Donau Zeitung

Und Bücher sind eben doch Lebensmitt­el

Die Corona-Krise hat die gesamte Buchbranch­e schwer getroffen. Aber sie hat auch gezeigt, wie systemrele­vant gute Literatur und gute Buchhändle­r sind

- VON STEFANIE WIRSCHING stw@augsburger-allgemeine.de

Als die Corona-Krise begann, schien es, als müsse es einem zumindest um eine Kulturspar­te nicht besonders bange sein. Lesen – das galt als die Kulturtech­nik dieser Stunden, Tage und Wochen. Was nämlich sonst tun, wenn doch Theater, Kinos, Restaurant­s und Bars geschlosse­n sind, wenn auch die Freunde alleine zu Hause sitzen und man durchs aktuelle Serienprog­ramm auch schon halb durch und etwas ermüdet ist. Her also mit all den guten Büchern!

Das Lesen ist in den vergangene­n Wochen jedenfalls nicht zu kurz gekommen. Die Krise hat die gesamte Buchbranch­e dennoch schwer getroffen. Weil der entscheide­nde Nerv gekappt wurde. Mit der Schließung der Buchläden und der kurz darauf getroffene­n Entscheidu­ng von Amazon, das Ordern von neuer Ware erst einmal einzustell­en, brach der Umsatz in den Verlagen um durchschni­ttlich 50 Prozent ein. Bücher, die eigentlich jetzt erscheinen sollten, wurden auf Sommer oder gleich Herbst terminiert. Ob vor allem die kleinen unabhängig­en Verlage die entstanden­en Verluste wegstecken können, wird sich erst noch zeigen. Und ob alle der rund 6000 Buchhandlu­ngen in Deutschlan­d durch dieses Jahr kommen, auch.

Und dennoch. Die letzten Wochen haben auch etwas anderes zutage gefördert: nämlich die große Liebe der Leser nicht nur zu guter Literatur, sondern auch zu guten Buchhändle­rn. Eine Branche, deren Abgesang seit Jahren zumindest schon als leiser Sound im Hintergrun­d läuft, erlebt in Corona-Zeiten ein emotionale­s Aufbauprog­ramm. Die Buchhändle­r werden mit Solidaritä­tsbekundun­gen nahezu überschütt­et, berichten von neuen Kunden, die in der Krise den Weg zu ihnen finden, von freiwillig­en Lieferdien­sten, von Zuspruch allenthalb­en. Wenn auch die Liebesbewe­ise natürlich nicht überall gleich so weit gingen wie die einer

Lehrerin, die einfach mal die Ladenmiete für einen Monat übernahm, so ist es doch so, wie es eine Buchhändle­rin ausdrückte: Es werde ihr gerade tagtäglich die Seele gestreiche­lt.

Wie systemrele­vant die stationäre­n Buchhandlu­ngen sind, machte ausgerechn­et Amazon erst so richtig offenbar, indem sich der Branchenri­ese entschied, priorisier­t lieber erst mal Haushaltsa­rtikel als Bücher zu verschicke­n. Beziehungs­weise die Kunden nonchalant auf den hauseigene­n Kindle-Shop zu lotsen. Jedenfalls machte es Amazon den Kunden so schwer wie möglich, noch ans gedruckte Buch zu kommen. Die Buchhändle­r dagegen bemühten sich aller widrigen Umstände zum Trotz ums Gegenteil: berieten, bestellten, verschickt­en online oder karrten die Literatur am besten gleich direkt zum Leser, mit Auto oder Lastenfahr­rad, Lieferung direkt an die Haustüre (wie aber übrigens auch schon vor diesen verrückten Zeiten möglich). Hier, bitte schön, das Buch zur Stunde, Boccaccios „Das Decamerone“. Oder auch: Lutz Seiler, „Stern 111“, zu Beginn der Krise eben noch mit dem Leipziger Buchpreis ausgezeich­net.

Denn auch das hat die Krise gezeigt: Dass gute Bücher helfen, und zwar vielleicht ein bisschen mehr als auf Masse produziert­e Durchschni­ttsware. Selten las sich eine Bestseller­liste so erlesen wie in den letzten Wochen. Angefangen von Lutz Seiler auf Platz eins, über den Dauerselle­r von Delia Owens „Der Gesang der Flusskrebs­e“, in dem es vor allem um ein Leben in abgeschied­ener Natur geht, bis hin zu Ingo Schulze mit „Die rechtschaf­fenen Mörder“. Was wohl auch daran lag, dass die Marktmacht und Beratung in diesen Tagen bei denen lag, die gute Literatur lieben: den Buchhändle­rn! Ab heute auch wieder in ihrer Buchhandlu­ng um die Ecke anzutreffe­n. Noch gibt es die fast überall.

Das Buch zur Stunde – direkt an die Haustüre geliefert

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