Der vermeintliche Heilsbringer
Schnelltests für den Nachweis auf Antikörper von SARS-CoV-2 gelten als große Hoffnung zur Beendigung der Ausnahmesituation. Doch das Dillinger Gesundheitsamt und ein Hausarzt halten sich noch zurück
Dillingen Die Gesundheitsämter in Deutschland wissen recht genau, wer positiv auf die Covid-19-Erkrankung getestet wurde, wer deshalb im Krankenhaus behandelt wird oder wer aufgrund des Coronavirus gestorben ist. So auch das Gesundheitsamt Dillingen. Im Landkreis verzeichnet das Amt 188 Erkrankte und 187 Menschen, die sich in Quarantäne befinden. Genesen sind zu diesem Zeitpunkt 74 Personen (Stand 15. April).
Was man im Gesundheitsamt in Dillingen nicht weiß und nicht wissen kann: Wie viele Bürger im
Landkreis derzeit unbemerkt mit einer Covid-19-Erkrankung unterwegs sind und andere anstecken. Was für eine normale Grippe gehalten wird, könnte sich tatsächlich als Infizierung mit dem neuartigen Virus entpuppen. Virusträger, die keine Symptome aufweisen, sind zudem bekannt. Die Hoffnung, mit flächendeckenden Schnelltests diese Unwissenheit zu beseitigen und zur Normalität zurückkehren zu können, macht nun die Runde. Labore bieten sogenannte Antikörpertests bereits für rund 20 Euro an. Der Schnelltest soll in kürzester Zeit aufzeigen, wer das Coronavirus schon hatte und möglicherweise immun ist. Dafür wird Blut aus der Fingerspitze auf einen Teststreifen gegeben. Das Schnellverfahren prüft, ob der Getestete sogenannte IgM- oder IgG-Antikörper gebildet hat, welche sich bei einer Infektion mit dem Coronavirus im Blut der Betroffenen befinden. Ein positiver IgMWert soll laut den Herstellern auf eine Infektion in der Frühphase – „vier bis zehn Tage“– hindeuten. Ein positiver IgG-Wert dagegen auf eine spätere Phase der Erkrankung und kann für eine eventuelle Immunität von Bedeutung sein. Während der derzeitig gängige Virusnachweis mithilfe eines Abstrichs der Rachenschleimhaut nur einen direkten Virusnachweis erkennen lässt, könnte der Bluttest nachweisen, ob der Mensch in der Vergangenheit Kontakt mit dem Virus hatte und Antikörper gebildet hat.
Doch die Antikörperproduktion ist im menschlichen Körper erst nach sieben bis 14 Tagen nachweisbar. Daher ist der Schnelltest laut Gesundheitsamt Dillingen nicht für die Akutdiagnostik geeignet. „Wir führen deshalb keine Antikörpertests durch“, sagt Dillingens Amtsärztin Uta-Maria Kastner. Die aufwendige genetische Bestimmung des Virus mittels der PCR-Methode beim Rachenabstrich ist demnach die derzeit einzig zur Verfügung stehende Methode, den Erreger sicher nachzuweisen. Das Bayerische Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit ist in der Etablierungsphase von Antikörpertests und empfiehlt keine Schnelltests, heißt es aus dem Gesundheitsamt. Über die Seriosität von Anbietern des Schnelltests kann das Amt keine Aussagen tätigen. An sich seien Antikörpertests zur Bestimmung des Immunisierungsgrads in der Bevölkerung sinnvoll, sagt Kastner. Damit sind jedoch wissenschaftlich geprüfte Antikörpertestverfahren gemeint, wie das vom Robert-KochInstitut hierfür beauftragte Labor der Charité Berlin. Dort werden im Rahmen von Studien die Antikörpertests durchgeführt.
Hausarzt Wolfgang Fink hat seine Praxis in Wittislingen. Für den Facharzt für Allgemeinmedizin wäre ein schneller und umfassender Schnelltest in seiner Praxis „ein Traum“. Er weiß von den angebotenen Antikörpertests. Doch für ihn sind diese noch nicht ausgereift genug und zu ungenau. Daher kommen sie in seiner Praxis vorerst nicht zum Einsatz. „Der Test sagt nichts darüber aus, ob der Mensch erkranken wird, sondern nur, ob er es verbreiten könnte“, sagt Hausarzt Fink.
Er betont, dass die Wissenschaft noch nicht wisse, wie lange die Immunität nach einer Genesung andauere, ob sie „lebenslang oder nur eine Influenzasaison anhält“. Außerdem weise der Antikörpertest noch unsaubere Ergebnisse vor allem bei der Spezifität auf, das heißt bei der Fähigkeit, Infizierte tatsächlich als infiziert zu erkennen.
Fink wartet auf seriöse Schnelltestverfahren. Und warnt vor den möglichen Gefahren eines unzuverlässigen Tests. „Wenn jemand fälschlicherweise negativ getestet wurde und zurück in die Gesellschaft geht, könnte das gefährlich sein.“
Wie viele sind unbemerkt infiziert?