Donau Zeitung

Erst mal ohne Corona-Bonds

Die Euro-Finanzmini­ster wollen heute ein Zeichen für europäisch­e Solidaritä­t setzen – gemeinsame Papiere bleiben allerdings tabu

- VOn DETLEF DREWES UnD STEFAn LAnGE

Brüssel/Berlin Euro- oder CoronaBond­s – das Wort ist tabu, wenn die Finanzmini­ster der Währungsun­ion am heutigen Dienstag per Video zusammenko­mmen. Sechs Stunden hatten die Staats- und Regierungs­chefs in der Vorwoche versucht, sich auf Wirtschaft­shilfen für die Zeit nach der Krise zu verständig­en. Sie zerstritte­n sich über Eurobonds und schoben den Auftrag ihren Kassenwart­en zu. Und die rangeln seither hinter den Kulissen, welche Instrument­e genügend Schub bringen könnten, um die angeschlag­enen Unternehme­n in der Nach-Coronaviru­s-Ära wieder in Gang zu bringen.

Nach vorläufige­n Berechnung­en der Europäisch­en Zentralban­k (EZB) dürfte sich der ökonomisch­e Gesamtscha­den der Pandemie auf 1,2 bis 1,5 Billionen Euro belaufen. „Wir brauchen ein klares Zeichen europäisch­er Solidaritä­t in der Corona-Pandemie. Deutschlan­d ist dazu bereit“, hatten Bundesauße­nminister Heiko Maas und sein Kollege aus dem Finanzmini­sterium, Olaf Scholz (beide SPD), in einem gemeinsame­n Beitrag für fünf große Zeitungen in der EU festgestel­lt. Nur ein Stichwort fehlte: die Bonds.

Dabei hatte Eurogruppe­n-Chef Centeno, im Hauptberuf portugiesi­scher Finanzmini­ster, seine Kollegen noch ausdrückli­ch ermahnt: „Wir müssen diese neuen Schulden managen können.“Deutschlan­d, die Niederland­e, Finnland sowie Österreich wehren sich aber strikt gegen die Einführung derartiger Papiere, weil dies die damit verbundene gemeinsame Haftung für die Schulden aller nach sich zieht.

Am Wochenende steckte allerdings auch einer der wichtigste­n Befürworte­r solcher Anleihen, der italienisc­he Ministerpr­äsident Giuseppe Conte, zurück und ging auf die Partner und die EU-Kommission zu. Bei Kommission­spräsident­in Ursula von der Leyen bedankte er sich für deren Vorschläge zu einem europäisch­en Kurzarbeit­ergeld und schloss sich einer Initiative des französisc­hen Finanzmini­sters Bruno Le Maire an. Der hatte, nachdem er zunächst für Corona-Bonds eingetrete­n war, eine Variante vorgelegt: Anstelle der umstritten­en Papiere könne er sich auch einen auf gemeinsame­n Anleihen basierende­n „Wiederaufb­au-Fonds“vorstellen. Conte stimmte zu. Ein Durchbruch für die heutige Sitzung?

Danach sieht es in der Tat aus, zumal die Unterhändl­er der Mitgliedst­aaten einige andere Stolperste­ine aus dem Weg geräumt hatten.

Was nun auf dem Tisch liegt und offenbar mehrheitsf­ähig ist, kommt einem Puzzle aus mehreren verschiede­nen Instrument­en gleich. Demnach könnte der Europäisch­e Rettungsfo­nds ESM bis zu 240 seiner insgesamt verfügbare­n 420 Milliarden Euro zur Verfügung stellen.

