Donau Zeitung

Über einen Dauergast an dieser Stelle

- VON ANDREAS KORNES ako@augsburger-allgemeine.de

Es gibt Menschen, die einem wie gute Bekannte vorkommen, obwohl man sie nicht persönlich kennt. Als Winnetou in den Armen von Old Shatterhan­d starb, weinte die Nation. Das war 1965. Längst ist Pierre Brice seinem Alter Ego in die ewigen Jagdgründe gefolgt. Diesbezügl­ich sind alle Tränen geweint. Es bedurfte neuer Helden.

Seit jener tragischen Szene, die das Bild vom edlen Wilden in die Köpfe einer ganzen Generation zementiert­e, ist viel geschehen auf dieser Welt. Winnetou fristet ein fast vergessene­s Dasein auf verstaubte­n Videokasse­tten. Aus Helden wurden Superhelde­n, tragische Helden, Anti-Helden. Vorbei die Zeiten reinen Heldentums. Der Held von heute muss gebrochen sein, facettenre­ich, reflektier­t. Wer blickt da noch durch?

Nur einer spielt nicht mit: Noriaki Kasai. Der Winnetou des Sports. Edel und heldenhaft. Klug und unbeugsam. Ein Held über Generation­en hinweg.

Der nimmermüde Japaner war uns im Laufe der Jahre schon vier Randbemerk­ungen wert. Jedes Mal drehte sich alles darum, wie erstaunlic­h es doch ist, dass dieser kleine Mann mit dem schiefen Lächeln einfach nicht aufhört skizusprin­gen. 47 Jahre ist er inzwischen alt und ließ nun in einem seiner seltenen Interviews wissen, dass er fest mit einer Teilnahme an den Olympische­n Winterspie­len 2022 in Peking plane. „Wenn man ein Ziel hat, ist keine Zeit verschwend­et. Ich werde weiterkämp­fen“, ließ er sich zitieren. Zwei Sätze, wie sie Winnetou nicht besser hätte sagen können.

Also haben wir uns entschiede­n, Kasai eine fünfte Randbemerk­ung zu spendieren. In unbeständi­gen Zeiten lechzt der Mensch nach Beständigk­eit. Und sei es nur die Absichtser­klärung eines Mannes, dessen besten Jahre als Skispringe­r längst vorbei sind. Im vergangene­n Winter flog er aus dem japanische­n Team und verpasste zum ersten mal in diesem Jahrtausen­d die Vierschanz­entournee.

Letzteres war ebenfalls Anlass für eine Randbemerk­ung. Sie handelte damals vom Scheitern, von Vergänglic­hkeit. Sinngemäß um einen Mann, der nicht loslassen kann. Da dem Sportredak­teur Opportunis­mus aber nicht fremd ist, geht es jetzt an gleicher Stelle um Kontinuitä­t. Und irgendwie um Winnetou. Warum auch immer.

Warten wir ab, wie sich Kasais Karriere entwickelt. Ob sie würdevoll zu Ende geht, mit einem Sprung in Peking. Oder ob er niedergest­reckt wird von einem fiesen Schurken (Trainer), der ihn nicht mehr nominiert. So oder so: Es wird eine sechste Randbemerk­ung über Kasai geben. Versproche­n.

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Foto: dpa Unverwüstl­ich: Noriaki Kasai setzt sich mit 47 ein neues Ziel.
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