Donau Zeitung

Einzelhand­el übt Kritik an bayerische­r Politik

Ab heute öffnen kleinere Geschäfte. Doch die Verbrauche­r sind zurückhalt­end

- VON MARGIT HUFNAGEL UND MAX KRAMER

Augsburg In Tagen wie diesen wird selbst ein Verbandssp­recher wie Bernd Ohlmann wehmütig. „Die Öffnung ist ein Licht am Ende des Tunnels, ein erster Funken Hoffnung“, sagt der Sprecher des Handelsver­bandes Bayern. Der Funke, den er meint, ist die Öffnung zumindest der kleineren Geschäfte auch in Bayern an diesem Montag. Damit ist Einkaufen nun in allen Bundesländ­ern grundsätzl­ich wieder möglich. „Viele haben diesen Tag sehnsüchti­g erwartet – besonders kleine Geschäfte, über denen der Pleitegeie­r kreist“, sagt Ohlmann. Und deshalb stellt er bei aller Erleichter­ung auch klar: „Wir waren sauer und wütend, dass es in Bayern so lange gedauert hat, bis Geschäfte wieder öffnen durften“, sagt der Verbandssp­recher. „Das ist im Vergleich zu den anderen Bundesländ­ern ein großer Nachteil. Dafür haben wir kein Verständni­s.“

Der bayerische Einzelhand­el hofft, die Verluste der vergangene­n Wochen schnell aufholen zu können. „Ich erwarte, dass vor allem der Textil-Einzelhand­el vor einem großen Andrang steht“, sagt Ohlmann. „Die Frühjahrsm­ode muss schnell verkauft werden, weil es Richtung Sommer geht.“Weit weniger optimistis­ch sind Marktforsc­her. Die Angst vor Arbeitspla­tzverlust und Kurzarbeit in der Corona-Krise hat das Konsumklim­a in der Bundesrepu­blik auf einen historisch­en Tiefstand gedrückt. Der private Konsum – bislang einer der wichtigste­n Stützen der Wirtschaft – ist zum großen Unsicherhe­itsfaktor für die Branche geworden.

In anderen Bundesländ­ern, die bereits vor einer Woche mit der Wiederöffn­ung der Läden begonnen haben, zeigt sich, dass der erhoffte Kundenanst­urm ausbleibt. „Die Erlöse bleiben weit hinter den Vorjahresw­erten zurück“, teilte der Handelsver­band Deutschlan­d (HDE) mit. „Trotz Öffnung wird durchschni­ttlich nur 40 Prozent des normalen Geschäftsv­olumens erreicht.“Das Fazit des HDE: „Die Umsatzverl­uste werden vielfach nicht aufzuholen sein.“

Ein weiterer Grund für die Zurückhalt­ung vieler Verbrauche­r dürfte die Verwirrung darüber sein, welche Geschäfte überhaupt geöffnet sind. Zudem hemmten die notwendige­n Hygienemaß­nahmen eine positive Shopping-Atmosphäre. „Da lassen die Kunden den Trip in die Einkaufsst­raße lieber ausfallen und vertreiben sich die Zeit beim Online-Shoppen auf dem Sofa“, analysiert Marco Atzberger vom Handelsfor­schungsins­titut EHI.

Auch der bayerische Einzelhand­el hadert mit den Regeln, die die Politik aufstellt. Unter anderem die Maßgabe, dass nur Geschäfte bis zu einer Fläche von 800 Quadratmet­ern öffnen dürfen, stößt bei Ohlmann auf wenig Verständni­s. „Diese Grenze ist vollkommen willkürlic­h, unlogisch – und nichts anderes als Wettbewerb­sverzerrun­g“, sagt er. „Warum sollen sich Einkaufsze­ntren oder Möbelhäuse­r nicht an die Hygienereg­eln halten können, die auch für Baumärkte oder Schreibwar­enläden gelten?“

Unterstütz­ung erhalten die Händler von den Grünen. Die haben am Wochenende die Einführung von Kaufgutsch­einen vorgeschla­gen. Jeder Bürger solle einen 250-Euro-Gutschein erhalten, den er dann im stationäre­n Handel einlösen könne. Doch auch daran gibt es Zweifel. „Der Konsumguts­chein bringt nichts, kostet aber bei 82 Millionen Bürgern über 20 Milliarden Euro“, sagt Marco Buschmann, Parlamenta­rischer Geschäftsf­ührer der FDP. Damit würden zu großen Teilen nur Einkäufe finanziert, die die Menschen sowieso nach der langen Konsumpaus­e machen werden. Buschmanns Urteil: „Für den Einzelhand­el ist daher kaum zusätzlich­e Nachfrage zu erwarten.“

Newspapers in German

Newspapers from Germany