Wie sich Arztpraxen vor Corona schützen wollen
Allgemeinmediziner aus dem Landkreis bitten darum, dass sich Patienten mit Verdacht auf eine Infektion unbedingt von den Praxen fernhalten sollten. Ein Hinweis des Dillinger Gesundheitsamts sorgt für Wirbel
Landkreis Ein Hinweis des Dillinger Gesundheitsamts hat Hausärzte in der Region entsetzt. Als am Mittwoch voriger Woche der erste Corona-Fall im Landkreis Dillingen bestätigt wurde, erläuterte Amtsleiterin Dr. Uta-Maria Kastner, dass Menschen mit dem Verdacht einer Coronavirus-Infektion auch bei Hausärzten einen Abstrich machen lassen könnten. In der Pressemitteilung hieß es: „Zusätzlich können durch die Hausärzte Personen mit akuten Atemwegsymptomen abgestrichen werden: Wenn man in einem Gebiet war, in dem es bereits zu vielen Covid-19 Erkrankungen gekommen ist.“Infrage kämen auch Menschen mit Vorerkrankungen und Patienten, bei denen die Atemweg-Erkrankung schlimmer wird. Oder Personen, die bei der Arbeit oder einer ehrenamtlichen Tätigkeit mit Menschen in Kontakt kommen, die ein hohes Risiko für schwere Erkrankungen haben (zum Beispiel im Krankenhaus oder der Altenpflege).
Diese Empfehlung hat einen Allgemeinmediziner aus dem Landkreis, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen will, in Wallung gebracht, denn er hält es für grundsätzlich falsch, Menschen mit Corona-Verdachtssymptomen in Hausarztpraxen zu schicken. Der Mediziner zitiert ein Schreiben des Deutschen Hausärzteverbands: „Wir müssen alles dafür tun, damit das Coronavirus nicht in unsere Praxen gelangt.“Hausärzte könnten sich um Infizierte nur kümmern, wenn ihnen die entsprechende Schutzkleidung zur Verfügung gestellt werde. Und bei den meisten Allgemeinmedizinern fehle diese Schutzkleidung.
Dies bestätigt der Dillinger Hausarzt Dr. Alexander Zaune, Mitglied im Landesvorstand des Hausärzteverbands. Er selbst habe nur noch vier Schutzmasken (FFP2-Masken), bei seinen Kollegen sei es nicht anders. Die gängigen Atemschutzmasken, die in Umlauf seien, hätten keinen Filter und bieten keinen Schutz vor Coronaviren. „Abstriche ohne die notwendige Schutzausrüstung zu machen, das geht gar nicht. Da fehlt mir jegliches Verständnis“, sagt Zaune. Ansonsten bestehe die Gefahr, dass sich das Personal infiziere und die Praxis lahmgelegt werde. Wer den Verdacht habe, er könne sich mit dem Coronavirus infiziert haben, soll laut Zaune Hausarztpraxen meiden. Das weitere Vorgehen könne telefonisch in der
und unter der Nummer 116117 abgestimmt werden.
Gesundheitsamtsleiterin Kastner betont, die Hinweise der Pressemitteilung stammten vom RobertKoch-Institut (RKI). Insbesondere Hausärzte könnten laut Hinweis des Landesamts für Gesundheit in diesen Fällen ohne besondere Schutzausrüstung (normaler Mund-Nasen-Schutz, Schutzkittel, Handschuhe) einen Abstrich machen. Die Vorgaben orientieren sich, wie Kastner erläutert, „an dem Flussschema, das auf den Internetseiten des Robert-Koch-Instituts zur Orientierungshilfe für Ärzte eingestellt ist“. Sie werde dem Kollegen, der die Ansicht Kastners unter Berufung auf das RKI nach wie vor für falsch hält, die fachlichen Vorgaben in einer ruhigen Minute gerne erklären. Kastner sagt: „Coronapatienten sind Gott sei Dank nicht farblich markiert und werden mit und ohne Test zunehmend ärztliche Hilfe benötigen, so wie Menschen mit anderen Infektionen auch.“
Dr. Uta-Maria Kastner versichert, dass sie mit einem kleinen Team von Ärztinnen und Mitarbeitern inzwischen fast rund um die Uhr und auch am Wochenende arbeite. Die Gesundheitsamtschefin betont: „Mein vorrangiges Ziel ist es, Fälle frühzeitig zu detektieren (festzustellen, Anm. d. Red.) und über die Kontaktpersonen Infektionsketten zu durchbrechen.“Mit all den Maßnahmen könne die Epidemie aber nicht aufgehalten, sondern höchstens verlangsamt werden. „Dafür müssen die vorhandenen Laborkapazitäten effektiv genutzt werden“, erklärt Kastner.
Die Zahl der bestätigten CoronaFälle im Landkreis Dillingen hat sich, wie auf der Übersichtskarte des Landesamts für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit zu sehen ist, am Dienstag von 15 auf mittlerweile 17 erhöht.
In Buttenwiesen musste die Gemeinschaftspraxis vorübergehend schließen, nachdem dort ein Patient, der ohne Anmeldung in die Praxis gekommen war, positiv auf das Virus getestet wurde. Die Kinderarztpraxis Dr. Berweck/Dr. Steinheber in Wertingen hat diese Woche wegen einer Corona-Infektion ebenfalls zusperren müssen. Dieses SzePraxis nario wollen Dr. Harry Boehm und Dr. Katrin Peschel in ihrer Allgemeinmediziner-Praxis in der Lauinger Johannesstraße vermeiden. Mithilfe der Lauinger Feuerwehr wurde dort inzwischen ein großes Lazarett-Zelt aufgebaut. Zunächst hatte Boehm behelfsweise ein grünes Partyzelt aufgestellt. „Wir trennen die Patientenströme“, sagt Peschel. Menschen, die Verdachtssymptome einer Coronavirusinfektion aufweisen, sollen gar nicht in die Praxis gelangen. „Sie bleiben im Zelt, und werden dort von uns versorgt.“
Boehm erläutert, dass sich die
Praxis mit ihren fünf Medizinern „auf niedrigem Niveau“selbst organisiert habe. In die Praxis gelangen die Patienten nicht selbst, sondern nur nach Aufforderung und vorheriger Abfrage durch die Arzthelferin, ob irgendwelche Erkältungssymptome bestehen. „Wir haben mehrere Barrieren aufgebaut“, informiert Boehm. Patienten sollen sich vorher anmelden, bei einem Coronaverdacht helfe die Nummer 116117 weiter. Bei der Versorgung mit Material seien die Hausarztpraxen alleine gelassen worden, sagt Boehm. Die Kassenärztliche Vereinigung sei immer noch am Überlegen, wo sie die Schutzausrüstung herbekommt.
Ein anderes Thema bewegt den Lutzinger Naturschützer Xaver Kerle. In vielen Supermärkten im Landkreis arbeiten seinen Beobachtungen zufolge Mitarbeiterinnen an den Kassen ohne Mundschutz. Eine Abtrennung durch Plexiglasscheiben gebe es oft nicht. Und Kunden würden zu wenig Abstand halten, stellt Kerle fest. „Die stehen dicht gedrängt aufeinander wie die Schafe.“