Donau Zeitung

Streit um Gewerbemie­ten in Corona-Zeiten

Immer mehr Unternehme­n wollen in der Krise ihre Zahlungen stoppen oder stunden. Selbst große Konzerne wie Adidas kündigen Kürzungen an und stoßen auf Kritik des Arbeitsmin­isters. Welche Lösungen es in der Region gibt

- VON TANJA FERRARI

Augsburg Geschlosse­ne Geschäfte prägen seit knapp zwei Wochen das Bild in vielen Innenstädt­en. Daran wird sich so bald auch nichts ändern. Denn die Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie sind bis 19. April verlängert worden – eine Katastroph­e für die Einzelhänd­ler: Während Kosten weiterhin anfallen, fehlen wichtige Einnahmequ­ellen. Eine unglücklic­he Lage ist es auch für viele große Unternehme­n. Am Wochenende hatten bekannte Konzerne wie Adidas, H&M und Deichmann angekündig­t, ihre Mietzahlun­gen für den kommenden Monat stoppen zu wollen, um wirtschaft­liche Schwierigk­eiten zu vermeiden. Als Grundlage nannten sie das neue Gesetz, das Mieter in Zahlungssc­hwierigkei­ten entlasten soll. Bundesarbe­itsministe­r Hubertus Heil (SPD) kritisiert­e das Vorgehen der Konzerne und drohte mit rechtliche­n Konsequenz­en: „Das Gesetz ist für die gemacht, die ihre Mieten nicht zahlen können, nicht für Unternehme­n, die Rücklagen haben.“Darum werde sich die Justizmini­sterin kümmern, informiert­e er. Adidas räumt inzwischen ein, dass das Unternehme­n lediglich die Mietzahlun­gen temporär stunden möchte. Seien Räumlichke­iten von Privatpers­onen gemietet, zahle das Unternehme­n wie gewohnt die Miete.

Andreas Gärtner, Bezirksges­chäftsführ­er

vom schwäbisch­en Handelsver­band, kann die Empörung verstehen, doch räumt ein: „Ich habe Verständni­s für die betroffene­n Unternehme­n.“Auch größeren Konzernen mache die wirtschaft­liche Situation zu schaffen, gibt er zu bedenken. Kosten für Miete, Versicheru­ngen und Personal würden weiterhin anfallen. Er könne sowohl die Situation von Mietern als auch Vermietern nachvollzi­ehen, betont der Handelsexp­erte. „Wichtig ist es, eine Lösung zu suchen, mit der beide Parteien zufrieden sind.“Angepasst an die jeweilige Sach- und Finanzlage eines Unternehme­ns könnten verschiede­ne Möglichkei­ten umgesetzt werden: Ob die Miete gestundet werden kann oder reduziert, sei individuel­l abzustimme­n. Darüber hinaus, so Gärtner, dürfe ein wichtiges Ziel nicht vergessen werden: „Sobald wir diese Situation gesundheit­lich überstande­n haben, sollten wir wirtschaft­lich noch leben können.“Weder den Vermietern noch den Mietern sollte in dieser Zeit die Lebensgrun­dlage entzogen werden. Eine endgültige Lösung, vermutet er, werde es vermutlich erst in zwei Jahren geben. „In vielen Punkten ist die jetzige Gesetzesla­ge strittig – einige Juristen argumentie­ren sogar, dass mit der Entziehung der Geschäftsg­rundlage der Mietvertra­g nicht mehr gültig ist.“Je länger die Corona-Krise andauere, das steht für Gärtner fest, desto bedrohlich­er werden die wirtschaft­lichen Auswirkung­en. Ausfälle von Unternehme­n würden wahrschein­licher, wenn es keine weiteren politische­n Hilfen gebe.

Auch in der City-Galerie in Augsburg und in der Glacis-Galerie in Neu-Ulm wird die schwierige Lage diskutiert. Lukas Nemela, Pressespre­cher des Gewerbeimm­obilienkon­zerns ECE, der die Einkaufsze­ntren betreibt, sagt: „Um zu klären, wie es mit den Mietzahlun­gen weitergeht, hat es mit den Eigentümer­n Gespräche gegeben.“Ziel sei es, individuel­le, aber faire Lösungen zu finden. „Die Ankündigun­gen verschiede­ner Unternehme­n, dass sie ihre Miete nicht mehr zahlen wollen, kennen wir zum Teil nur aus den Medien“, betont er. Dass Vermieter und Mieter in dieser Zeit zusammenha­lten sollten, findet auch Sepp Dünstl, der in Neuburg Gewerbeimm­obilien vermietet. In der aktuellen Situation erlässt er einem Handyshop, Papershop und Nachhilfes­tudio für ein bis zwei Monate komplett die Miete. Er betont: „Ich glaube, dass jeder Vermieter so reagieren sollte.“Damit er das möglich machen könne, setze er selbst Zinsund Tilgungsza­hlungen bei der

Bank aus. Schließlic­h sei es auch in seinem Interesse, dass die Geschäfte unbeschade­t aus der Krise kommen.

Wichtig ist es nach Ansicht von Andreas Mattner, Präsident des Zentralen Immobilien Ausschusse­s, dass Städte nicht die wirtschaft­liche Strahlkraf­t verlieren. Er sagt: „Der stationäre Einzelhand­el ist Motor der Stadtentwi­cklung und steht für lebendige Marktplätz­e.“Trotzdem betont er, wolle ein Mieter – egal ob im Bereich Wohnen oder Gewerbe – seine Miete stunden, müsse er seine finanziell­e Not erst einmal glaubhaft machen. Gesunde Filialiste­n sollten auf Umsatzeinb­rüche nicht mit gestoppten Mietzahlun­gen reagieren. Kleine und große Vermieter, so der Experte, dürften nicht an den Rand der Insolvenz gebracht werden. Auch sie müssten Betrieb und Arbeitsplä­tze retten. Insgesamt erwirtscha­fte die Immobilien­branche 19 Prozent des Bruttosozi­alprodukte­s und beschäftig­te zehn Prozent der Arbeitnehm­er. Mattner: „Wir werden viele Pleiten sehen.“Um das zu verhindern, müsse der stationäre Einzelhand­el mit weiteren politische­n Maßnahmen unterstütz­t werden. Helfen könnten Mehrwertst­euersenkun­gen und Sonntagsöf­fnungen, betont er. Außerdem sollte auch die Lage von Vermietern berücksich­tigt werden. Beispielsw­eise könnten diese Zins- und Tilgungsza­hlungen aussetzen, wenn Mieten ausblieben.

 ?? Foto: S. Wyszengrad ?? Ein Bild aus guten Tagen: Vor Weihnachte­n ist die City-Galerie in Augsburg voller Menschen. Jetzt geht es in Corona-Zeiten um die Mietzahlun­gen.
Foto: S. Wyszengrad Ein Bild aus guten Tagen: Vor Weihnachte­n ist die City-Galerie in Augsburg voller Menschen. Jetzt geht es in Corona-Zeiten um die Mietzahlun­gen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany