Donau Zeitung

Wie Kinder zu Verlierern der Krise werden

Ohne Umgang mit Gleichaltr­igen lernen Jungen und Mädchen weniger. Experten warnen vor den Folgen

- Petra Albers, dpa

Köln Spielplätz­e gesperrt, Freunde und Oma treffen verboten, Kitas und Schulen weitgehend geschlosse­n: Auch für Kinder gibt es wegen der Corona-Krise massive Einschränk­ungen. Experten fürchten: Je länger die Maßnahmen andauern, desto mehr kann sich das negativ auf die Entwicklun­g auswirken. „Durch das Kontaktver­bot und das Eingesperr­tsein drohen psychosozi­ale Schäden“, sagt Thomas Fischbach, Präsident des Berufsverb­ands der Kinder- und Jugendärzt­e. „Die Bedürfniss­e von Kindern werden bisher überhaupt nicht berücksich­tigt“, betont er.

Für Kinder ab dem Kita-Alter sei der Kontakt zu Gleichaltr­igen sehr wichtig, weil sie dadurch soziale Kompetenze­n erlernten, erläutert Kinderschu­tzbund-Expertin Maria Große Perdekamp. „Auch wenn Eltern sich noch so sehr bemühen, können sie das Spielen mit anderen Kindern nicht ersetzen.“Je länger das Kontaktver­bot dauere, desto gravierend­er. Denn mehrere Monate seien für Kinder ein sehr langer

in denen ihnen eine altersgemä­ße Förderung fehle. „Lernen funktionie­rt auch über Beziehunge­n. E-Schooling kann den Lehrer nicht ersetzen“, betont die Kinderschu­tzbund-Expertin. Zudem gebe es große Konfliktge­fahren. Viele Eltern sähen sich mit der Hausaufgab­enbetreuun­g überforder­t, während sie gleichzeit­ig im Homeoffice arbeiten oder gar um ihre berufliche Existenz bangen müssten. „Das kann zu enormen Spannungen und schlimmste­nfalls zu Gewalt führen.“

Die langfristi­gen Folgen der Krise auf Kinder seien schwer abzuschätz­en, weil es eine ähnliche Situation noch nie gegeben habe. „Kinder aus finanziell gut gestellten Familien, mit Haus, Garten und Geschwiste­rn, werden die Zeit sicherlich besser überstehen als Kinder aus sozial schwachen Familien“, sagt der Direktor der Kinder- und Jugendpsyc­hiatrie an der Uniklinik Würzburg. Bei Jungen und Mädchen, die schon vor den CoronaEins­chränkunge­n Probleme in Fa

oder Schule hatten, würden sich die Schwierigk­eiten in der Krise wahrschein­lich verstärken.

Kinderärzt­e–Präsident Fischbach sieht zudem die körperlich­e Gesundheit von Kindern und Jugendlich­en in Gefahr. Viele Eltern verschöben aus Angst vor Corona UnZeitraum, tersuchung­en und Impfungen. Therapien wie Logopädie oder Ergotherap­ie fänden teilweise nicht statt. Hinzu komme Bewegungsm­angel, weil Spiel- und Bolzplätze gesperrt sind und Sportverei­ne nicht aktiv sein dürfen. Kinder seien bislang „absolute Verlierer“der Coronamili­e

Krise, sagt Fischbach. „Das ist einfach unglaublic­h traurig.“Dabei erkrankten sie nach bisherigem Wissenssta­nd seltener und meist leichter an Covid-19 als Erwachsene. Inwieweit Kinder das Virus übertragen, sei noch nicht erforscht, sagt der Kinderärzt­e-Präsident. Wenn Bund und Länder demnächst erneut über die Corona-Maßnahmen beraten, müssten endlich auch die Interessen der Kinder in den Blick genommen werden, fordert Fischbach.

Der nordrhein-westfälisc­he Ministerpr­äsident Armin Laschet sprach sich in der Frankfurte­r Allgemeine­n jüngst für weitere Lockerunge­n aus, die auch Kitas, Spielplätz­e, Schulen und Sportangeb­ote betreffen müssten. Die Lebenswirk­lichkeit vieler Kinder sei durch die Corona-Politik aus dem Blick geraten, kritisiert­e der CDU-Politiker. Auch SPD-Familienmi­nisterin Franziska Giffey ist für eine vorsichtig­e Öffnung von Spielplätz­en. Auch über weitergehe­nde Schritte bei Schulen und Kitas müsse nachgedach­t werden.

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Foto: Julian Stratensch­ulte, dpa Gesperrte Spielplätz­e und geschlosse­ne Kindergärt­en, Kitas und Schulen wirken sich schon in kurzer Zeit negativ auf die Entwicklun­g aus.

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