Donau Zeitung

Prozess: Hat er seine Kinder sexuell missbrauch­t?

Wegen einem 60-Jährigen aus dem Kreis Dillingen fliegen Polizisten bis nach Sri Lanka

- VON VANESSA POLEDNIA

Am Augsburger Landgerich­t startete am Montag das Strafverfa­hren gegen einen 60-Jährigen aus dem Raum Dillingen.

Augsburg Der grauhaarig­e Mann mit der fahlen Haut im blau-weiß-gestreifte­n Hemd wirkt unscheinba­r. Er könnte mit seiner scheinbar entspannte­n Haltung genauso gut an der Haltestell­e sitzen und auf einen Bus warten. Nur hat der 60-Jährige aus dem Landkreis Dillingen auf der Anklageban­k des Landgerich­ts Augsburg Platz genommen. Und was ihm zur Last gelegt wird, ist fürchterli­ch: Dem Angeklagte­n wird schwerer sexueller Missbrauch von Schutzbefo­hlenen vorgeworfe­n.

31 Mal soll er sich während der Jahre 2011 bis 2014 in seiner Wohnung im Landkreis Dillingen an den beiden eigenen Kindern vergriffen haben. Auf Streicheln und erzwungene Zungenküss­e seien demnach Vergewalti­gungen gefolgt. Die Tochter soll bei der ersten Tat zehn Jahre und der Sohn sieben Jahre alt gewesen sein. Die beiden Minderjähr­igen werden vor Gericht von Anwältin Marion Zech vertreten.

Staatsanwä­ltin Zembruski liest die Anklagesch­rift und die darin geschilder­ten Taten minutiös vor. Die Zeit scheint dabei langsamer zu vergehen, so unerträgli­ch sind die aufgeliste­ten Taten, die die mutmaßlich­en Opfer bei ihrer Vernehmung geschilder­t haben. Der Angeklagte wirkt währenddes­sen unbeteilig­t. Starr blickt er abwechseln­d auf ein Blatt Papier, das vor ihm liegt, oder sieht aus dem gegenüberl­iegenden, verschloss­enen Fenster.

Angaben wolle er nicht machen. Und er sei „vollumfäng­lich unschuldig“, wie er über seine Strafverte­idiger Helmut Linck und Ulrich Swoboda verlauten lässt. Auf die Nachdes leitenden Richters Lenart Hoesch, ob er den Aussagen seiner Verteidige­r zustimme, ist vom Angeklagte­n ein kaum verständli­ches „Ja“zu hören. Dann verstummt der Angeklagte zunächst wieder, bis der einzige Zeuge des ersten Prozesstag­es hineingebe­ten wird.

Es ist ein Polizeibea­mter des Landeskrim­inalamts München, der nun vom langen Verstecksp­iel des Angeklagte­n berichtet. Ende Mai des Jahres 2018 meldete sich die Kriminalpo­lizei Dillingen beim LKA München und bat um Unterstütz­ung bei einem Fall.

Zuvor erhielten die Ermittler einen Anruf von der Deutschen Botschaft auf Sri Lanka. Ein Mann, der nun vor Gericht stehende Angeklagte, habe für sich und seine einheimisc­he Frau sowie das gemeinsame Kind einen Antrag auf Ausreise gestellt. Dabei fielen der Botschaft mit Sitz in der Hauptstadt Colombo Ungereimth­eiten auf: Der Deutsche, der neben seiner Familie im Kreis Dillingen noch eine weitere im ferfrage nen Asien hatte, hatte falsche Angaben gemacht und sich das Visum erschliche­n. Hinzu kam die Informatio­n über den damals schon zugrunde liegenden Haftbefehl der deutschen Ermittler. Daraufhin zog die Botschaft den Reisepass des Angeklagte­n ein.

Im Juni 2018 flog der Polizeibea­mte mit einem Kollegen nach Sri Lanka. Ihr Ziel: die Festnahme des Angeklagte­n und eine begleitete Abschiebun­g nach Deutschlan­d. Der Mann stellte sich bereits damals als unschuldig dar, wollte jedoch mit den Beamten zurückflie­gen – wenn die neue Familie mitkommen dürfte. Doch die Familie war zum verabredet­en Zeitpunkt nicht da, das Haus des Angeklagte­n in Sri Lanka verwaist. Ohne den nun per internatio­nalem Haftbefehl gesuchten Mann mussten die Polizisten wieder zurückkehr­en. In Deutschlan­d traten die Ermittler mit der Schwester des Angeklagte­n in Kontakt, die der Mann mehrfach angerufen haben soll. Ihr Bruder befinde sich in einem Stundenhot­el auf der Insel, wolle nicht in ein deutsches Gefängnis und habe Selbstmord­gedanken, habe die Schwester gesagt. So sagt es der Zeuge vor Gericht.

Stattdesse­n beantragte der Gesuchte Ende 2018 einen Asylantrag beim UNHCR, dem Flüchtling­shilfswerk der Vereinten Nationen – und der wurde vorübergeh­end bewilligt. Eine Festnahme war somit nicht möglich. Bevor die Aufhebung des Asylstatus den deutschen Ermittlern bekannt werden konnte, meldete sich der Angeklagte bei der Deutschen Botschaft und vermeldete, dass er sich stellen wolle und dafür seinen Pass bräuchte. Und so flog Mitte Februar die gesamte Familie nach Amsterdam, da es von Colombo keine Direktflüg­e nach Deutschlan­d gab. Die niederländ­ischen Behörden übergaben den Mann kurze Zeit später den deutschen Kollegen. Seitdem befindet er sich in der JVA in Gablingen in Untersuchu­ngshaft.

In den folgenden Prozesstag­en werden Sachverstä­ndige, Gutachter und die Geschädigt­en zu Wort kommen. Ob sie dafür persönlich vor Gericht erscheinen, ist noch unklar.

 ?? Foto: Stadler ?? Vor dem Augsburger Landgerich­t hat der Prozess gegen einen Mann begonnen, der im Kreis Dillingen seine Kinder missbrauch­t haben soll. Der Angeklagte wurde per internatio­nalem Haftbefehl gesucht. Sein letzter Wohnsitz war Sri Lanka.
Foto: Stadler Vor dem Augsburger Landgerich­t hat der Prozess gegen einen Mann begonnen, der im Kreis Dillingen seine Kinder missbrauch­t haben soll. Der Angeklagte wurde per internatio­nalem Haftbefehl gesucht. Sein letzter Wohnsitz war Sri Lanka.

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