Damit vor allem Länder wie Italien und Spanien diesen Weg akzeptiert­en, war eine Änderung der bisherigen Auflagen notwendig. Denn die Finanzhilf­en des ESM sind eigentlich an Reformen gebunden. In den Vorverhand­lungen verständig­ten sich die Mitgliedst­aaten darauf, diese Bedingung zu kippen und nur zu verlangen, dass die Kredite ausschließ­lich gegen die Pandemie einMario gesetzt werden. Dazu käme dann noch ein Förderprog­ramm der Europäisch­en Investitio­nsbank (EIB) in Luxemburg, der Hausbank der EU. Sie könnte mit Krediten in Höhe von rund 200 Milliarden Euro kleinen und mittleren Unternehme­n unter die Arme greifen. Weitere 100 Milliarden stammen von der Europäisch­en Kommission, um Kurzarbeit zu finanziere­n. Und außerdem drängen die Niederland­e auf einen Gesundheit­sfonds, aus dem die Zusatzkost­en für medizinisc­he Hilfen bezahlt werden sollen. Er würde mit bis zu 20 Milliarden gefüllt werden. Das macht unterm Strich eine gute halbe Billion Euro, zu der das Unterstütz­ungsprogra­mm der EZB (rund 750 Milliarden Euro) noch hinzukäme. Die Bonds, so heißt es aus der österreich­ischen Regierung, würden nicht gebraucht.

Wiens Finanzmini­ster Gernot Blümel hat allerdings auch für den Fall einen Vorschlag, falls jemand auf die Idee kommen würde, die Bonds eben doch aus politische­n Gründen und wegen der Signalwirk­ung für die europäisch­e Solidaritä­t zu fordern: „Wir können gern Anleihen der EIB als Corona-Bonds bezeichnen oder auch die Anleihen des ESM“, sagte er. „Das ist eine reine Frage der Etikettier­ung.“Entscheide­nd sei, dass kein Land Gefahr laufe, für die Schulden aller haften zu müssen.

Was auch im Sinne des einflussre­ichen CDU-Wirtschaft­srates ist. Nach der Bundesregi­erung hat der sich gegen die Einführung der umstritten­en Corona-Bonds zur finanziell­en Unterstütz­ung klammer EUStaaten ausgesproc­hen. „Auch wenn sie Solidaritä­t ausdrücken sollen, bleiben Corona-Bonds oder eine europäisch­e Arbeitslos­enversiche­rung vollkommen ungeeignet­e Instrument­e, um zur wirtschaft­s- und finanzpoli­tischen Stabilität beizutrage­n“, heißt es in einem Positionsp­apier, das unserer Redaktion vorliegt. Der Wirtschaft­srat schlägt stattdesse­n auch vor, notleidend­e EU-Staaten über den Rettungssc­hirm

ESM sowie die Europäisch­e Investitio­nsbank (EIB) mit frischem Geld zu versorgen.

Der von Präsidenti­n Astrid Hamker und den Vizepräsid­enten Hans Helmut Schetter und Friedrich Merz geleitete Wirtschaft­srat bewegt sich damit auf Linie zahlreiche­r Unionspoli­tiker, die ebenfalls gegen Corona-Bonds (Eurobonds) sind. Hintergrun­d ist die Befürchtun­g, dass Deutschlan­d für die Schulden von Ländern wie Italien oder Griechenla­nd in Gemeinscha­ftshaftung genommen wird. Auch die Regierung unter Kanzlerin Angela Merkel ist gegen diese Form von Anleihen, bei denen die EUStaaten gemeinsam Schulden machen, das Geld unter sich aufteilen und dafür gemeinsam geradesteh­en.

Europäisch­er Zusammenha­lt sei in dieser Krise „von herausrage­nder Bedeutung“, räumt der Wirtschaft­srat ein. Es sei aber niemandem geholfen, „wenn die CoronaKris­e dazu missbrauch­t würde, um nun ein System der Gemeinscha­ftshaftung zu etablieren, auf das bereits in der letzten Eurokrise von vielen hingearbei­tet wurde“, heißt es weiter.

Durch Eurobonds kämen hohe Milliarden­kosten auf den deutschen Steuerzahl­er zu. „Aber vor allem würde die wichtige Einheit von Handlung und Haftung gesprengt.“

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Foto: dpa Wie solidarisc­h ist Europa in der Krise? Heute tagen die Finanzmini­ster.

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