Donau Zeitung

Sehnsucht nach Sonne und Süden

In Frankreich denkt man schon wieder darüber nach, ob trotz Corona-Krise im Sommer Urlaub möglich sein könnte. Und die Türkei will All-inclusive und offene Buffets abschaffen

- VON BIRGIT HOLZER UND SUSANNE GÜSTEN

Paris/Istanbul Je länger die CoronaKris­e dauert, desto mehr keimt in vielen Menschen das Bedürfnis auf, mal wieder ins Ausland reisen zu dürfen. Kann es beispielsw­eise für deutsche Frankreich-Liebhaber in diesem Sommer bereits wieder Crêpes und Cidre in der Bretagne geben, Pastis und Fischsuppe in Marseille? Wie sieht es mit den Reisen an den Bosporus aus? Um nur zwei Beispiele zu nennen.

Zuerst der Blick nach Frankreich: Zwar wird die Ausgangssp­erre ab 11. Mai schrittwei­se aufgehoben und ab diesem Datum sollen auch wieder die Schulen und Kindertage­sstätten öffnen. Doch das gilt nicht für die Restaurant­s, Hotels, Cafés und Museen. Präsident Emmanuel Macron hat angekündig­t, die außereurop­äischen Grenzen „bis auf Weiteres“geschlosse­n zu halten. Was aber innerhalb des SchengenRa­ums entschiede­n wird, dürfte wohl von der Entwicklun­g der Pandemie abhängen. In Frankreich warnt das renommiert­e Pasteur-Institut sogar vor einer zweiten Infektions­welle.

„Wir befinden uns in einer Phase absoluter Ungewisshe­it“, sagte Jean-François Rial, Vizepräsid­ent der Gewerkscha­ft für große Reiseveran­stalter. „Wir wissen nicht, wann es mit dem Reisen wieder losgehen kann, vielleicht innerhalb Europas in diesem Sommer, vielleicht nicht unbedingt alle Länder.“

Der französisc­he Gesundheit­sminister Olivier Véran verkündete, er glaube nicht an „normale Ferien“in diesem Jahr. Dennoch ermunterte­n er und andere Regierungs­mitglieder die Franzosen dazu, diese im eigenen „schönen Land“zu machen. Ist eine Reise nach Frankreich damit auch für Deutsche denkbar? Und was für ein Urlaub wäre das: Können Restaurant­s oder Ausstellun­gen besucht werden? Bis 15. Juli sind alle Großverans­taltungen verboten. Noch ist auch der Transport massiv Doch ab Juli will Air France sein stark reduzierte­s Flugprogra­mm auf 30 Prozent seiner Kapazitäte­n steigern, die Bahngesell­schaft SNCF plant mit der vollständi­gen Wiederaufn­ahme des Fernverkeh­rs bis zum Sommer.

Die Umsatzverl­uste im Tourismusb­ereich dürften im ersten Semester mehr als 30 Milliarden Euro betragen, den Flugverkeh­r ausgenomme­n. Das trifft Frankreich hart, wo der Sektor zwischen sieben und acht Prozent des Bruttoinla­ndsprodukt­es ausmacht. Zuletzt zog das Land rund 90 Millionen Besucher im Jahr an. Die Gäste aus Europa und darunter Deutschlan­d machen dabei einen großen Anteil aus. Auf sie verzichten zu müssen, würde die Lage weiter erschweren.

Blick in die Türkei: Die Strände an Mittelmeer und Ägäis sind derzeit so schön wie nie, denn sie sind menschenle­er. Der Flugverkeh­r ist gestoppt, die meisten Hotels sind geschlosse­n, und in Antalya gilt

wie in 30 anderen Provinzen des Landes an den Wochenende­n eine komplette Ausgangssp­erre. Inzwischen kristallis­iert sich aber die Planung dafür heraus, wie es im türkischen Tourismus weitergehe­n kann. Hotels und Strände sollen nach den Plänen des Tourismusm­inisterium­s gegen Ende Mai wieder öffnen, aber nur für einheimisc­he Besucher. Ende August werde mit ersten ausländisc­hen Urlaubern gerechnet. Aber dann werde vieles ganz anders sein als früher. Mit einer schrittwei­sen Öffnung für einheimisc­he Besucher will die Branche die hygienisch­en Herausford­erungen des Tourismus in der Coronaviru­s-Krise bewältigen. Auf der Streichlis­te stehen dabei nicht nur überfüllte Strände und Discos, sondern auch das All-inclusive-System mit seinen Buffet-Mahlzeiten.

Offene Buffets, an denen sich hunderte Gäste mit demselben Löffel bedienen, seien in Zeiten des Coronaviru­s nicht mehr attraktiv, sageingesc­hränkt. te Bulut Bagci, der türkische Direktor des Tourismusf­orschungs-Instituts World Tourism Forum. Bis zu 2000 Menschen speisten bisher in den großen All-inclusive-Hotels an der türkischen Riviera von einem Buffet. Schon weil das Abstandhal­ten da nicht möglich sei, müssten Urlauber künftig auf die riesigen Buffets mit dutzenden verschiede­nen Suppen, Salaten, Hauptspeis­en und Süßigkeite­n verzichten.

Über fertige Frühstücks­teller und Picknick-Pakete denken manche Hoteliers derzeit nach, andere plädieren für À-la-carte-Bestellung­en. Denkbar sei auch, die Mahlzeiten in den Restaurant­s in den Festpreis einzustell­en und damit auch ohne Buffets all-inclusive zu bleiben, schlägt Bagci vor. Um die Buffets sei es jedenfalls nicht schade, findet der Tourismus-Experte: Sie seien „eine gewaltige Lebensmitt­elVerschwe­ndung“.

Das Tourismusm­inisterium arbeitet an einem Zertifizie­rungssyseb­enso tem für Hotels, mit dem Hygienemaß­nahmen wie Desinfekti­on, Luftfilter und Personalsc­hulungen bescheinig­t werden sollen. Touristen-Busse sollen regelmäßig sterilisie­rt, Flughäfen, Museen und Ausgrabung­sstätten mit Markierung­en zum Abstandhal­ten versehen werden. Von den Urlaubern selbst sollen Gesundheit­sbescheini­gungen verlangt werden, sobald es dafür einen internatio­nalen Standard gibt.

Hotels und Pensionen sollen nur die Hälfte ihrer Zimmer belegen dürfen, um Gedränge zu vermeiden. An den Stränden wird die Zahl der Liegestühl­e halbiert, um den Abstand zwischen Badegästen zu verdoppeln. Das Gleiche gilt für Tische und Stühle in Restaurant­s und Cafés. Das alles werde seinen Preis haben, warnte Firuz Baglikaya, der Vorsitzend­e des Verbandes der türkischen Reiseagent­uren: „Wenn Hotels nur halb ausgelaste­t sind, werden ihre Preise natürlich höher liegen als zuvor.“

 ?? Foto: Emrah Gurel, dpa ?? Ähnlich sieht es in Istanbul aus: Besuch scheint die Ortaköy-Moschee derzeit nur von Tauben zu bekommen.
Foto: Emrah Gurel, dpa Ähnlich sieht es in Istanbul aus: Besuch scheint die Ortaköy-Moschee derzeit nur von Tauben zu bekommen.
 ?? Foto: Damien Meyer, dpa ?? Weltberühm­t: Mont-Saint-Michel in der Normandie. Touristen sind dort aber derzeit nicht zu finden.
Foto: Damien Meyer, dpa Weltberühm­t: Mont-Saint-Michel in der Normandie. Touristen sind dort aber derzeit nicht zu finden.

Newspapers in German

Newspapers from Germany