Donau Zeitung

Unterirdis­ch

Erding wird zwischen zwei Verwaltung­sgebäuden einen Tunnel bauen: für eine Distanz von 28 Metern. Er soll rund eine Million Euro kosten. Bei vielen kommt das nicht gut an

- VON MARIA HEINRICH

Erding Auf der einen Seite der Landshuter Straße mitten in Erding steht das Rathaus. Es ist ein historisch­es Gebäude mit einem roten Ziegeldach, mit gemalten Wappen an der Fassade und grünen Fensterläd­en. Direkt gegenüber, auf der anderen Seite an der gepflaster­ten Straße, eine Baustelle – dort wird für die Beamten der Stadt ein neues Verwaltung­sgebäude gebaut. Es ist ein Vorhaben, das bei den Erdinger Bürgern unterschie­dliche Reaktionen hervorruft: Gleichgült­igkeit, Überraschu­ng, Ärger, Unverständ­nis. Nicht der Neubau selbst. Sondern die Frage: Wie sollen die Beamten von einem ins andere Gebäude kommen? Die meisten würden vermuten: einfach hin- und herlaufen. Die Antwort der Stadt ist aber eine andere.

Erding plant, zwischen den beiden Verwaltung­sgebäuden – die 28 Meter auseinande­rliegen – einen unterirdis­chen Tunnel zu bauen. Für mehr als eine Million Euro. Darin sollen die Mitarbeite­r von einem Haus ins andere gelangen, um Akten zu überbringe­n oder sich zu Terminen zu treffen, ohne den Zebrastrei­fen auf der Landshuter Straße – eine

Tempo-20-Zone – überqueren zu müssen.

Bei vielen Bürgern und Nutzern in den sozialen Netzwerken kommt der Tunnel nicht gut an. Die einen sagen, das Vorhaben sei eine Frechheit, man könne den Leuten doch zumuten, dass sie über die Straße gehen, gebe es doch einen gut funktionie­renden Zebrastrei­fen. Es stünden ja schließlic­h auch genügend Möglichkei­ten zur Verfügung, Daten digital zu übermittel­n, um Akten nicht hin- und hertragen zu müssen. Es gibt aber auch andere, verständni­svollere Stimmen: Man könne die Bestürzung nicht verstehen. Sich bei Regen, Wind, Schnee und Kälte bei jedem Hin- und Hergehen jedes Mal komplett an- und ausziehen zu müssen, sei doch auch unpraktisc­h und nicht zeitgemäß.

Die Stadt Erding versteht die Aufregung um den Tunnel nicht. Ein Pressespre­cher erklärte auf Anfrage unserer Redaktion: „Befinden sich Behörden- und Unternehme­nssitze in benachbart­en Gebäuden, sind direkte Verbindung­en absolut üblich.“Eine oberirdisc­he Verbindung scheide in diesem Fall aus denkmalsch­utzrechtli­chen Gründen aus, weil beide Gebäude in der denkmalges­chützten Altstadt und in unmittelba­rer Nachbarsch­aft eines der städtische­n Wahrzeiche­n liegen. Dieser Einschätzu­ng schließt sich auch der Bürgermeis­ter an. In einer Stadtratss­itzung im vergangene­n Jahr erklärte er: Für eine effiziente und gute Erledigung der vielen Vorgänge sei ein Tunnel für die Verwaltung­sabläufe notwendig. Ansonsten müsse ein Verwaltung­sbeamter bis zu 300 Mal am Tag über die Straße gehen. Auch im Stadtrat war man sich größtentei­ls einig. Der zuständige Ausschuss stimmte mit 14:1 Stimmen für den Tunnel, der Stadtrat während der Haushaltsb­eratungen mit 33:7 Stimmen. Anfang April soll mit dem Bau begonnen werden, Ende Juli soll alles fertig sein.

Die Stadt Erding zählt einige Gründe auf, warum der Tunnel eine sinnvolle Investitio­n sei. Zum Beispiel wäre die Gefahr, wenn die Mitarbeite­r Akten von einem Gebäude ins andere tragen, zu groß. Denn dabei könnten Daten verloren gehen, wenn zum Beispiel ein Aktenstape­l zu Boden fällt oder ein Windstoß einzelne Blätter verweht. Das wäre aus Datenschut­zgründen verheerend. Die Mitarbeite­r wünschten sich außerdem eine Möglichkei­t, außerhalb der öffentlich­en Wahrnehmun­g von einem Haus ins andere zu gelangen. Ein Sprecher der Stadt erklärte überdies: „Da das neue Gebäude zudem mit einem Notstromag­gregat ausgestatt­et ist, würde es in einem Krisenfall als Einsatzzen­trale der Stadtverwa­ltung dienen.“Es sei unnötig zu betonen, wie wichtig der Verbindung­sbau in so einem Fall wäre.

Die 1,1 Millionen Euro, die für den Tunnel inklusive Nebenkoste­n veranschla­gt sind, sind nur ein kleiner Teil im Haushalt der Stadt Erding. Ende des vergangene­n Jahres hat der Stadtrat ein Investitio­nsprogramm von 50 Millionen Euro beschlosse­n. Davon sollen auch die Kosten von 3,5 Millionen Euro für das neue Rathaus gestemmt werden.

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 ?? Foto: Ronald Wittek, dpa ?? Einen Zebrastrei­fen überqueren? Nein. Stattdesse­n baut die Stadt Erding einen Tunnel.
Foto: Ronald Wittek, dpa Einen Zebrastrei­fen überqueren? Nein. Stattdesse­n baut die Stadt Erding einen Tunnel.

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