„Einen Haken machen“
Sportrechtler über EM und Olympia
Die Bundesliga denkt über weitere Geisterspiele nach. Geht es nur darum, dass zumindest die Gelder aus den Fernsehrechten nicht verloren gehen? Lehner: Ja, das ist der Hintergrund. Ich halte das für rechtlich ganz bedenklich. Da es aus meiner Sicht zu einer enormen Wettbewerbsverzerrung zwischen Heim- und Auswärtsmannschaft kommt. Das hat nichts mehr mit dem klassischen Sport zu tun, sondern geht in den Bereich des virtuellen Sports. Es geht doch darum, ob ich über das Fernsehen den Schweiß spüre. Mit den Fans im Stadion ist das so. Ich bin ein großer Gegner dieser klinisch-emotionsfreien Geisterspiele.
Die Saison vorzeitig zu beenden birgt aber ebenfalls rechtliche Gefahren. Lehner: In diesen Fällen brauche ich Ideen. Es gibt da mit Sicherheit nicht die Ideallösung, aber wir dürfen nicht kurzfristig denken. Wenn ich höre, da wird für eine oder zwei Wochen zugemacht und ich gleichzeitig darüber informiert werde, dass wir alles versuchen müssen, um die Welle abzuflachen, dann ist doch klar, dass uns Corona noch monatelang beschäftigen wird. Dann ist es doch ehrlich zu sagen, wir machen an 2020 einen Haken dran, wir machen einen Cut. Die Deutsche Eishockey Liga hatte es angesichts des fehlenden Abstiegs natürlich etwas leichter gehabt. Bei den internationalen Verflechtungen beispielsweise im Fußball ist das auch ein organisatorisches Problem. Aber dafür gibt es Möglichkeiten.
Die Uefa hat am Dienstag beschlossen, das Turnier in den Sommer 2021 zu verschieben. Das verschafft der Bundesliga deutlich mehr Luft.
Lehner: Ich hätte es begrüßt zu sagen: Die EM 2020 ist die wegen Corona ausgefallene EM. Nie da gewesene Ereignisse erfordern ein klareres Denken. Ich muss doch nicht etwas nachholen, nur um 30 Jahre später gucken zu können, wer 2020 Europameister wurde, bei einem Turnier, das 2021 ausgetragen wurde. Außerdem hätte ich dann im nächsten Jahr nichts durcheinandergebracht. So kommt es wieder zu einer Reizüberflutung mit der Bundesliga, den Länderspielen, der EM und der Club-WM. 2022 ist dann schon die WM in Katar.
Die Uefa hat eine Entscheidung gefällt. Die Olympischen Spiele sollen aber im Sommer in Tokio stattfinden. Lehner: Da wird an etwas geklammert, statt auch hier zu sagen: Olympia findet jetzt nicht statt. Diese Ehrlichkeit und Klarheit würde ich mir wünschen. Das wäre ein Signal an die Welt. Und ich bin überzeugt davon, dass das jeder verstehen würde. Ich kann doch nicht hier selbst die kleinen Fußballspiele absagen, über Ausgangssperren nachdenken, die Schulen und Unis schließen und dann meinen, ich könnte im Juli „Big Games“machen.
● Michael Lehner arbeitet seit 1983 als Anwalt. Er ist Partner der Heidelberger Kanzlei Bornheim sowie Schiedsrichter am Deutschen Sportschiedsgericht. Michael Lehner ist Mitgründer und Vorsitzender des Doping-Opfer-Hilfevereins.