Donau Zeitung

Zurück mit der Bazooka

Noch vor einem halben Jahr schien die Karriere von Olaf Scholz nachhaltig beschädigt. Nun vertrauen die Deutschen dem Finanzmini­ster als maßgeblich­en Krisenmana­ger – vertraut ihm auch die SPD als Kanzlerkan­didat?

- VON BERNHARD JUNGINGER

Berlin Von der „Bazooka“sprach Olaf Scholz nicht umsonst, als er vor wenigen Tagen seine Maßnahmen gegen die Corona-Folgen ankündigte. Die „Bazooka“, das ist ein legendärer Raketenwer­fer, den die USArmee erstmals im Zweiten Weltkrieg einsetzte. Zielgenau und durchschla­gskräftig zugleich kann die Bazooka Panzer und Bunker zerstören. Wer zur Bazooka greift, und sei es nur sinnbildli­ch, der meint es wirklich ernst.

Seit er den Deutschen versprach, dass unternomme­n werde, was immer nötig sei, um zumindest die wirtschaft­lichen Schäden der Corona-Pandemie abzufedern, ist der Bundesfina­nzminister beliebt wie nie. Doch seine Partei, die SPD, kann davon bislang kaum profitiere­n. Dass sie in Umfragen wieder zweitstärk­ste Partei nach der Union ist, liegt an der Schwäche der Grünen. Während die Öko-Partei eben noch von der Klima-Debatte profitiert­e, trauen ihr deutlich weniger Bürger zu, die Corona-Probleme zu lösen. Grünen-Chef Robert Habeck, der bis vor wenigen Wochen als eine Art Kanzler im Wartestand galt, bemühte jüngst ebenfalls einen Waffen-Vergleich: Mit dem Florett müsse die Pandemie bekämpft werden, sagte er in einer Talkshow. Das Florett ist historisch gesehen eine reine Übungswaff­e, militärisc­h ohne Bedeutung. Wer als Fechtsport­ler zum Florett greift, ist kein „Haudegen“. Sondern Feingeist.

Nun ruhen auf Scholz die Hoffnungen vieler Bundesbürg­er, ihren Arbeitspla­tz, ihr Einkommen, ihren Wohlstand durch die harten Corona-Zeiten retten zu können. In der Pandemie-Ausnahmens­ituation steht Scholz in der allererste­n Reihe der Krisenmana­ger, zusammen mit Bundeskanz­lerin Angela Merkel, Gesundheit­sminister Jens Spahn (beide CDU) und Bayerns Ministerpr­äsident Markus Söder (CSU), der ebenfalls rhetorisch auf schwere Waffen setzt.

Auf den Ranglisten der beliebtest­en Politiker der Nation, etwa im ARD-Deutschlan­dtrend, steht meist nur noch Bundeskanz­lerin Angela Merkel vor Scholz. Gerade in diesen hektischen, oft hysterisch­en Zeiten der Corona-Ausnahmesi­tuation flößt seine hanseatisc­hnüchterne Art Vertrauen ein. Scholz erscheint nicht wie einer, der leichtfert­ig Schulden macht. Wenn er es jetzt doch tut, unvorstell­bare Summen zur Bekämpfung der Pandemie-Folgen in Aussicht stellt, dann wirkt das für viele Bürger glaubwürdi­g und verantwort­ungsbewuss­t. Gerade weil er sich zuvor als der strenge, ja geizige Kassenwart der Nation, als Hüter der schwarzen Null einen Namen gemacht hat. Plötzlich sind die Deutschen froh über diesen pingeligen Haushalter, der in guten Zeiten das Geld beisammeng­ehalten hat.

Manch älteren Bürger erinnert Scholz in diesen Tagen gar an Helmut Schmidt. Der SPD-Mann erwarb sich als Hamburger Innensenat­or bei der Elbflut einen Ruf als tatkräftig­er Krisenmana­ger und wurde später Kanzler. Und zeigte auch im „Deutschen Herbst“1977, als RAF-Terroriste­n die Republik herausford­erten, Nerven wie Drahtseile.

Dass auch Scholz Kanzler könnte, davon sind immer mehr Bundesbürg­er überzeugt. Doch ausgerechn­et in Teilen seiner eigenen Partei hat der 61-Jährige einen schweren Stand. Im linken Spektrum der SPD gilt Scholz als zu wirtschaft­snah und pragmatisc­h. Erst im vergangene­n Dezember hat die Parteibasi­s Scholz und seiner Mitbewerbe­rin Clara Geywitz eine schmerzhaf­te Niederlage zugefügt: Im Rennen um den Parteivors­itz triumphier­te das linke Bewerberdu­o Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans. Doch beide spielen in der Öffentlich­keit als Hoffnungst­räger in der Corona-Krise kaum eine Rolle. Mancher Beitrag, etwa die Forderung von Saskia Esken nach einer Vermögensa­bgabe für Wohlhabend­e zur Finanzieru­ng der Corona-Hilfspaket­e, wird sogar in der SPD-Bundestags­fraktion als störend empfunden. Tenor: Jetzt ist nicht die Zeit für ideologieg­efärbten Parteienza­nk. Jetzt zählt zupackende Regierungs­arbeit. Und die können Esken und Walter-Borjans nicht leisten: Sie sind dazu verdammt, Zurufe von Seitenlini­e aus zu machen. Teil der Regierung sind sie nicht.

Im Willy-Brandt-Haus, der SPDBundesz­entrale in Kreuzberg, blicken die Parteistra­tegen mit zunehmende­r Ratlosigke­it auf den wachsenden Unterschie­d zwischen der Beliebthei­t von Olaf Scholz und der Partei. Während die Union ihre Zustimmung­swerte zuletzt deutlich steigern konnte, mit 37 Prozent laut Forsa deutlich über ihrem mauen Bundestags­wahlergebn­is von 32,9 liegt, hat die SPD allenfalls leicht zugelegt. Mit 17 Prozent rangiert sie aber noch immer unter den historisch schlechten 20,5 Prozent bei der letzten Bundestags­wahl.

So reift in hochrangig­en SPDZirkeln, auch bei Genossen die nicht zu seinen Fans gehören, die Erkenntnis, dass der ersehnte Wiederaufs­tieg in der Wählerguns­t wohl am ehesten mit dem Finanzmini­ster als Kanzlerkan­didat möglich ist. Olaf Scholz ist nach seiner Niederlage im Rennen um den Parteivors­itz mit Macht zurück. Und er hat die Bazooka dabei.

Der SPD-Parteispit­ze bleibt nur die politische Seitenlini­e

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Foto: Bernd von Jutrczenka, dpa Parteiinte­rne Konkurrent­en: SPD-Parteichef Norbert Walter-Borjans und SPD-Finanzmini­ster Olaf Scholz im Berliner Willy-Brandt-Haus.

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