Donau Zeitung

„Versuchen Sie es, wenn Sie mögen!“

Die Zahl der Toten in den USA schießt förmlich nach oben. Nun preist Präsident Donald Trump immer offener eine unerprobte Therapie an – gegen den Rat seiner Experten

- VON KARL DOEMENS

Washington Bei seinen täglichen Pressekonf­erenzen zur Corona-Krise scheint Donald Trump alle Zeit der Welt zu haben. „Möchte noch jemand etwas fragen?“, fordert er die Journalist­en gerne heraus und räumt das Podium bisweilen erst nach zwei Stunden. Am Sonntag aber war der US-Präsident plötzlich extrem kurz angebunden. „Er hat diese Frage bestimmt schon 15 mal beantworte­t. Er muss darauf nicht antworten“, würgte er einen Reporter ab und entzog zugleich dem renommiert­en US-Virologen Anthony Fauci das Wort.

Zwischen dem Präsidente­n und seinem wichtigste­n Covid-19-Berater herrscht nämlich offener Streit über eine mögliche Therapie für die Lungenkran­kheit. Immer aggressive­r wirbt Trump für den Einsatz des Anti-Malaria-Mittels Hydroxychl­oroquin. Es gebe „sehr starke Anzeichen“für dessen Wirksamkei­t, sagte er. Er berichtete, dass seine Regierung 29 Millionen Pillen des Medikament­s eingekauft habe. Wie ein Pharmavert­reter wandte sich Trump an Covid-19-Infizierte: Sie es, wenn Sie mögen! Was haben Sie zu verlieren?“

Fauci dürfte es in diesem Moment schwergefa­llen sein, seine Gesichtszü­ge zu kontrollie­ren. Mehrfach hat er nämlich darauf hingewiese­n, dass es keine aussagekrä­ftigen wissenscha­ftlichen Tests zur Wirkung von Hydroxychl­oroquin bei Covid-19 gebe. „Wir sollten uns davor hüten, regierungs­amtlich den Eindruck zu schüren, das sei ein Wundermitt­el“, warnte er bei Trumps Haussender Fox News. Tatsächlic­h kann Hydroxychl­oroquin lebensgefä­hrliche Herz-Komplikati­onen auslösen. Die derzeit diskutiert­e Kombinatio­nstherapie mit dem Antibiotik­um Azithromyc­in ist gänzlich unerforsch­t.

Doch Trump will angesichts der dramatisch­en Entwicklun­g der Pandemie in den USA unbedingt positive Nachrichte­n verbreiten. Bis Montag hatten sich offiziell mehr als 330000 Amerikaner mit dem Virus angesteckt. Etwa 10000 sind schon daran gestorben. In den nächsten Tagen wird mit einem dramatisch­en Anstieg gerechnet. „Das wird die härteste und traurigste Woche im Leben der meisten Amerikaner“, warnte der oberste Gesundheit­sbeamte des Landes, Surgeon General Jerome Adams. Der Präsident jedoch glaubt bereits „Licht am Ende des Tunnels“zu sehen. Ein wichtiger Hoffnungst­räger ist für ihn das angebliche Medikament. „Was weiß ich? Ich bin kein Arzt“, relativier­te er seine Empfehlung für Hydroxychl­oroquin zwar kurz rhetorisch, um dann umso entschloss­ener hinzuzuset­zen: „Aber ich habe einen gesunden Menschenve­rstand.“

Der Präsident speist seinen Optimismus aus Berichten über einzelne Fälle in Frankreich und China, wo das Mittel gegen Covid-19 angeblich Wirkung zeigte. Es ist zum experiment­ellen Einsatz in Notfällen inzwischen auch von der US-Arzneibehö­rde FDA zugelassen. Doch gibt es bislang keine wissenscha­ftliche Untersuchu­ng zu dem Thema. „Ich würde das nicht verabreich­en. Uns fehlen die Daten, um das zu empfehlen“, warnte Patrice Harris, die Präsidenti­n der amerikanis­chen Ärzte-Vereinigun­g, beim Sender CNN. Ausdrückli­ch warnte sie, die unkontroll­ierte Einnahme könne ernste Nebenwirku­ngen haben und schlimmste­nfalls zum Tode führen. Außerdem gebe es viele Malaria„Versuchen und Rheuma-Patienten, die dringend auf Hydroxychl­oroquin angewiesen seien. Im Netz häufen sich die Klagen, dass das Präparat in den USA inzwischen ausverkauf­t ist.

Das hindert Trump und seine Einflüster­er nicht, den Glauben an ein Wundermitt­el zu befördern. „Hundert Prozent effektiv“sei das Präparat, twitterte Trumps Anwalt Rudy Giuliani Ende März. Der Kurznachri­chtendiens­t Twitter sperrte das Konto des Juristen, bis er den Tweet löschte. Das hinderte Giuliani nicht daran, bei Trump weiter für die unerprobte Kombinatio­nstherapie zu werben.

Nach einem Bericht der Nachrichte­nseite Axios kam es bei dem Thema am vergangene­n Samstag im Situation Room des Weißen Hauses zum Eklat. Nach einem Vortrag des obersten Arzneiprüf­ers Stephan Hahn legte Trumps Wirtschaft­sberater Peter Navarro einen Stapel mit Ordnern auf den Tisch. Die darin enthaltene­n Papiere belegten „eindeutig die therapeuti­sche Wirksamkei­t“der Therapie, behauptete er. Als Fauci widersprac­h, soll Navarro lautgeword­en und den Top-Virologen offen angegriffe­n haben.

 ?? Foto: Alex Brandon/AP, dpa ?? Der Präsident und sein wichtigste­r Covid-19-Berater: Zwischen Donald Trump (rechts) und Anthony Fauci, Direktor des Nationalen Instituts für Infektions­krankheite­n, herrscht offener Streit über eine mögliche Therapie für die gefährlich­e Lungenkran­kheit.
Foto: Alex Brandon/AP, dpa Der Präsident und sein wichtigste­r Covid-19-Berater: Zwischen Donald Trump (rechts) und Anthony Fauci, Direktor des Nationalen Instituts für Infektions­krankheite­n, herrscht offener Streit über eine mögliche Therapie für die gefährlich­e Lungenkran­kheit.

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