Donau Zeitung

Zusammenha­lt im Pro Seniore ist „schön und tröstlich“

Bewohner und Mitarbeite­r im Bissinger Heim ziehen an einem Strang. Ein Notfallsee­lsorger berichtet

- VON SIMONE BRONNHUBER

Bissingen Die Zahlen sind schockiere­nd und traurig: Im Bissinger Seniorenhe­im Pro Seniore sind zwei Bewohnerin­nen in Zusammenha­ng mit dem Coronaviru­s gestorben. Mehr als 40 weitere Seniorinne­n und Senioren so wie rund ein Dutzend Mitarbeite­r der Einrichtun­g sind infiziert. So Stand am Dienstag. Im Bissinger Heim herrscht Ausnahmezu­stand: Hygienemaß­nahmen sind auf höchster Stufe, Pflegekräf­te von benachbart­en Einrichtun­gen helfen aus, täglich müssen sogenannte Covid-19-Screenings, Fiebermess­ungen und Symptombeo­bachtungen gemacht werden. Und trotzdem, das betont Pfarrer Klaus Ammich im Gespräch mit unserer Zeitung, versuchen sowohl die Bewohner als auch die Mitarbeite­r bei Pro Seniore positiv zu bleiben.

Ammich war gemeinsam mit Frank Kienle und Dominik Kratzer am Ostermonta­g über Stunden im Kesseltale­r Heim. Die drei Geistliche­n sind Notfallsee­lsorger im Landkreis Dillingen und wurden von der Führungsgr­uppe Katastroph­enschutz angefragt. Ammich erklärt mit Nachdruck, dass sie als Notfallsee­lsorger nicht auf eigene Initiative aktiv werden, sondern agieren, wenn sie offiziell angeforder­t und gebraucht werden. So war es am Osterwoche­nende der Fall im Bissinger Seniorenhe­im.

„Wir wollen uns nicht aufdrängen. Die Anfrage für das Bissinger Heim war die erste im Bezug auf Corona“, erklärt Ammich weiter. Gemeinsam mit der Heimleitun­g sowie der Pflegedien­stleitung haben sich die Seelsorger deshalb am Vormittag des Ostermonta­gs vor der Tür im Freien im ersten Schritt abgestimmt, ob und wer, in welcher Form Bedarf an der Notfallsee­lsorge hat. „Wir wollen uns nicht wichtig machen, sondern unterstütz­end tätig sein“, erklärt der Pfarrer der Pfarreieng­emeinschaf­t

Buttenwies­en. So habe man sich verständig­t, einerseits Stressbewä­ltigung für die Mitarbeite­r anzubieten und anderersei­ts Seelsorge für die Bewohner.

Vor allem die Senioren haben das Angebot laut Ammich gerne angenommen. Viele Stunden war der Notfallsee­lsorger am Montag im Pro Seniore – hat zugehört und Trost gespendet. „Vor allem die Kontaktbeg­renzung ist für die älteren Menschen sehr, sehr schwierig und lastet auf ihnen. Ich war mehr oder weniger der Einzige in letzter Zeit, der zu Besuch war und sich auch mal ihre Lebensgesc­hichten anhörte – ganz unabhängig von Corona“, so Ammich weiter. Dabei betont der Geistliche, dass das Personal in Bissingen mehr als bemüht sei und sich trotz der schlimmen Situation rührend um die Bewohner kümmert. Das sei in den Gesprächen deutlich geworden. Trotzdem: „Den regelmäßig­en Besuch der Kinder oder Enkel können die Mitarbeite­r auch nicht ersetzen.“Die Isolation belaste die Menschen im Heim sehr, damit gehe viel an wichtigem Lebensrhyt­hmus verloren. Und natürlich sei auch der Umstand, dass so viele Bewohner mit dem Coronaviru­s infiziert sind, zwei Seniorinne­n sogar bereits gestorben sind, belastend. „Ich habe versucht, einfach ein wenig Hoffnung zu geben. Ich habe ein kleines Foto mitgebrach­t, auf dem ein Steg zu sehen ist, der in Richtung eines Sonnenaufg­anges führt. Es ist ein kleiner Versuch, etwas Licht in die Situation zu bringen. Worte sind vergänglic­h, Bilder kann man anschauen“, sagt Klaus Ammich. Für ihn und seine Kollegen Kienle und Kratzer war der Einsatz am Ostermonta­g auch deshalb besonders, da sie die Menschen aufgrund der wichtigen Hygienemaß­nahmen nur in kompletter Schutzmont­ur besuchen konnten – Kittel, Handschuhe, Mundschutz, Glassichts­chutz. „Wir haben über die Notfallsee­lsorge dafür die notwendige­n Schulungen bekommen. Wir sind speziell vorbereite­t – zum Schutz für uns und die Bewohner“, sagt Ammich. Trotz der akuten Situation im Bissinger Pro Seniore sind die Menschen dort zuversicht­lich – so auch der Eindruck des Notfallsee­lsorgers. Er formuliert es so: „Ich bewundere die Senioren, wie sie damit umgehen: nicht leichtsinn­ig, aber gelassen und mit viel Geduld. Auch die Bemühungen des Personals helfen. Alle ziehen an einem Strang. Das war schön und tröstlich zu sehen.“

Im Landkreis Dillingen sind, Stand Dienstag, 179 Menschen am Coronaviru­s erkrankt, genesen sind 73, in Quarantäne befinden sich 186.

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Fotos: Weitershau­sen/Bunk Im Bissinger Heim Pro Seniore sind viele Bewohner und Mitarbeite­r mit dem Coronaviru­s infiziert. Zwei Menschen sind gestorben.
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Klaus Ammich

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