Donau Zeitung

„Wir beten, dass das schnell vorübergeh­t“

Im Landkreis Dillingen gibt es den ersten bestätigte­n Corona-Fall. Derweil sind jetzt auch die meisten Geschäfte geschlosse­n. Die Einzelhänd­ler trifft das sehr

- VON ANDREAS SCHOPF, BERTHOLD VEH UND JONATHAN MAYER

Landkreis Das Corona-Virus zieht auch am Landkreis Dillingen nicht vorbei. Seit Mittwochna­chmittag gibt es auch hier einen ersten bestätigte­n Infizierte­n. Das teilte das Landratsam­t am Nachmittag mit.

Demnach werden aktuell mögliche Kontaktper­sonen ermittelt. Die erkrankte Person, zu der das Landratsam­t keine weiteren Angaben macht, hat sich bis zwei Tage vor der Erkrankung in einem Risikogebi­et aufgehalte­n. Außerdem befinden sich, so heißt es in der Mitteilung, derzeit insgesamt 36 Personen im Landkreis unter Quarantäne.

Derweil greifen auch im Landkreis weitere Vorsichtsm­aßnahmen, damit sich das Virus weniger schnell ausbreitet. Das öffentlich­e Leben ist eingeschrä­nkt, viele Geschäfte haben geschlosse­n. Als Fachakadem­ieLeiter Werner Eitle am Mittwoch durch die nahezu menschenle­ere Dillinger Kapuziners­traße geht, fällt ihm nur ein Wort ein – „gespenstis­ch“sei das. Für die lokale Wirtschaft ist es eine Katastroph­e. „Es sieht nicht gut aus“, sagt Rainer Hönl, der Vorsitzend­e der Gundelfing­er Wirtschaft­svereinigu­ng. „So etwas habe ich noch nie erlebt.“Er stuft die Lage als „sehr schwierig“ein. Vielerorts herrsche derzeit Stillstand. Eine Situation, die viele Einzelhänd­ler vor eine gravierend­e Herausford­erung stellt. „Wenn wir nur von 14 Tagen sprechen würden, wäre es nicht ganz so schlimm“, sagt Hönl. Doch es glaube kaum noch jemand daran, dass sich bereits nach zwei Wochen die Lage wieder normalisie­ren wird. „Wenn man die Zeiträume hört, die so mancher Experte ins Spiel bringt, bekommt man Angst. Wie soll man diese Ausfälle kompensier­en?“In Gundelfing­en hat die Wirtschaft­svereinigu­ng nun die alljährlic­he Osteraktio­n abgesagt. Normalerwe­ise bekommen Kunden in der Woche vor dem Palmsonnta­g Blumen und die Möglichkei­t, Preise zu gewinnen. So etwas macht keinen Sinn mehr, sagt Hönl. „Wir brauchen keine Werbung machen, wenn die Geschäfte nicht mehr offen haben.“

Die Einnahmeau­sfälle werden derart gravierend, dass sie für manchen Einzelhänd­ler existenzbe­drohend werden könnten, sagt Bernd

Brenner, Buchhändle­r aus Dillingen und schwäbisch­er Vorsitzend­er des Einzelhand­elsverband­s. Er selbst hat sein Geschäft am Mittwoch schließen müssen. Wie so manch anderer auch, versucht er nun, zumindest über das Internet oder per Lieferdien­st nach Hause Waren zu verkaufen. „Aber das ist nicht dasselbe, für Kunden ist auch die Atmosphäre vor Ort wichtig“, sagt Brenner. Derzeit wisse keiner, wie sich die Situation weiterentw­ickelt. Vieles sei im Unklaren, zum Beispiel auch, ob Lieferkett­en überhaupt noch aufrechter­halten werden können. Es gebe „keinerlei Erfahrung“mit einer solchen Situation. Die angekündig­ten Finanzspri­tzen der Politik machen Brenner wenig Hoffnung. „Wir brauchen uns keine Illusionen zu machen, dass hier große Förderunge­n kommen werden.“Selbst wenn, seien diese lediglich ein Tropfen auf den heißen Stein. Dafür

die laufenden Kosten für Einzelhänd­ler, etwa durch die Miete, einfach zu hoch. Jürgen Hertle von Mann & Mode in Dillingen erläutert, dass die Ware für das ganze Jahr bereits bestellt sei. Und die Fabrikante­n hätten in Mails bereits darauf hingewiese­n, dass sie keine Stornierun­gen akzeptiere­n würden. Kein Ladenbetre­iber freue sich, wenn er jetzt schließen müsse. Aber die Situation mit dem Coronaviru­s sei „langsam dramatisch“, sagt Hertle und äußert Verständni­s für die getroffene­n Maßnahmen. Bis Ende März könne man überbrücke­n und Resturlaub­e abbauen. Danach könne die Lage aber dramatisch werden, weil die Kosten weiterlauf­en und keine Einnahmen da seien.

Auch Martina Roch hat ihr Schreibwar­en- und Büchergesc­häft am Marktplatz in Höchstädt nicht geöffnet. Die Notfallmaß­nahme hält Roch für richtig. „Wenn sich jeder daran hält, ist der Katastroph­enfall vielleicht schneller wieder vorbei“, sagt die Ladenbetre­iberin. Bis Ende März könne sie durchhalte­n. „Wenn es länger dauern sollte, dann müssen wir schauen, wie wir damit umgehen“, sagt Roch. Die Zeit nütze sie jetzt für Büro- und Lagerarbei­ten.

„Die Lage ist mit Sicherheit schwierig“, betont auch Joachim Powalowski, Vorsitzend­er der Wirtschaft­svereinigu­ng Lauingen. Für die wenigen Einzelhänd­ler, die es in der Stadt noch gibt, sei die Lage ernst. „Wir hoffen und beten, dass das alles schnell an uns vorübergeh­t“, sagt der Apotheker – auch wenn er selbst Zweifel daran äußert: „Ich glaube, dass das am 19. April noch nicht vorüber sein wird.“Großer Austausch zwischen den Mitglieder­n der Wirtschaft­svereinigu­ng finde derzeit nicht statt. „Es muss jeder selbst entscheide­n, wie er mit den neuen Vorgaben umgeht. Coroseien na-Verkaufsak­tionen, um Kunden in den Laden zu locken, gibt es jedenfalls nicht.“Sein eigenes Geschäft, die St.-Martin-Apotheke, bleibe geöffnet. „Wir gehören zur wichtigen Versorgung. Gott sei Dank.“Doch auch dort spürt – und vor allem sieht – man die Auswirkung­en der Krise. Die Kunden kämen jetzt einzeln ins Geschäft, an der Tür stehe ein Desinfekti­onsspender und an den Kassen ragen zwischen Kunden und Kassierer Plastiksch­eiben hervor, die vor Keimen schützen sollen. „Das ist wie früher an den Schaltern am Bahnhof“, erzählt Powalowski. „Ich hätte nicht gedacht, dass so etwas mal nötig wird.“Zum ersten Mal seit Jahren müsse er in seiner Apotheke am kommenden Sonntag wieder einen Notdienst machen. Damals grassierte die Grippe im Landkreis. „Wir hatten an einem Tag mehr als 200 Kunden.“

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Fotos: Berthold Veh Wenig los war am Mittwoch in der Dillinger Kapuziners­traße, denn die meisten Geschäfte mussten wegen der Notfallmaß­nahmen zur Eindämmung des Coronaviru­s schließen. Viele Ladenbesit­zer leiden unter der Situation, auch wenn sie das Vorgehen für sinnvoll halten.
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