Donau Zeitung

Düstere Aussichten

Der CDU-Wirtschaft­spolitiker Carsten Linnemann fordert einen illusionsl­osen Blick auf die verheerend­en Folgen der Coronaviru­s-Krise für Arbeitsplä­tze und Unternehme­n

- VON STEFAN LANGE

Berlin Die Bund-Länder-Beziehunge­n stehen vor einer Belastungs­probe. Kanzlerin Angela Merkel wird mit den Ministerpr­äsidenten am Donnerstag erneut über den Stand der Corona-Epidemie sprechen. Während einige Länderfürs­ten auf Lockerunge­n dringen, sieht Merkel solche Wünsche skeptisch. In ihrer Regierungs­erklärung mahnte sie, das Vorgehen einiger Bundesländ­er sei zu forsch. Der Druck auf die Kanzlerin allerdings wächst, auch der Wirtschaft­sflügel von CDU und CSU wünscht eine Aufweichun­g der strikten Corona-Regeln.

Während die ehemalige CDUVorsitz­ende argumentie­rt, der Gesundheit­sschutz müsse Priorität haben, sieht Unionsfrak­tionsvize Carsten Linnemann das anders. „Wirtschaft und Gesundheit sind keine Gegensätze, sondern zwei Seiten einer Medaille“, sagte der Chef der Mittelstan­ds- und Wirtschaft­sunion MIT unserer Redaktion. „Das heißt, wir müssen die Wirtschaft jetzt langsam wieder hochfahren und gleichzeit­ig darauf achten, dass die Kapazitäte­n in den Krankenhäu­sern nicht überforder­t werden. Wenn man schrittwei­se und kontrollie­rt vorgeht, kann das auch funktionie­ren.“Für den Vorsitzend­en des nach eigenen Angaben mit rund 25000 Mitglieder­n größten parteipoli­tischen Wirtschaft­sverbandes in Deutschlan­d muss es nun darum gehen, Vertrauen aufzubauen. Die Kunden würden erst dann wieder ins Restaurant oder ins Kino gehen, „wenn sie Vertrauen haben in unsere gesundheit­spolitisch­en Maßnahmen“, erklärt Linnemann und kritisiert einen Teil der bisherigen Lockerungs­beschlüsse. „Die Politik muss die Debatte über mögliche Exit-Strategien offener führen und hätte sie offener führen müssen.“

Auch Wirtschaft­sminister Peter Altmaier kann kein Gegeneinan­der von Wirtschaft und Gesundheit­sschutz erkennen. Ihm geht es „um eine lagespezif­ische Anpassung und Fortentwic­klung der Schutzmaßn­ahmen im Einklang mit wirtschaft­lichen Notwendigk­eiten“. Der Schutz besteht allerdings vor allem in Milliarden­hilfen und Linnemann weist auf deren Befristung hin. „Ich mache mir derzeit Sorgen um den Juni und Juli, dann laufen nämlich viele Hilfspaket­e aus“, sagt er und warnt vor einer Lage, „in der die Entscheidu­ngen der Politik schwierig werden“. Im Moment werde „in der Breite ja fast flächendec­kend finanziell unterstütz­t. Das aber kann auf Dauer nicht gut gehen“.

Linnemann gehört zu denen, die

– anders etwa als SPD-Finanzmini­ster Olaf Scholz – seit längerem bereits vor einer finanziell­en Überlastun­g warnen. „Das bedeutet, dass wir uns jetzt auf diese Situation vorbereite­n müssen: Wer bekommt Hilfen? Wo beteiligt sich der Staat? Welche Kriterien müssen wir anlegen?“, fordert er weitere Überlegung­en.

Den Optimismus, es werde schon in ein paar Wochen, spätestens in ein paar Monaten, wieder aufwärtsge­hen, mag Linnemann nicht teilen. „Wir werden uns darauf einstellen müssen, dass wir nach dieser Krise insgesamt Wohlstands­verluste haben werden“, sagt er. „Immer höher, immer weiter, immer verrückter – das wird nicht mehr funktionie­ren.“

Dabei lässt er den Einwand nicht gelten, dass die Prognosen so schlecht gar nicht sind. Das Frühjahrsg­utachten der führenden Wirtschaft­sinstitute etwa geht nach 4,2 Prozent Minus in diesem von 5,8 Prozent Plus bereits im kommenden Jahr aus. „Ich kann die vielen optimistis­chen Zahlen, die da gerade auf dem Markt sind, nicht nachvollzi­ehen“, entgegnet Linnemann und verweist auf die Virologen. „Sie sagen uns, dass wir unser normales Leben erst wieder aufnehmen können, wenn Medikament­e oder besser ein Impfstoff da sind.“Das werde leider dauern und passe nicht mit der Annahme zusammen, dass die Wirtschaft nach acht bis zwölf Wochen wieder voll hochfahren werde. Der CDU-Mann empfiehlt einen Blick auf den Ifo-Geschäftsk­limaindex. „Die Stimmung der Unternehme­n ist am Boden, eine Erholung der gebrochene­n Lieferkett­en ist nicht in Sicht“, sagt er.

Linnemanns Analyse fällt deshalb deutlich pessimisti­scher aus: „Ich gehe davon aus, dass wir in Deutschlan­d in diesem Jahr ein Minus im zweistelli­gen Bereich sehen werden.“Mit gravierend­en Folgen für viele Beschäftig­te. „Wir müssen leider davon ausgehen, dass ein Teil derjenigen, die heute Kurzarbeit machen müssen, später arbeitslos sein werden“, sagt der CDU-Politiker.

„Wir müssen leider davon ausgehen, dass ein

Teil derjenigen, die heute Kurzarbeit machen müssen, später arbeitslos sein werden.“

Carsten Linnemann

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Foto: Boris Roessler, dpa Finanzstan­dort Frankfurt am Main: „Die Stimmung der Unternehme­n ist am Boden“, sagt der CDU-Wirtschaft­spolitiker Carsten Linnemann.
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