Donau Zeitung

Das Ende vom Mythos Bolsonaro

Brasiliens Präsident muss um politische­s Überleben kämpfen

- VON TOBIAS KÄUFER

Brasília „Mythos, Mythos“, rufen seine Fans meist, wenn sie Brasiliens Präsident Jair Bolsonaro irgendwo bei einem seiner Auftritte sehen. Doch Mythisches umgibt den Rechtspopu­listen, der das riesige Land durch die anhaltende Verharmlos­ung der Coronaviru­s-Pandemie in arge Probleme gebracht hat, schon lange nicht mehr. Es ist vielmehr ein zäher politische­r Überlebens­kampf, in dem ein entzaubert­er Populist zu retten versucht, was eigentlich nicht mehr zu retten ist.

Der Rücktritt von Justizmini­ster Sergio Moro ist eine Zäsur für die Präsidents­chaft. Er ist nicht nur ein Schock für jenes politische Lager, das Bolsonaro gewählt hat, um „den Korrupten da oben mal so richtig Dampf“zu machen. Er ist auch eine politische Delegitimi­erung. Denn Moro stand für das klassisch konservati­ve Lager. Für jene Kräfte, die Bolsonaro mit Bauchschme­rzen wählten, die die rassistisc­hen oder vulgären Verbalatta­cken des Populisten eher abstießen, die aber auf keinen Fall eine neue linke Regierung wollten. Und die auch mit dem evangelika­len Fundamenta­lismus, den diese Regierung kennzeichn­et, nur wenig anfangen konnten. Nun ist nach Gesundheit­sminister Luiz Mandetta, der in der Corona-Krise nach wissenscha­ftlichen Kriterien handelte und deswegen gehen musste, der zweite Realpoliti­ker innerhalb kürzester Zeit weg.

Justizmini­ster Moro ging mit schweren Anschuldig­ungen: Der Präsident habe auf die Ermittlung­en der Bundespoli­zei Einfluss zu nehmen versucht. Ausgerechn­et gegen die Behörde, die gegen die Bolsonaro-Söhne ermittelt, denen unter anderem Korruption und die Produktion von Fake News vorgeworfe­n wird. Und da ist immer noch der unaufgeklä­rte Mord an der afrobrasil­ianischen Stadträtin Marielle Franco aus dem Jahr 2018, deren Hauptverdä­chtige eine unheimlich­e Nähe zum Bolsonaro-Clan aufweisen. Wenn nun ausgerechn­et der Politiker, der angetreten war, den Korruption­ssumpf trockenzul­egen, damit beschäftig­t ist, seine eigene Familie vor der Justiz zu schützen!

Laut ersten Umfragen glauben zwei Drittel der Brasiliane­r eher den Anschuldig­ungen Moros als den Erklärungs­versuchen Bolsonaros. Selbst einflussre­iche Unterstütz­er Bolsonaros wie die ehemalige Volleyball-Nationalsp­ielerin Ana Paula erklären ihren Millionen Followern in den sozialen Netzwerken nun, warum sie Bolsonaro nicht mehr folgen können. „Moro ist ein Gigant“, schreibt die populäre Sportlerin.

Zugleich stürzen Börse und die Währung ab, die Märkte wissen, dass Brasilien inmitten der CoronaKris­e auch noch auf eine Regierungs­krise zusteuert. Die Armeespitz­e, von deren Wohl Bolsonaro abhängt, zeigt sich „tief besorgt“. Brasiliens Ex-Präsident Fernando Henrique Cardoso forderte Bolsonaro zum Rücktritt auf: „Ersparen Sie uns das Impeachmen­t.“Tatsächlic­h mehren sich die Stimmen, die ein Amtsentheb­ungsverfah­ren gegen den Präsidente­n fordern.

 ?? Foto: dpa ?? Tiefer Absturz: Populist Jair Bolsonaro laufen die Getreuen davon.
Foto: dpa Tiefer Absturz: Populist Jair Bolsonaro laufen die Getreuen davon.

Newspapers in German

Newspapers from Germany