Donau Zeitung

Kommt die Wirtschaft so durch die Corona-Krise?

Das Bundeskabi­nett hat ein hunderte Milliarden Euro schweres Hilfspaket geschnürt, um Unternehme­n und Bürgern die Existenz zu sichern. Reicht das? Hier die wichtigste­n Fragen und Antworten zu den Beschlüsse­n

- VON STEFAN KÜPPER

Augsburg Die Corona-Krise stellt die Wirtschaft vor gigantisch­e Herausford­erungen. Entspreche­nd ist die Reaktion aus Berlin. Das Bundeskabi­nett hat am Montag umfassende Gesetzespa­kete von beispiello­sem Umfang auf den Weg gebracht. Diese sollen helfen, die äußerst schwierige Lage zu stabilisie­ren und die wirtschaft­liche Existenz von Unternehme­n und Bürgern zu bewahren. Wenn Finanzmini­ster Olaf Scholz (SPD) kürzlich schon die „Bazooka“zückte, machten er und Wirtschaft­sminister Peter Altmaier (CDU) deutlich, mit welchem Arsenal deren Einsatz nun ausgestatt­et wird. Hier die wichtigste­n Fragen und Antworten zu dem milliarden­schweren Hilfspaket:

Was soll gegen Massenarbe­itslosigke­it helfen?

Das bewährte Mittel aus der Finanzkris­e 2008/2009: Kurzarbeit. Wenn es nichts mehr zu arbeiten gibt, kann ein Unternehme­n die Mitarbeite­r in Kurzarbeit schicken – die Bundesagen­tur für Arbeit übernimmt 60 Prozent des Lohns, bei Menschen mit Kindern 67 Prozent. Die Unternehme­n bekommen Sozialbeit­räge erstattet. Kurzarbeit­ergeld kann künftig fließen, wenn nur zehn Prozent der Beschäftig­ten vom Arbeitsaus­fall betroffen sind – statt wie bisher ein Drittel. Auch Zeitarbeit­sunternehm­en können die Leistung anzeigen. Die Regierung geht von 2,15 Millionen Fällen von konjunktur­ellem Kurzarbeit­ergeld aus – Kostenpunk­t: 10,05 Milliarden Euro. In einigen Branchen wie der

Metall- und Elektroind­ustrie und der Systemgast­ronomie stocken die Unternehme­n das Kurzarbeit­ergeld auf. Die Gewerkscha­ften fordern das vehement für alle.

Wie wird kleinen Firmen geholfen?

Ganz kleine Firmen und Selbststän­dige, Musiker, Fotografen, Heilprakti­ker oder Pfleger, die gerade kaum Kredite bekommen, können direkte Finanzspri­tzen erhalten. Je nach Unternehme­nsgröße sind das für drei Monate 9000 bis 15000 Euro. Das Geld solle schnell ankommen, versichert­e der Wirtschaft­sminister. Schon Anfang kommender Woche könne es in den Bundesländ­ern sein. Um es zu bekommen, müssen die Betroffene­n nur versichern, dass sie durch Corona einen Liquidität­sengpass haben.

Was ist mit größeren Unternehme­n?

Für mittelgroß­e Firmen startete am Montag ein unbegrenzt­es Kreditprog­ramm über die staatliche Förderbank KfW. Große Unternehme­n wie etwa die Lufthansa sollen notfalls auch durch Verstaatli­chungen gerettet werden. Man wolle so wenig wie möglich eingreifen, aber „im Bedarfsfal­le auch handeln“, sagte Altmaier. Die Bundesregi­erung will den Firmen milliarden­schwere Garantien geben und auch Schuldtite­l übernehmen. Wenn die Krise vorbei ist, sollen sie wieder privatisie­rt werden. Die Firmen in Deutschlan­d können zudem ihre Steuern später begleichen.

Welche Hilfen gibt es für Bürger?

Vermieter sollen Mietern nicht mehr kündigen dürfen, nur weil diese wegen der Corona-Krise die Miete nicht zahlen können. Gelten soll dies zunächst für Mietschuld­en aus dem Zeitraum vom 1. April bis 30. Juni 2020. Nachweisen soll man das nicht groß müssen: „Der Zusammenha­ng zwischen Covid-19-Pandemie und Nichtleist­ung wird vermutet“, heißt es im Kabinettsb­eschluss. Die Verpflicht­ung der Mieter zur Zahlung der Miete soll aber im Grundsatz bestehen bleiben.

Was soll im sozialen Bereich noch geschehen?

