Verordnete Einsamkeit
Die Ausgangsbeschränkungen treffen auch junge Singles hart, Studenten dürfen nicht mal mehr zu ihren Eltern
München/Augsburg/Kempten Mindestens bis zum Ende der Osterferien sollen die Kontaktbeschränkungen wegen der Viruskrise im Freistaat noch aufrecht erhalten bleiben. Wie sich inzwischen zeigt, ist die Infektionshäufigkeit dadurch bereits messbar gesenkt worden. Ein Lichtblick. Aber Experten warnen auch vor den psychischen Folgen, die die soziale Isolation mit sich bringen kann. Zumal eine Reihe von Menschen besonders betroffen zu sein scheint. Das jedenfalls teilen uns Leserinnen und Leser zum Beispiel auf Facebook mit.
„Ich bin Single und lebe allein in Augsburg-Pfersee“, schreibt eine Frau. „Seit zwei Wochen bin ich im Homeoffice. Das heißt, ich habe seit zwei Wochen niemanden mehr persönlich gesprochen. Ich finde es ja toll, dass die Ausgangsbeschränkung Ausnahmen vorsieht, dass man seinem Lebenspartner besuchen darf, auch wenn er in einer Wohngemeinschaft wohnt oder es sich um eine Fernbeziehung handelt. Aber hat denn niemand bei diesen Ausnahmen an die Alleinlebenden gedacht?“, fragt sich die Augsburgerin.
„Ich habe keine Liebesbeziehung, habe aber Eltern und einen Bruder mit Familie, ich habe zwei großartige Personen in meinem Leben, mit denen ich quasi eine platonische Beziehung führe.“Diese dürfe sie nicht sehen. Selbstverständlich verstehe sie die Beschränkungen. Man solle natürlich nicht seine Freunde und Bekannten etwa zu fünft daheim treffen. „Aber es wird genug Alleinlebende geben, die jetzt noch einsamer sind als vorher.“
Ähnlich ist die Situation bei einem 24-jährigen Studenten im Oberallgäu, der allein wohnt und derzeit keine Lebenspartnerin hat. Der Hochschulbetrieb in Kempten ruht. Seine Freunde darf er wegen der Beschränkungen nicht sehen.
Und seine Eltern, die im Ostallgäu wohnen, auch nicht, weil er dort nicht gemeldet ist. Obwohl sie – beide um die 50 – nicht zu den Risikogruppen gehören. Wäre der junge Mann minderjährig, dürfte er seine Eltern besuchen. Aber er ist sozusagen zu alt dafür. Ist diese Isolation aus Sicht der bayerischen Staatsregierung dennoch tragbar?
„Die Lage ist sehr ernst“, sagt Oliver Platzer, Sprecher des bayerischen Innenministeriums auf Anfrage unserer Redaktion. Darum bittet er um Verständnis, dass auch in den geschilderten Fällen die Kontaktsperre eingehalten werden muss. „Nachdem der Erreger bei Sozialkontakten als Tröpfcheninfektion übertragen wird, muss deren Zahl so weit wie möglich eingeschränkt werden. Das Zusammentreffen von Menschen muss reduziert werden“, so Platzer.
Es gelte weiter der Grundsatz: zur Arbeit, zum Arzt, zum Lebensmitteleinkauf oder zur Hilfe für andere. Alles andere müsse warten. „Jeder ist angehalten, die Kontakte zu anderen Menschen außerhalb der Angehörigen des eigenen Hausstandes auf ein absolutes Minimum zu reduzieren.“Daher sollte auch ein Besuch bei den Eltern sehr gut überlegt sein und ist nur angezeigt, wenn er unterstützungsbedingt ist – etwa, wenn Eltern Hilfe beim Einkauf brauchen oder beispielsweise der Hund ausgeführt werden muss. „Verzichten Sie aber bitte auf Kaffeekränzchen und nutzen Sie lieber das Telefon oder Skype, um in Kontakt zu bleiben“, sagt Platzer.