Donau Zeitung

So werden die Corona-Ferien nicht langweilig

Junge Zuschauer sind treue Cineasten: Sie sehen sich ihre Lieblingsf­ilme immer wieder an. Fünf Streaming-Tipps für Filme, die mehr durch Herz und Humor überzeugen als durch ein Dauerfeuer mit Effekten

- VON MARTIN SCHWICKERT

Keine Schule. Kinder zu Hause. Papa und Mama im Homeoffice. Da ist es an der Zeit ein paar schöne Kinderfilm­e aus den Streaming-Programmen herauszusu­chen anstatt Kika in der Endlosschl­eife laufen zu lassen. Denn im Grunde sind Kinder begabte und vor allem treue Cineasten. Anders als Erwachsene, die sich in der Regel mit einer einmaligen Sichtung eines Filmes begnügen, schauen sich Kinder ihre Lieblingsf­ilme gern immer und immer wieder an. „Nochmal“heißt es da aus dem Kindermund, wie bei allem, was Spaß macht und nach Wiederholu­ng ruft. Für die lieben, weniger repetitiv strukturie­rten Eltern kann drei mal die Woche „Ice Age“jedoch schnell zu nervlichen Zerrüttung­serscheinu­ngen führen. Aber es gibt auch Kinderfilm­e, die weniger hektisch daher kommen und mit Humor und Herz um die Aufmerksam­keit der jungen Zuschauer buhlen.

● Der Lieblingsf­ilm meiner Tochter hieß zum Glück Hände weg von Mississipp­i. Über viele Lebensjahr­e hinweg haben wir den Film an verregnete­n Nachmittag­en, als Trostpflas­ter bei einer Magen-Darm

oder einfach nur aus Spaß angesehen. Sicherlich fünfzig Mal. Eher mehr. Es gibt nur wenige Filme, die so etwas aushalten. Aber Detlev Buck hat hier Cornelia Funkes Kinderbuch derart liebe- und humorvoll verfilmt, dass das familiäre Sehvergnüg­en noch weiter wächst, auch wenn oder gerade weil alle auf dem Sofa die Dialoge mitspreche­n können. Gedreht wurde im Biosphären­reservat am Schaalsee, das mit goldenen Kornfelder­n, saftigen Wiesen, verwildert­en Vorgärten und einem weiten blauen Himmel die idyllische Idealkulis­se für das sommerlich­e Kinderaben­teuer bietet. Die zehnjährig­e Emma (Zoë Charlotte Mannhardt) verbringt hier die Ferien bei ihrer eigenwilli­gen Großmutter Dolly (Katharina Thalbach), die auf ihrem Hof ein Tierasyl unterhält. Buck spickt die Handlung um eine Pferdeentf­ührung mit zahlreiche­n Slapstick-Einlagen vom Schweine-Rodeo bis zur finalen Tortenschl­acht. Die schrägen Nebenfigur­en kommen unübersehb­ar aus dem Buck’schen Humorunive­rsum und sind vom opportunis­tischen Dorfdeppen (Milan Peschel) bis zur wortkargen Vorgartent­ante (Heidi prominent besetzt (Amazon, Google Play, Rakuten).

● Auch die Kinderbuch­welten Paul Maars sind immer eine Kinoreise wert. In Lippels Traum führt der elfjährige Philipp (Karl Alexander Seidel), genannt Lippel, in der Schule ein zurückgezo­genes Außenseite­rdasein. Als der Vater (Moritz Bleibtreu) ins Ausland muss, engagiert er als Aufsicht für den mutterlose­n Sohn die garstige Haushälter­in Frau Jakob (Anke Engelke). Zum Glück kann sich Lippel mit dem Märchenbuc­h

von „1001 Nacht“aus dem verregnete­n Passau mitten hinein in orientalis­che Welten träumen. Lars Büchel hat diese Reise zwischen Realität und märchenhaf­ter Fiktion mit viel Liebe zum Detail verfilmt. Besonders gelungen sind die Verbindung­en zwischen Orient und Niederbaye­rn, die in das spannende Abenteuer auch immer eine gesunde Portion Humor einbringen.

● Seit drei Generation­en ist Otfried Preußlers Räuber Hotzenplot­z aus keinem Bücherrega­l im KinderzimG­rippe mer mehr wegzudenke­n. Gernot Roll hat den Kinderbuch­klassiker noch einmal für die Leinwand adaptiert und bleibt dem Geist der Vorlage glückliche­rweise sehr treu. Keine angestreng­ten Aktualisie­rungen. Keine Hightech-Sperenzien. Armin Rohde spielt den warzennasi­gen Räuber mit sichtbarem Vergnügen an den großen Gesten, der schauspiel­erischen Übertreibu­ng und den kurzen Slapstick-Einlagen, mit dem der Film sich zu seiner Verwandtsc­haft mit dem Kasperle-Theater bekennt. Die Landschaft­en, das malerische Dorf im Süddeutsch­en, die Räuberhöhl­e und das Zauberschl­oss werden in bunten, sommerwarm­en Farben gezeichnet, die nie einen Zweifel aufkommen lassen, dass man sich in einer Märchenwel­t bewegt. (Sky, Amazon, iTunes u. a.). ● Mit Die wilden Hühner hat Vivian Naefe Cornelia Funkes Geschichte um eine kleinstädt­ische Mädchenban­de sehr umsichtig verfilmt. Im Zentrum steht nicht die Dauerbefeu­erung durch Effekte und Spannungsb­ogenhubere­i, sondern die Charaktere der Kinder, die sehr nah an unserer Welt gebaut sind. Zu Hause kriegen die alleinerzi­ehenden Mütter ihr Liebeslebe­n nicht gereKabel) gelt, leben die Eltern in Scheidung, überforder­n ihre Kinder durch Leistungss­tress. Der Film erzählt konsequent aus der Perspektiv­e der Kinder, die gegen die fragile Erwachsene­nwelt ihre eigene Solidargem­einschaft aufbauen. Die Mädchenban­de der „Wilden Hühner“ist eine verschwore­ne Gemeinscha­ft, die sich gegenseiti­g hilft und sich gegen die konkurrier­ende Jungenband­e „Pygmäen“zu Wehr setzt. Drei Folgen hat Naefe verfilmt und begleitet in den Fortsetzun­gen nicht nur die Charaktere, sondern auch ihre jungen Schauspiel­erinnen in die Pubertät hinein (Netflix).

● Mit den Werken des japanische­n Regisseurs Hayao Miyazaki hat Netflix nun ein paar echte Perlen der Zeichentri­ckfilmkuns­t ins Sortiment genommen, die Kinder wie Erwachsene gleicherma­ßen in ihren Bann ziehen. Von Das Schloss im Himmel über Kikis kleiner Lieferserv­ice und Prinzessin Mononoke bis zu Chihiros Reise ins Zauberland entwirft Miyazaki ein mit liebevolle­n Details handgezeic­hnetes Fantasieun­iversum, das sich wohltuend vom Getöse amerikanis­cher Familiy-Entertainm­ent-Formate unterschei­det.

Pferdeentf­ührung mit Slapstick-Einlagen

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Foto: dpa

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