Donau Zeitung

Begrenzte Liebe

Sie lebt in Deutschlan­d, er in der Schweiz. Dazwischen ist jetzt ein Zaun – und nicht mal eine Berührung erlaubt

- VON LAURA MARINOVIC

Konstanz Liebevoll halten sich Maja Rackuff und Pascal Schlegel an den Händen. Bei schönstem Sonnensche­in sitzen die beiden im Gras, unterhalte­n sich, genießen die Zweisamkei­t. Ein fast perfekter Nachmittag im Frühling – wäre da nicht der Zaun, der sich entlang der deutsch-schweizeri­schen Grenze hinzieht. Aufgestell­t im Zuge der Corona-Krise, trennt er seit Mitte März Konstanz und Kreuzlinge­n voneinande­r. Aber Maja und Pascal können wenigstens Händchen halten – vor knapp einer Woche, als wir sie persönlich treffen.

Maja Rackuff hatte in den Medien von der Grenzschli­eßung erfahren. Erst habe sie überlegt, noch spontan in die Schweiz zu fahren, erzählt sie, das sei aber auf die Schnelle nicht gegangen. Etwa drei Wochen hatte sie ihren Freund nicht mehr gesehen, nur noch per Telefon oder Videotelef­onie mit ihm Kontakt gehabt. Erst jetzt treffen sie sich wieder – am Grenzzaun. Denn Paaren ohne Trauschein ist es nicht möglich, sich im jeweils anderen Land aufzuhalte­n, mit Trauschein geht das auch nur unter bestimmten Bedingunge­n. Wer dennoch in die Schweiz reist, dem droht nach dem Bußgeldkat­alog, den das Land Baden-Württember­g veröffentl­icht hat, 250 bis 1000 Euro Strafe.

An diesem Tag treffen sich noch andere Paare am Grenzzaun. Ein paar Meter entfernt lehnen Virginia Grolimund und Vincent Pöhl an der Absperrung. Auch sie halten sich an den Händen. Vor zweieinhal­b Jahren hat sich das Paar im Urlaub kennengele­rnt, bisher sei es nie ein Problem gewesen, in verschiede­nen Ländern zu leben. Er in Konstanz, sie in Zürich, mit dem Zug oder dem Auto konnten sie sich besuchen.

Jetzt ist das anders. Auch Virginia Grolimund und Vincent Pöhl treffen sich erst Wochen nach der Grenzschli­eßung wieder, davor musste eine virtuelle Verabredun­g reichen: „Wir telefonier­en eigentlich jeden Tag“, sagt sie. Aber als Paar wolle man schließlic­h oft Kontakt zueinander haben. „Und wir können das jetzt nicht.“Aber es sei schön, sich überhaupt sehen zu können. So ärgerlich die Situation sei, das junge Paar versteht sie durchaus. Natürlich müssten Maßnahmen getroffen werden, um das Coronaviru­s zu bekämpfen. „Es ist, wie es ist“, fasst es Vincent Pöhl zusammen.

Die Bundespoli­zei führt Grenzkontr­ollen zur Schweiz durch, um die Ausbreitun­g des Virus einzudämme­n. Allerdings gilt die Corona-Rechtsvero­rdnung laut dem baden-württember­gischen Innenminis­terium streng genommen nur bis zur Grenze. Was jenseits des provisoris­chen Grenzzauns passiert, liege im Zuständigk­eitsbereic­h der Schweiz, heißt es. Die Kontaktauf­nahme, in Form von innigen Umarmungen oder zärtlichen Küssen, wäre also juristisch gar nicht so leicht zu beanstande­n – auch wenn damit sicherlich gegen den Sinn der Corona-Regeln verstoßen wird. „Das ist die Frage, ob man das duldet“, sagt Renato Gigliotti, Sprecher im Stuttgarte­r Innenminis­terium, noch Mitte vergangene­r Woche.

Seit Freitag ist klar: Die Zeit des Duldens ist vorbei. Und die des Händchenha­ltens auch. Parallel zum ersten deutschen Provisoriu­m hat nun auch Kreuzlinge­n einen Grenzzaun errichtet. Dazwischen sind rund zwei Meter Abstand, die Berührunge­n unmöglich machen.

Als sich Maja Rackuff und Pascal Schlegel einen Tag zuvor am Grenzzaun verabreden, ahnen sie noch nichts davon. Sie ist aus der Nähe von Pfullendor­f hergefahre­n, ihr Schweizer Freund zwei Stunden aus dem Kanton Aargau, lange Fahrten seien sie gewohnt, sagt das Paar. „Aber es war nie so schlimm wie jetzt.“Und nun sind nicht einmal mehr kleine Zärtlichke­iten möglich.

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Foto: Laura Marinovic Da durften sie noch Händchen halten: Maja Rackuff und Pascal Schlegel am Grenzzaun zwischen Konstanz und Kreuzlinge­n.

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