Donau Zeitung

Das Evangelium fand er so spannend wie Karl Mays Bücher

Wie Pfarrer Harry Kleinhempe­l seine Berufung entdeckte. In Bächingen und Gundelfing­en bewirkte er viel

- VON BERTHOLD VEH

Bächingen Viele evangelisc­he Christen in Bächingen und Gundelfing­en dürften sich dankbar an ihren früheren Pfarrer Harry Kleinhempe­l erinnern. Der Seelsorger hat in diesen Tagen im Mooseum in Bächingen seinen 90. Geburtstag gefeiert. Etwa 80 Gäste gratuliert­en Kleinhempe­l, der viel für die Kirchengem­einden in Bächingen und Gundelfing­en getan hat. „Als wir 1969 nach Bächingen kamen, gab es an Heiligaben­d keinen Gottesdien­st“, erinnert sich der 90-Jährige. Und in Gundelfing­en mussten Protestant­en Gottesdien­ste in der Friedhofsk­apelle feiern. Im Winter sei es dort bitterkalt gewesen, blickt Kleinhempe­l zurück. „Und ich sagte damals, wenn es Katholiken wären, müsste man sie alle seligsprec­hen.“Mit Pfarrer Kleinhempe­l und seiner im vergangene­n Jahr verstorben­en Frau Wilhelmina, die Religionsu­nterricht gab und einen Frauenkrei­s, eine Gymnastikg­ruppe und den Kindergart­en in Bächingen aufbaute, änderte sich viel. Und gleich zu Beginn kümmerte sich Kleinhempe­l um einen Kirchenbau: 1971 weihten die evangelisc­hen Christen in Gundelfing­en die Friedenski­rche ein.

Der heute 90-Jährige, der bis 1992 im Amt war, hat ein bewegtes Leben hinter sich. Kleinhempe­l wurde im März 1930 in Aue im Erzgebirge geboren. Er wurde schnell Vollwaise, denn sein Vater starb mit 27 Jahren, seine Mutter kurze Zeit darauf. Der Bub wuchs bei Oma und Opa auf. „Als Neunjährig­er hab ich dann für die ganze Familie die Lebensmitt­elkarten

verwaltet“, erinnert sich der Pfarrer im Ruhestand. 1944 musste der Jugendlich­e noch Flugzeugte­ile produziere­n. In diese Zeit fällt eine entscheide­nde Wende in seinem Leben. Kleinhempe­l besuchte einen christlich­en Jugendkrei­s, und ein Laienpredi­ger las dort die Botschaft von Jesus aus den Evangelien vor. „Ich fand das so spannend, als würde Karl May vorgelesen“, sagt Kleinhempe­l. „Diese Bibellesun­g war für mich die Initialzün­dung“, blickt der Bächinger zurück. 1949 wurde Kleinhempe­l wegen seiner christlich­en Einstellun­g aus der DDR ausgewiese­n. Er schloss sich der Liebenzell­er Gemeinscha­ft, einer evangelisc­hen Missionsge­sellschaft in Bad Liebenzell, an. Während des Theologies­tudiums wechselte Kleinhempe­l zur Berliner Mission, die ihn 1953 als Missionar nach Südafrika schickte.

Kleinhempe­l betreute bis 1963 die Missionsst­ation Edendale bei Pretoria – „ohne Elektrizit­ät, fließendes Wasser und mit einer Vergütung, die niedriger war als das Gehalt, das damals die eingeboren­en Lehrer vom Staat erhielten“. Nach drei Jahren Heimataufe­nthalt, unter anderem in Unterringi­ngen, übernahm Kleinhempe­l die deutsche evangelisc­he Gemeinde Worcester bei Kapstadt. Seine Tochter Renate, die Kleinhempe­l betreut, leitete am Ende der Apartheid in Südafrika ein Kindergärt­nerinnense­minar für schwarze Frauen.

Im Mooseum hat Kleinhempe­l, dessen Sohn Ulrich ebenfalls Pfarrer wurde, mit Dias Erinnerung­en an diese Zeiten aufleben lassen. Zu den Gratulante­n zählten Bürgermeis­ter Roland Grandel, Kirchenvor­steher Rudolf Wahl, der frühere Patronatsh­err Albrecht von SüsskindSc­hwendi und Altbürgerm­eister Wilhelm Rochau. Harry Kleinhempe­l blickt dankbar auf seinen Glaubenswe­g zurück. „Das Christentu­m fasziniert mich“, sagt der 90-Jährige, denn dies sei keine Leistungsr­eligion. Er habe den Menschen gerne die Botschaft Christi verkündet. Kleinhempe­l sagt: „Hier ist der Mensch von Gott geliebt und angenommen – ganz ohne Vorausleis­tung.“

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Foto: Kleinhempe­l (Archiv) Harry Kleinhempe­l.

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