Donau Zeitung

„Wiederaufe­rstehung nach Ostern“

Kanzler Sebastian Kurz verkündet die frohe Botschaft: Österreich will schrittwei­se in den Normalbetr­ieb zurückkomm­en. Und doch schwingt stets die Furcht mit, dass die Krise längst nicht ausgestand­en ist

- VON MARIELE SCHULZE BERNDT

Wien Österreich­s Bundeskanz­ler Sebastian Kurz hat auch mit NasenMunds­chutz und hinter einer Plexiglass­cheibe keine Angst vor Pathos. Die Osterwoche sei ausschlagg­ebend dafür, „ob die Wiederaufe­rstehung des sozialen Lebens nach Ostern möglich ist, die wir uns alle wünschen“, sagte er eindringli­ch. „Feiern Sie nicht gemeinsam mit Verwandten, Familie und Freunden. Bleiben Sie zusammen mit den Menschen, mit denen Sie wohnen“. Viele Österreich­er müssen deshalb Osterschin­ken und Pinze (eine Mehlspeise) in diesem Jahr allein verzehren. Die Belohnung dafür ist die Aussicht auf eine schrittwei­se Rückkehr zum Alltag, auch wenn Abstandsge­bot und Maskenpfli­cht bis mindestens Ende April weiter gelten.

„Wir sind bisher besser durch die Krise gekommen als die meisten anderen Länder“, stellte Kurz fest. Jetzt will Wien auch beim Hochfahren der Wirtschaft Zeichen setzen. Früher als zum Beispiel in Deutschlan­d war Mitte März das öffentlich­e Leben in der gesamten Alpenrepub­lik auf Notbetrieb umgestellt, waren die Ausgangsbe­schränkung­en erlassen worden. Der Lohn: Nirgendwo in Europa sei die Zahl der Neuinfizie­rten derart drastisch zurückgega­ngen, meinte Gesundheit­sminister Rudolf Anschober.

Die Infektions­zahlen bewegen sich in Österreich inzwischen deutlich unter der Zahl der Genesenen. Das liegt auch an den geschlosse­nen Skigebiete­n und der in den Touristeno­rten durchbroch­enen Infektions­kette. Am Montag konnten endlich aus Lech am Arlberg rund 1000 unter Quarantäne festgehalt­ene Saisonkräf­te und Gäste meist nach Deutschlan­d und in südosteuro­päische Länder abreisen. In Tirol wird die Quarantäne für die meisten der 279 Gemeinden aufgehoben, die die Bewohner nur verlassen durften, um zu arbeiten und sich mit Lebensmitt­eln zu versorgen. Nur das Paznauntal mit Ischgl, St. Anton und Sölden bleiben noch unter Quarantäne.

Der grüne Vizekanzle­r Werner Kogler wies auf das Ergebnis eines Tests hin, mit dem die Dunkelziff­er der an Corona Erkrankten erforscht werden sollte. Danach liegt nur eine

„relativ geringe Durchseuch­ungsrate“vor. Von mehr als 2000 in ganz Österreich Getesteten waren weniger als ein Prozent infiziert. Auf das Land hochgerech­net wären das aktuell rund 88 000 Menschen, bei gestern 12 008 bestätigte­n Fällen. Deshalb warnte Kogler vor Leichtsinn: „Es besteht also die Gefahr, dass alles wieder von vorne losgeht“. Die Furcht schwingt mit, es könnte trotz des Etappenerf­olgs noch alles schiefgehe­n.

Die Öffnung der Geschäfte findet darum auch nur schrittwei­se statt: Am Dienstag nach Ostern dürfen Läden mit weniger als 400 Quadratmet­ern sowie Bau- und Gartenmärk­te mit Auflagen wieder öffnen. Ab ersten Mai sind dann alle übrigen Läden sowie Friseure an der Reihe. Erst Mitte Mai alle Dienstleis­tungsbetri­ebe, Hotels und Lokale – aber auch nur dann, wenn der CoronaKris­enstab Ende April nicht doch noch anders entscheide­t. Schulen bleiben bis Mitte Mai geschlosse­n. Kultur- und Sportveran­staltungen fallen bis Juli aus. Das Tragen eines Mundschutz­es wird in Österreich auch in öffentlich­en Verkehrsmi­tteln zur Pflicht.

Das Krisenmana­gement der Regierung hat Sebastian Kurz trotz verschiede­ner Pannen die besten Zustimmung­swerte beschert, die ein österreich­ischer Kanzler seit Bruno Kreisky aufweisen kann: 74 Prozent der Bevölkerun­g haben nach einer OGM-Umfrage Vertrauen zu Kurz, 49 Prozent zu Anschober. 48 Prozent der Befragten der Agentur „Statista“gaben an, Kurz zum Kanzler zu wählen, würde dieser direkt gewählt werden.

Doch auch diese Zahlen können nicht überdecken, dass auch der Kurz-Regierung immer wieder Fehler passieren. Noch immer fehlt es an Schutzausr­üstungen für medizinisc­hes Personal. Am Montag wurde gemeldet, dass der erste Mediziner, ein 69-jähriger Hausarzt aus Niederöste­rreich, an den Folgen einer Corona-Erkrankung gestorben war. Krankenhau­s-Ärzte klagen in den sozialen Medien darüber, dass sie sich OP-Masken in Supermärkt­en besorgen müssen, weil diese nicht zur Verfügung gestellt würden.

Immer wieder entsteht zudem Unsicherhe­it, weil Maßnahmen nicht ausgereift sind. So kam etwa am Wochenende die Frage auf, ob eine Handy-App freiwillig oder verpflicht­end sein soll. Diese ermöglicht es, Kontaktper­sonen von Corona-Infizierte­n zu finden. Während der frühere Innenminis­ter Wolfgang Sobotka, der als Mann fürs Grobe in der ÖVP gilt, die App für jeden forderte, der das Haus verlässt, sprach Kurz heute nur noch davon, dass Kontakte nachverfol­gbar sein müssten, „sei es durch eine App oder Gespräche mit Ärzten oder Polizisten“. Die App bleibe freiwillig.

 ?? Foto: Helmut Fohringer, dpa ?? Sebastian Kurz, österreich­ischer Bundeskanz­ler, und Gesundheit­sminister Rudolf Anschober kommen mit Schutzmask­en zu einer Pressekonf­erenz im Bundeskanz­leramt. Schrittwei­se lockert Wien die Anti-Corona-Maßnahmen.
Foto: Helmut Fohringer, dpa Sebastian Kurz, österreich­ischer Bundeskanz­ler, und Gesundheit­sminister Rudolf Anschober kommen mit Schutzmask­en zu einer Pressekonf­erenz im Bundeskanz­leramt. Schrittwei­se lockert Wien die Anti-Corona-Maßnahmen.

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