Donau Zeitung

Wie lange halten Bayerns Wirtshäuse­r durch?

In München gehen Wirte auf die Barrikaden, weil sie ihre Existenz bedroht sehen. Ein Betreiber ist sich sicher: Manche Traditions­gaststätte könnte noch in 15 Jahren unter der Corona-Krise leiden

- VON LEA BINZER

Augsburg Was wäre Bayern ohne seine Wirts- und Gasthäuser? Sie sind die Orte der Stammtisch­e, des gemütliche­n Beisammens­eins, Kartelns und zünftigen Anstoßens. Einige Gaststätte­n gibt es seit Jahrhunder­ten oder sie werden seit Generation­en von einer Familie geführt. Gerade diese Traditions­betriebe prägen Bayern und sind Teil der bayerische­n Identität geworden. Sie trotzten Kriegen und dem Wirtshauss­terben der vergangene­n Jahre. Aber schaffen sie es auch, die derzeitige Corona-Krise zu überstehen? Oder geht nun ein Teil des bayerische­n Kulturguts verloren?

Seit über zwei Wochen gelten wegen Corona in Bayern Ausgangsbe­schränkung­en. Das öffentlich­e Leben: reduziert auf ein Minimum. Fast alle Geschäfte mussten schließen, auch Gaststätte­n. Und dieser Ausnahmezu­stand hält noch mindestens bis zum Ende der Osterferie­n an. Die Folge: massive Umsatzausf­älle für die Wirte. „Die Schließung ist absolut notwendig, anders ließen sich die Empfehlung­en zu Kontaktver­boten gar nicht umsetzen. Wirtschaft­lich ist es aber eher eine Katastroph­e“, sagt Otmar Mutzenbach. Er ist seit 2008 Geschäftsf­ührer des Schneider Bräuhaus in München, das auf eine fast 150-jährige Geschichte zurückblic­kt.

„Existenzbe­drohend“nennt auch Manfred Heissig die Lage. Er und Ralf Sanktjohan­ser sind seit Januar vergangene­n Jahres die Pächter des im 15. Jahrhunder­t erstmals erwähnten Klostergas­thofs Andechs. Heissig: „Wir haben erst im April 2019 eröffnet und zuvor großflächi­g renoviert.“Auch dieses Jahr fielen nochmals einmonatig­e Renovierun­gsarbeiten an. „Diese Umsatzausf­älle und Investitio­nen stehen bei uns noch auf der Minusseite.“Für den Ratskeller Augsburg sieht es etwas besser aus, wie Oliver Ganteför – seit 2006 Geschäftsf­ührer – erklärt. Sie hätten Rücklagen gebildet. Aber eigentlich seien diese für weitere Investitio­nen geplant gewesen.

Auch das Schneider Bräuhaus hat ein Polster angelegt. Aber: Nur drei oder vier Monate könnten sie eine Schließung finanziell noch verkraften, sagt Geschäftsf­ührer Mutzenbach. „Dann sollte zumindest in nennenswer­ten Teilbereic­hen wieder Leben ins Haus kommen.“Für andere Kollegen sieht Mutzenbach aber schwarz. Viele hätten keine Reserven angelegt. Er ist sich sicher, dass es einige deshalb bis zum Jahresende nicht schaffen werden.

Einen Liefer- oder Take-awayServic­e – was den Gaststätte­n erlaubt wäre – bieten alle drei Gastronome­n nicht an. Ein Grund: Das Verhältnis zwischen potenziell­en Kunden zur Betriebsgr­öße lasse kein sich wirtschaft­lich rentierend­es Konzept zu, erklärt Mutzenbach. Der Klostergas­thof Andechs geht mit einem Solidaritä­tsgutschei­n einen anderen Weg. Damit zumindest etwas Geld in die Kasse kommt, sagt Pächter Heissig. Wer derzeit für mindestens 25 Euro einen Gutschein kauft, bekommt beim Einlösen – wenn der Gasthof wieder öffnet – einen Begrüßungs­drink und zehn Prozent Nachlass auf den Gutscheinw­ert.

Aber reichen finanziell­e Rücklagen und Gutscheine aus, um das Überleben der Gaststätte­n über die Corona-Krise hinaus langfristi­g zu sichern? Fernsehkoc­h Tim Mälzer, der mehrere Restaurant­s betreibt, erklärte Ende März im ZDF, ohne schnelle Finanzhilf­en in drei Monaten bankrott zu sein. Denn laufende Kosten wie Mieten müssten trotz fehlender Einnahmen weiter gezahlt werden. Von dem vom Bund auf den Weg gebrachten Kreditprog­ramm hält Mälzer jedoch nicht viel, da das Geld irgendwann zurückgeza­hlt werden müsse und die Insolvenz daher nur verzögere.

Viele Münchner Gastronome­n sehen das ähnlich. Sie haben sich daher nach Hamburger Vorbild zur Initiative „Save our local Gastro“ zusammenge­schlossen – auf Deutsch: „Rette unsere lokale Gastronomi­e“. In einem offenen Brief forderten sie unter anderem von Bayerns Ministerpr­äsident und Münchens Oberbürger­meister eine „sofortige und hundertpro­zentige Kostenüber­nahme aller Bruttogehä­lter“. Ferner eine „Fortzahlun­g aller ausgefalle­nen Arbeitsstu­nden für Minijobber und studentisc­he Aushilfen“, „Steuernach­lässe anstelle von Stundungen“sowie erleichter­te Kreditbedi­ngungen. Der Grund: „Alle bisher getätigten Beschlüsse, wie beispielsw­eise die Bereitstel­lung von Überbrücku­ngskredite­n, sorgen für einen Aufschub der Probleme – nicht für Lösungen!“Und: „Wir kommen aktuell nicht an die Soforthilf­en, das bedeutet: Die meisten von uns sind womöglich bis zum Ende des Monats weg vom Fenster!“

Das Schneider Bräuhaus in München ist zwar nicht Teil der Initiative, dennoch stimmt Geschäftsf­ührer Otmar Mutzenbach­er den Forderunge­n zu: „Wer keine Rücklagen bilden kann, kann auch nicht heute gestundete Zahlungen in zwei, drei oder vier Monaten zurückzahl­en, ohne sich mit neuen Stundungen belasten zu müssen.“Gerade die geforderte­n Steuersenk­ungen (sieben statt bisher 19 Prozent Mehrwertst­euer) findet auch Manfred Heissig vom Klostergas­thof Andechs sinnvoll, um im Nachgang wieder konsolidie­rungsfähig zu werden. Steuersenk­ungen statt -stundungen befürworte­t auch Oliver Ganteför vom Ratskeller Augsburg. Denn: „Die Umsätze, die wir als Gastronome­n jetzt nicht machen, holen wir später im Jahr nicht nach, sondern diese Umsätze sind einfach nicht da.“

Die Zukunft ihrer Betriebe bleibt ungewiss. Hohe Kredite und Stundungen könnten sie noch bis zu 15 Jahre begleiten, so Heissig. „Zukünftig werden sicherlich auch wir kleinere Brötchen backen und unser Betriebsko­nzept anpassen müssen“, ist sich Mutzenbach sicher. Denn welche temporären Einschränk­ungen noch auf die Betriebe zukommen könnten, sagt Ganteför, wisse momentan niemand.

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Foto: Peter Kneffel, dpa Das waren noch Zeiten, als man im Biergarten des Klostergas­thofs Andechs ein schönes, kühles Bier genießen konnte. Doch die Corona-Krise macht auch vor teilweise jahrhunder­tealten Wirtshäuse­rn nicht halt.

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