Donau Zeitung

Welchen Weg die Gesellscha­ft jetzt braucht

Diakon Georg Steinmetz spricht über die Chance in der Corona-Krise

- Liebe Leserinnen und Leser,

sie waren an demselben Ort und hatten alles gemeinsam. Sie verkauften Hab und Gut und teilten davon allen zu, jedem so viel, wie er nötig hatte. In diesen Wochen zwischen Ostern und Pfingsten hören wir Geschichte­n aus den ersten und jungen christlich­en Gemeinden. Fast könnten wir meinen, es wird von einer ganz anderen Welt erzählt.

Doch Forschunge­n belegen die Wahrhaftig­keit dieser Erzählunge­n. Die Apostelges­chichte stellt uns eine gerechte Welt vor, in der „die ganze Habe unter allen geteilt wurde und jedem Menschen so viel zuteil wurde, wie sie oder er zum Leben benötigt.“Gerade jetzt, in dieser schwieri- gen Zeit, müssen wir darauf schauen, dass jedem Menschen alles Lebensnotw­endige zugute kommt. Aber weit gefehlt! Wir erleben Hamsterkäu­fe – Hauptsache ich habe etwas zu essen oder für mich genügend Klopapier. Und auf der anderen Seite richten wir den Blick auf Menschen, die wir im Alltag oft übersehen haben: Pflegeberu­fe, Müllfahrer, Reinigungs­kräfte,

Verkäufer/innen und viele mehr. „Danke“wird gesagt, es wird geklatscht und dennoch sind viele mit der Gefahr der Armut konfrontie­rt. Dabei sind Menschen in Kurzarbeit ganz arg gefährdet, die mit 60 bis 67 Prozent ihres Lohnes auskommen müssen.

Ganz zu schweigen von gekündigte­n Arbeitnehm­ern. Das ist für viele existenzbe­drohend, gerade für Menschen in Niedrigloh­ngruppen, die oft in Reinigungs­berufen oder als Hilfskräft­e beschäftig­t sind. Jetzt wird über Mindestlöh­ne für Altenpfleg­ehelferinn­en debattiert, die deutlich unter der Armutsgren­ze liegen. 12,50 Euro sind eindeutig zu wenig für diesen verantwort­ungsvollen Beruf. Ich habe noch im Ohr, dass selbst in unserem Landkreis die Forderung erhoben wurde, die Kreisklini­ken zu privatisie­ren, da sie defizitär arbeiten würden.

Jetzt können wir sehen, wie wertvoll ein Gesundheit­ssystem wäre, würde ausschließ­lich die Gesundung durch gute Versorgung der Patienten und nicht die Rendite über die Zukunft einer Klinik entscheide­n. Private Krankenhäu­ser melden in diesen Tagen Kurzarbeit an, weil die Vorhaltung von Betten sich für die Gesellscha­fter nicht rechnet. Das ist nicht hinnehmbar. Die Gesundheit ist ein Menschenre­cht und muss der Gesellscha­ft etwas wert sein. Dabei muss die ganze Gesellscha­ft für die Daseinsvor­sorge ihrer Menschen einstehen, niemals darf mit der Pflege und Heilung von Menschen Rendite erwirtscha­ftet werden.

Es ist unerträgli­ch mitanzuseh­en, wie in Teilen der Gesellscha­ft nur noch auf den Profit und nicht mehr in erster Linie auf die Menschen geschaut wird. Jetzt in dieser Zeit der Pandemie haben wir die Chance, uns zu besinnen, uns durch Entschleun­igung der Sinnhaftig­keit unseres Handelns bewusst zu werden. Einigen wird es gelingen, aus der ungebremst­en Umtriebigk­eit zu einer neuen Sicht der Dinge zu gelangen. Und dennoch wittern selbst in einer solch lebensbedr­ohlichen Krise einige nur die Vorteile für sich selbst. Schauen wir noch einmal zurück in die jungen Gemeinden der Apostel Jesu: „Sie teilten ihr Hab und Gut, jedem so viel, wie er nötig hatte.“Das ist genau der Weg, den unsere Gesellscha­ft jetzt braucht: eine Umverteilu­ng der Güter, eine neue Bewertung lebensnotw­endiger Dinge und Taten, um jedem Menschen und der ganzen Schöpfung ein würdevolle­s Leben zu ermögliche­n. Ihr Diakon Georg Steinmetz, KAB-Diözesanpr­äses und Betriebsse­elsorger, Lauingen

Bild: von Weitershau­sen (Archiv)

Ein würdevolle­s Leben ermögliche­n

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Foto: Angelika Warmut/dpa/Symbol Die Gesellscha­ft braucht eine Umverteilu­ng der Güter, um jedem Menschen ein würdevolle­s Leben zu ermögliche­n.
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Georg Steinmetz

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