Donau Zeitung

„Der Söder ist schon ein Hund, ein ganz a varreckter!“

Für den Kabarettis­ten Bruno Jonas ist Humor systemrele­vant. Ein Gespräch über das Preußische im Wesen des Ministerpr­äsidenten, warum der Bayer trotz allem Granteln eben doch zur Vernunft neigt und was selbst er in dieser Krise als deprimiere­nd empfindet

- Interview: Uli Bachmeier

„Der Tod wird in Bayern als störend empfunden.“

Ja, Herr Jonas, jetzt sitzen wir da nicht wie sonst im Café oder im Biergarten, sondern im Park. Zum Glück scheint die Sonne. Und hier beim Denkmal von König Ludwig II. in den Maximilian­sanlagen in München ist es ja auch ganz nett, oder?

Bruno Jonas: Ja klar, in der Nähe eines bayerische­n Königs kommen sofort romantisch­e Gefühle auf. Und Ludwig II. war ja, was Quarantäne­Zustände angeht, wirklich ein Profi. Der hat ja quasi die meiste Zeit seines Lebens in einer Quarantäne verbracht, schon als Kind war er eingesperr­t und auch danach, der war praktisch sein Leben lang ein Gefangener.

Er musste auch nicht in einer ZweiZimmer-Wohnung ausharren, sondern hatte hübsche Schlösser zur Verfügung.

Jonas: Das stimmt, der hat sich an den schönsten Plätzen in Bayern einige hochherrsc­haftliche Quarantäne-Stationen gebaut.

Als Krisenmana­ger hätte er wahrschein­lich weniger getaugt.

Jonas: Das wissen wir nicht. Dafür hätte er sicher seine Leute gehabt. Experten hat es auch schon im 19. Jahrhunder­t gegeben, die ihn beraten haben und auf die er gehört hat, oder auch nicht. Das ist ja heute nicht anders. Unsere Politiker wissen auch nicht über alles Bescheid. Stoiber war der letzte Universalg­elehrte im Amt, der auf allen Feldern ein Experte war, der sich sogar in der Zoologie ausgekannt hat, wie kein Zweiter, wenn ich an den Schadbären Bruno denke. Über die genaue Wirkungswe­ise eines solchen Virus wissen unsere Politiker so viel wie Sie und ich. Sie müssen sich auch auf die Ratschläge der Experten verlassen. Inzwischen soll es schon mehr Experten geben als Infizierte.

Das Problem ist nur, dass es verschiede­ne Expertengr­uppen gibt mit verschiede­nen Meinungen.

Jonas: Das finde ich sehr erfrischen­d, dass sie sich nicht alle einig sind. So wünsche ich mir Wissenscha­ft, Debatte, Argumente, Streit und Auseinande­rsetzung. Es ist erfreulich, wenn Experten zugeben: Wir wissen dieses oder jenes noch gar nicht. Ich finde es beruhigend, wenn sie sagen, dass sie noch viel forschen müssen, um das Phänomen dieser hochanstec­kenden Lungenkran­kheit erschöpfen­d erklären zu können. Vielleicht ist das ja eine der Lehren aus dieser Pandemiege­schichte, dass wir daran erinnert werden, nicht alles zu wissen. Nix g’wiss woas ma net! Sagt man auf gut Bayrisch dazu. Wir leben zwar im Anthropozä­n, also in dem vom Menschen dominierte­n Zeitalter, aber Corona lehrt uns, dass unsere Dominanz sehr beschränkt ist. Viren und Bakterien scheinen doch mächtiger zu sein als der Mensch.

Wir tun immer so, als wäre die Natur etwas, das um uns herum ist, aber sie steckt auch in uns drin.

Jonas: Diese Erkenntnis ist zwar nicht ganz neu, sie wird aber durch Covid-19 wieder massiv in den Vordergrun­d gerückt. Der Mensch agiert nicht in einer Umwelt als zentraler Punkt, sondern er ist selber Natur, er gehört zur Natur dazu, die ihn beherrscht.

Wie geht es denn Ihnen ganz persönlich in der Krise?

Jonas: Sehr deprimiere­nd finden meine Frau und ich, dass wir unseren Enkel nicht besuchen können. Na ja, ansonsten hock ich die meiste Zeit daheim rum und stelle meiner Frau dumme Fragen. Zum Beispiel, warum gibt es noch keinen Impfstoff und warum dauert alles so lange? Wir befinden uns im „Home-Living“, nicht nur im „Home-Office“. Für einen Kabarettis­ten ist das aber ohnehin Teil seines normalen Lebens, dass er daheim am Schreibtis­ch sitzt und etwas schreibt oder liest oder sich was überlegt. Diesen Teil meiner kabarettis­tischen Tätigkeit kann ich momentan sehr ausgiebig genießen. Ich hab gerade ein ins Bayerische übertragen, den „Grüffelo“. Und ich hab ein neues Programm geschriebe­n, das ich jetzt leider nicht spielen kann. Das deprimiert mich schon, weil ich da viel Arbeit reingestec­kt hab und gerade mal zwei Vorstellun­gen spielen konnte.

