwerke. Sie stoßen oft auf ein Problem
Augsburg Er hilft, wo er kann. Aus Leidenschaft. „Das ist einfach mein Ding“, sagt Felix Ehrenberg. 16 Jahre alt ist er und besucht die 10. Klasse der Mittelschule in Friedberg. Zusammen mit seinem Freund Anton Niedermowwe gründete er am Anfang der Woche die Unterstützungsaktion „Du kommst aus Friedberg, wo Nachbarschaftshilfe kein Fremdwort ist“. Felix Ehrenberg und Anton Niedermowwe sind mit ihrem Angebot nicht allein, vielerorts tun sich dieser Tage Menschen zusammen, um in der jetzigen Corona-Krise anderen beizustehen.
Bayerns Sozialministerin Carolina Trautner freut dieses Engagement. Nachdem der Chef der Arbeiterwohlfahrt (AWO) Bayern, Professor Thomas Beyer, im Gespräch mit unserer Redaktion die Staatsregierung aufgefordert hatte, vor allem auf die alleinstehenden älteren Senioren ein besonderes Augenmerk in diesen dramatischen Zeiten zu legen und hier konkrete Hilfe zu organisieren, reagierte die CSU-Ministerin. Nach einem Runden Tisch mit Vertretern der Wohlfahrtsverbände und den kommunalen Spitzenverbänden startet sie nun eine neue, große Kampagne. „Unser Soziales Bayern: helfen zusammen!“heißt die Initiative. „Gerade um unsere Seniorinnen und Senioren müssen wir uns verstärkt kümmern. Sie sind als Risikogruppe stärker durch das Coronavirus gefährdet als andere Bevölkerungsteile“, betont Trautner und ergänzt: „Alle, die helfen können, müssen jetzt an einem Strang ziehen. In dieser Situation müssen wir als Gesellschaft zusammenstehen und zusammenhalten. Daher werden wir auf allen Kanälen Helferinnen und Helfer suchen, die beispielsweise Einkäufe erledigen oder zu den Alleinstehenden telefonischen Kontakt aufbauen. Gleichzeitig rufen wir die Seniorinnen und Senioren auf, die alleine sind, sich Sorgen machen und Hilfe benötigen, sich bei ihrer Gemeinde vor Ort zu melden. Dort finden sie in diesen schwierigen Tagen Unterstützung.“Die neue Kampagne wird nach Aussage der Ministerin auch mit einer Summe, deren Höhe sich noch nicht beziffern lässt, vom Freistaat unterstützt.
Trautner weiß, dass sich bereits viele Freiwillige zusammengeschlossen haben: „Wir wollen mit unserer neuen Kampagne für die vielen freiwilligen Initiativen das Dach bilden“, erklärt sie gegenüber unserer Redaktion. Auf der Homepage www.unser.soziales.bayern.de wird allerdings auch betont, wie wichtig es ist, die Ansteckungsgefahr zu berücksichtigen. Ein direkter Kontakt zu den Senioren sollte daher vermieden werden: „Nehmen Sie Telefonkontakt auf, machen Sie Aushänge im Hausflur oder werfen Sie eine Nachricht in den Briefkasten ein. Einkäufe können auch vor der Tür abgestellt werden. Wir alle sind mit unseren Ideen gefragt.“
AWO-Chef Beyer begrüßt die Kampagne. Ihm fehlt aber ein entscheidender Punkt: „Es ist toll, wie viele Menschen jetzt vor Ort Hilfe anbieten, aber in jeder Kommune müssen diese verschiedenen Angebote zwingend von einer Stelle gebündelt und koordiniert werden. Das hätte das Sozialministerium einfordern müssen. Eine Stelle muss hier gezielt bestimmt werden – gerade auch als Ansprechpartner für die Senioren, ansonsten droht ein unübersichtliches Nebeneinander von Nachbarschaftshilfen.“
Die Malteser in der Diözese Augsburg haben auch einen Aufruf gestartet, um Einkaufshelfer zu finWir den. Pressesprecherin Christiane Martini erklärt gegenüber unserer Redaktion, dass sich sehr, sehr viele engagieren wollen. Und mittlerweile meldeten sich auch Menschen, die sich helfen lassen wollen. Allein über soziale Medien erreicht man diese nach Einschätzung von Martini aber nicht, hier seien Zeitungen, Radio, Fernsehen entscheidend.
Auch Felix Ehrenberg hatte kein Problem, Mitarbeiter für seine Nachbarschaftshilfe zu bekommen. Schwieriger wird es seiner Ansicht nach aber, Senioren zu finden, die sich unter die Arme greifen lassen. „Aber das ist verständlich“, erklärt der 16-Jährige, der sich auch in der freiwilligen Feuerwehr engagiert: „Viele ältere Menschen leben sehr einsam. Für sie ist der Einkauf oft die einzige Gelegenheit, überhaupt unter Menschen zu kommen. Daher versuchen sie dies auch so lange wie möglich.“Doch Ehrenberg und sein Team geben nicht auf. Sie verteilen Flyer und sprechen Ältere auf der Straße oder im Supermarkt an. Auch beschränkt sich ihr Angebot nicht aufs Einkaufen oder aufs Rezeptabholen bei Ärzten. „Wir bieten auch Telefongespräche an, vielleicht freut sich ja der eine oder andere über ein Schwätzchen.“Sie wollen einfach helfen, wo sie können.
AWO-Chef Beyer fordert Koordination vor Ort