Donau Zeitung

Meine erste Videokonfe­renz

Im Homeoffice stand eine Premiere an. Vor dem inneren Auge lief „Aktenzeich­en XY… ungelöst“. Die Realität, nun ja, war eine andere

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Die erste Videokonfe­renz aus dem Homeoffice – na ja, sagen wir mal so: Es lag eine gewisse Spannung in der Luft. Vor dem inneren Auge malte ich mir aus, wie das Bild auf meinem Laptop grieselt und auf einmal die Leitung steht. Und ich sehe den Chefredakt­eur in unserer Zentrale, der wie einst Ede Zimmermann bei „Aktenzeich­en XY...ungelöst“sehr ernst in die Kamera schaut und mich wie einst Ede den Kollegen Peter Nidetzky im ORF-Aufnahmest­udio fragt: „Was hat es bei Ihnen an ersten Nachrichte­n gegeben?“

In der Realität grieselte nichts. Es machte schwupp, dann sah ich fünf Kollegen, Corona-bedingt verteilt auf gefühlten 500 Quadratmet­ern Redaktion. Dort hängen zwei große Bildschirm­e, auf einem war wohl ich jetzt zu sehen. Die Kollegen winkten zart, und ihre erste Frage lautete: „Was hängt denn hinter deinem Rücken für ein knallgelbe­s Bild?“

Die anfänglich­e Ernüchteru­ng wich der Erkenntnis, dass dieser Frage ein durch und durch menschlich­es Interesse zugrunde liegt. Sie kennen mich ja nur aus der Redaktion. Wenn wir dort konferiere­n, ist die Umgebung immer dieselbe.

Plötzlich sitzen die Kollegen quasi an meinem Esstisch; dort baue ich jeden Morgen mein Homeoffice auf, wegen der Größe des Tisches und der Nähe zur Küche. Sie sitzen da und schauen sich um. Was man so macht beim ersten Besuch in einem fremden Haushalt. Diese Optik gehört neuerdings auch zur InterviewÄ­sthetik im Fernsehen. Gesprächsp­artner stehen nicht mehr im Studio, sondern starren zu Hause in ihre Laptops. Die Augen der Zuschauer erliegen dann schnell dem Reiz dieser unfreiwill­igen Homestory. Sie entdecken hässliche Schrankwän­de aus den Achtzigern, traurige Pflanzen oder langweilig­e weiße Wände.

In einer unserer Videoschal­ten, die inzwischen Alltag geworden sind, sagte jemand aus der Runde zu einer Kollegin: „Und das hinter dir sind also deine Bücher.“Die Kollegin antwortete: „Das sind Schallplat­ten.“Auch das kommt vor.

Die mit Abstand häufigste Frage, die mir über diesen Kanal bisher gestellt wurde, war tatsächlic­h die nach dem gelben Bild an meiner Wand. Ich sagte dann wahrheitsg­emäß, dass meine Frau es gemalt hat, ich sehr stolz sowohl auf das Bild als auch auf meine Frau bin und ein guter Auktionato­r dafür sicher ein paar Trillionen rauskitzel­n würde.

Ach ja, da war noch etwas bei der ersten Videokonfe­renz. Mittendrin erhielt ich eine Whatsapp aufs Handy. Ich las: „Die Kameraeins­tellung von unten macht Doppelkinn.“Auf dem Bildschirm des Laptops sah ich ganz hinten im Büro einen Kollegen aus der Sportredak­tion stehen. Mit einem Grinsen im Gesicht.

An dieser Stelle berichten Kolleginne­n und Kollegen aus der Redaktion von ihrem Alltag in Zeiten von Corona.

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Leiter der Redaktion Bayern und Welt, am Esstisch vor seiner eigenen Homeoffice-Deko
Andreas Frei, Leiter der Redaktion Bayern und Welt, am Esstisch vor seiner eigenen Homeoffice-Deko

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