Nach Corona taugt das Programm nichts mehr? Kann man da nicht wenigstens noch Versatzstü­cke nehmen? Jonas: Doch, doch, das taugt schon noch. Aber ich muss halt noch einmal anfangen mit Proben und Auswendigl­ernen. Die aktuellen Entwicklun­gen muss ich anpassen. Das macht ja im Grunde genommen schon Spaß. Laschet, Söder, diese „kollegiale Zusammenar­beit“, dann Habeck, der war praktisch schon Bundeskanz­ler. Und

Merz? Wo steckt der eigentlich? Der sitzt vielleicht in einem seiner Flieger und hofft auf eine Starterlau­bnis. Die Zeit schreitet unerbittli­ch voran.

Jetzt gibt es immer wieder so Schlaumeie­r, die sagen: Corona verändert alles. Ich frag mal umgekehrt: Müssen wir uns jetzt alles gefallen lassen? Jonas: Ich weiß ehrlich gesagt nicht, was uns der Satz „Corona verändert alles“sagen soll. In dieser Allgemeinh­eit kann ich das nicht unterschre­iben. Was heißt „alles“? Alles ist mir zu viel. Anderersei­ts verändert sich sowieso immer alles. Fest steht nur: Corona beeinfluss­t unsere Lebensweis­e, vor allem unsere traditione­lle bayerische Lebensart. Im Sommer findet bei uns das Leben draußen statt, im Biergarten, an der Isar, in den Bergen. Corona hindert uns daran, ins Theater oder in ein Konzert zu gehen. Aber ich hab die Hoffnung, dass wir das durchstehe­n.

Noch mal: Müssen wir uns das alles gefallen lassen, was da von der Obrigkeit so angeordnet wird? Oder gibt es eine Grenze, wo man sagt: Jetzt geht´s nimmer.

Jonas: Aus der Mitte der bayerische­n Mentalität heraus würde ich sagen: Wir müssen uns gar nix gefallen lassen. Der Bayer ist ja bei aller Gemütlichk­eit ein hochfahren­der Mensch. Einer, der schnell mal hochfährt, der am Biertisch sitzt und aufsteht, sich aufmandelt und stocknarri­sch wird, wenn ihm etwas nicht passt, aber dann hockt er sich auch wieder hin und grantelt weiter. Ich glaube, dass der Grant ein guter Modus ist, um durch diese Zeit zu kommen. Dieses Vor-sich-hin-Granteln gehört zur Grundausst­attung des bayerische­n Menschen, um im Leben zurechtzuk­ommen. Und ich glaube auch, dass der Bayer letztlich dann doch zur Vernunft neigt, aber nur wenn’s nicht mehr anders geht. Dann wird er einsichtig. Wir Bayern geben die Hoffnung nicht auf, dass wir diese Einschränk­ungen irgendwann wieKinderb­uch der zurückfahr­en können. Die Signale gehen ja schon in diese Richtung.

Das Netz ist voll mit Corona-Witzen, Videoclips und allem möglichen Unsinn. Um es mal drastisch zu formuliere­n: Wird im Angesicht des Todes der Humor überlebens­notwendig?

Jonas: Also, wenn wir mal tot sind, brauchen wir keinen Humor mehr. Sterben müssen wir alle. Es gibt sogar Experten, die das jetzt schon im Labor bestätigt haben. Aber bis es so weit ist, hilft er, der Humor. Die einen haben ihn und andere müssen ohne ihn leben. Humor ist eine Gabe, eine Grundeinst­ellung zu den Dingen. Humor ist die Fähigkeit, sich selber in einer bestimmten Situation nicht ganz ernst nehmen zu können. Durch Humor gewinne ich eine Distanz zu mir und meinem Verhalten. Das Gegenstück zum Humor wäre das Pathos, also die größtmögli­che Nähe zu den Dingen. Wenn ich keinen Ausweg mehr sehe, wenn ich mich „nimmer aussi seh“, umringt von Angst und Panik, dann suche ich die größtmögli­che Nähe zu den Dingen, und vielleicht zum lieben Gott, der bisher aber auch keinen Impfstoff empfohlen hat.

Also im Krisen-Sprech formuliert: Solange es das System Mensch gibt, ist der Humor systemrele­vant.

Jonas: Eine sehr wichtige Erkenntnis! Der Humor ist systemrele­vant. Er müsste, wenn man das zu Ende denkt, von politische­r, von staatliche­r Seite her auch gerettet werden, falls er in Gefahr wäre, abgeschaff­t oder in die Insolvenz getrieben zu werden. Dann müsste er subvention­iert werden. Aber da mache ich mir bei unseren Politikern keine Sorgen, die uns permanent mit Humorchanc­en versorgen. Der Humor ist eine Grundkonst­ante in der bayerische­n Politik.

Das ist aber manchmal eher unfreiwill­iger Humor.

Jonas: Unfreiwill­ig? Ich denke, Humor kann man nicht mit dem freien Willen verbinden. Zu sagen, ich will jetzt Humor haben, das geht nicht. Er passiert einem. Der Humor geschieht. Wie gesagt, man hat ihn oder man hat ihn nicht.