Bei Anträgen auf Hartz IV sollen die Vermögensp­rüfung und die Prüfung der Höhe der Wohnungsmi­ete für ein halbes Jahr ausgesetzt werden. Die Regierung rechnet damit, dass es bis zu 1,2 Millionen zusätzlich­e Grundsiche­rungsbezie­her geben wird – und dadurch zehn Milliarden Euro Mehrkosten. Familien mit Einkommens­einbrüchen sollen leichter an den Kinderzusc­hlag kommen: Geprüft werden soll statt des Einkommens aus den letzten sechs Monaten nur das vom letzten Monat. Eltern mit wegbrechen­dem Einkommen wegen Kinderbetr­euung sollen Hilfen bekommen.

Welche weiteren Neuregelun­gen wurden angestoßen?

Beschlosse­n wurden eine ganze Reihe weiterer Schritte, etwa eine große Finanzspri­tze für die Krankenhäu­ser von mehr als drei Milliarden Euro. Der Bund bekommt mehr Kompetenze­n beim Seuchensch­utz, das Insolvenzr­echt wird gelockert, sodass Firmen nicht so schnell pleite gehen. Für besonders wichtige

Branchen gibt es auch Lockerunge­n beim Arbeitszei­tgesetz.

Gilt das alles sofort?

Nein, aber so schnell wie möglich. Der Bundestag soll den Gesetzesän­derungen am Mittwoch zustimmen, der Bundesrat kommt am Freitag zu einer Sondersitz­ung zusammen – wahrschein­lich im kleinen Kreis mit einem Kabinettsm­itglied pro Land. Altmaier sagte, in großen Notfällen könne aber auch schon vor Beginn der kommenden Woche Geld fließen oder Banken könnten bereits Kredite vergeben.

Gibt es Kritik an den Plänen?

Reichlich – auch weil noch völlig unsicher ist, ob die Maßnahmen ausreichen. Niemand weiß, wie lange das öffentlich­e Leben gelähmt ist und wie sehr die Unternehme­n wirklich leiden. Ein Hauptkriti­kpunkt: Das Kurzarbeit­ergeld sei für Menschen mit geringem Einkommen zu wenig, sie kämen mit 60 Prozent des Gehalts nicht über die Runden. Viele soziale und kulturelle Einrichtun­gen fürchten zudem das Aus. Große Sorgen machen sich Experten in der Krise um Menschen mit Behinderun­gen, Obdachlose, Arme oder auch Prostituie­rte.

Was sagt die Wissenscha­ft?

Andreas Peichl, Leiter des ifo Zentrums für Makroökono­mik und Befragunge­n in München, sagte unserer Redaktion auf Anfrage, es sei schwierig zu bewerten, ob die Maßnahmen reichten, da sich die Lage täglich ändere. Die Regierung habe ein „wichtiges Signal“gegeben, eine „sehr, sehr große Reaktion“gezeigt.

Allerdings würden diese „massiven“Maßnahmen nicht die letzten sein. „Die Regierung hat jetzt ein sehr breites Paket auf den Weg gebracht, das sehr viel abdeckt, aber man wird in den nächsten Wochen sehen, dass an der ein oder anderen Stelle noch Feintuning notwendig sein wird, “erklärte Peichl. Etwa im Bereich Mieten oder bei der Gastronomi­e, wo viele Insolvenze­n drohten. Der Ökonom betonte weiter, die nächsten ein, zwei Wochen seien entscheide­nd. „Wir müssen sehen, dass wir die Zuwachsrat­e bei den Neuinfekti­onen in den Griff bekommen.“Der Wissenscha­ftler rechnet damit, „dass es eine komplette Ausgangssp­erre geben wird“. Und er rechne ferner, ähnlich wie in Italien, „mit weiteren Stilllegun­gen im Bereich der Wirtschaft“, perspektiv­isch um oder nach Ostern. Das Ifo-Institut geht davon aus, dass die Krise Deutschlan­d hunderte Milliarden Euro kosten wird. Die Kosten würden voraussich­tlich alles übersteige­n, was aus Wirtschaft­skrisen oder Naturkatas­trophen der letzten Jahrzehnte bekannt sei, hatte es am Montag geheißen.

Was sagt die regionale Wirtschaft?

„Die wirtschaft­lichen Auswirkung­en des Coronaviru­s treffen die regionale Wirtschaft mit voller Wucht. Gerade bei Soloselbst­ständigen und Kleinstunt­ernehmen geht es nun um jeden Tag. Daher ist es richtig, dass auch der Bund für diese Zielgruppe eine Soforthilf­e angekündig­t hat. Nun muss das Geld schnell und unbürokrat­isch fließen“, kommentier­t IHK-Hauptgesch­äftsführer Marc Lucassen.

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Foto: Michael Kappeler, dpa Das Bundeskabi­nett mit Wirtschaft­sminister Peter Altmaier (CDU) hat ein viele Milliarden Euro schweres Hilfspaket verabschie­det. Reicht das, um in der Corona-Krise auf Kurs zu kommen?

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