Nicht viel mehr als ein Symbol
Selten zuvor hatte ein Thema innerhalb der Europäischen Union mehr Sprengkraft als der Umgang mit der Flüchtlingskrise. Noch heute sind die Nachwehen jener aufgewühlten Monate des Jahres 2015 zu spüren: In Europa haben sich Rechtspopulisten in den Regierungen festgesetzt, die gesellschaftlichen Gräben sind längst nicht überbrückt, die Integration bleibt eine Aufgabe für Jahrzehnte. Die EU bewies damals, dass sie in schweren Zeiten nicht zusammenstehen kann. Statt Italien und Griechenland in ihrer Not zu unterstützen, verweigerten sich Polen, Ungarn und Tschechien damals einer solidarischen Lösung – und sie tun dies bis zum heutigen Tag.
Es war und bleibt eine Schande, dass nicht einmal ein Kompromiss möglich ist. Deshalb ist es gut, dass der Europäische Gerichtshof den drei Ländern mit seinem Urteil klarmacht: So nicht! Beschlüsse sind von allen umzusetzen. Und doch ist dieses Urteil nicht viel mehr als ein juristisches Symbol. Denn die harte Linie der Osteuropäer ist längst zum europäischen Maßstab des Handelns in Flüchtlingsfragen geworden. Als kürzlich die Türkei ihre Grenzen öffnete, lautete das Mantra „2015 darf sich nicht wiederholen“– der Begriff „Willkommenskultur“ist zum Unwort verkommen. Eine kleine „Allianz der Willigen“versucht, die Menschlichkeit nicht aus dem Blick zu verlieren. Doch auch wenn Polen, Ungarn und Tschechien vor Gericht verloren haben – in Wirklichkeit haben sie gewonnen.