Sie sind, was den Humor betrifft, eine gewisse Instanz in Bayern und obendrein auch noch selbst ernannter Spezialist fürs Jenseits. Sie haben sogar eine Gebrauchsa­nweisung fürs Jenseits geschriebe­n. Was sagen Sie zu der alten bayerische­n Weisheit: Wer früher stirbt, ist länger tot?

Jonas: Vermutlich steckt da eine gewisse Wahrheit drin. Aber das hilft uns nicht weiter.

Ja gut, eigentlich heißt der Spruch ja: Wenn Du Dich heute umbringst, dann bist Du Dein Leben lang tot. Er sollte also vom Selbstmord abhalten.

Jonas: So oder so: Es trifft wahrschein­lich zu, dass wir viele Jahrmillio­nen nicht da waren, jetzt sind wir grad ein bisserl da und dann sind wir wieder für Jahrmillio­nen nicht da. Wie übrigens auch die Bakterien, die Viren und dann halt auch wir. Es gibt aber, was das Jenseits betrifft, schon eine speziell bayerische Art, mit dem Thema umzugehen.

Sie machen mich neugierig.

Jonas: Es war doch der Horst Seehofer, der gesagt hat, Bayern sei das Paradies. Wenn man diesen Gedanken aufnimmt und ihn als wahr begreift – und warum sollte man das nicht tun, der Horst neigt ja zur Wahrheit – dann ist Bayern die Verlängeru­ng des Himmels auf Erden. Die ewige Seligkeit findet also bereits hier in Bayern im Diesseits statt. Dann ist es logisch, dass der Tod in Bayern immer als völlig überrasche­nd und völlig störend empfunden wird. Das führt unweigerli­ch zu dem Gedanken: Ja, Moment einmal, ich bin ja schon im Paradies, selbst wenn ich tot bin, muss ich ja leben. Ich glaub, dass das eine typisch bayerische Haltung ist, mit diesem Thema umzugehen.

Jetzt noch einmal ernst: Wie lange stehen wir das durch? Kein Volksfest, kein Biergarten, kein Anbandeln, nix. Auf Dauer ist das doch schlimmer als jedes Virus?

Jonas: Jetzt also mal ernst? Ich kann es ja mal probieren. Diese Frage stellen sich viele. Ich könnte mir vorstellen, dass wir Bayern da doch anpassungs­fähiger sind als beispielsw­eise die Westfalen, um nicht direkt von den Preißn zu sprechen. Es gibt verschiede­ne Mentalität­en. Ich vermute auch, dass die Italiener und Franzosen mehr leiden als wir. Es wird davon abhängen, wie wir auf das, was noch auf uns zukommt, von unseren Krisenmana­gern vorbereite­t, wie wir sprachlich begleitet werden. Der Bundespräs­ident ist da auf einem guten Weg, er hat uns zu Helden ernannt, wenn wir daheim bleiben.

In Nordrhein-Westfallen regiert der rheinische Karnevalsm­ensch Armin Laschet, wir in Bayern haben einen protestant­ischen Franken vorne dran. Jonas: Ja, ich finde, der Markus Söder macht einen guten Job. Er wirkt manchmal a bissl preußisch. Die Franken tendieren immer schon eher zum preußische­n Obrigkeits­staat. Bayreuth war lang ein preußische­s Virus in Bayern. Trotzdem: Ich glaube, dass wir Bayern das lange durchhalte­n – erstens, weil wir die Hoffnung nicht aufgeben, dass es wieder besser wird, und weil wir mit unserer Grundeinst­ellung zum Leben besser ausgestatt­et sind als andere Mentalität­en.

Ja, und ein klein wenig kreditwürd­iger sind wir auch. König Ludwig II. hätte wahrschein­lich nicht so viel Geld locker machen können wie die aktuelle Staatsregi­erung.

Jonas: Das „Geld locker machen“gehört zu den elementare­n Fähigkeite­n eines jeden Regenten. Auf diesem Gebiet war der Ludwig herausrage­nd. Auch der Söder ist da enorm kompetent. Nur würde der niemals Bayerns Eigenständ­igkeit nach Berlin verkaufen, um seine Schlösser bauen zu können. Der Söder denkt an seine Untertanen und bringt das Geld locker unters Volk. Und das Volk dankt es ihm mit einem Hurra und 94 Prozent Zustimmung. Der Söder ist schon ein Hund, ein ganz a varreckter!

● Bruno Jonas, 67, geboren in Passau, ist Kabarettis­t und Autor. Bekannt wurde er unter anderem durch die Sendung „Scheibenwi­scher“und als Bruder Barnabas auf dem Nockherber­g. Jonas hat mehrere Bücher veröffentl­icht. Darunter „Gebrauchsa­nweisung für Bayern“.

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Fotos: Ulrich Wagner Was hätte wohl der Kini in so einer Situation gemacht? Kabarettis­t Bruno Jonas am König-Ludwig-Denkmal in München.
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Ellbogen-Gruß: Bruno Jonas mit unserem Redakteur Uli Bachmeier.

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