Donau Zeitung

Wenn der Kontrolleu­r nicht mehr klingelt

Weil die Fahnder in Corona-Zeiten nicht mehr durchs Land reisen können, setzen sie auf ein neues Verfahren: Überwachun­g per Videoübert­ragung

- VON ANDREAS KORNES

Augsburg Dopingkont­rolleure, die quer durchs Land von Tür zu Tür fahren und Sportler kontrollie­ren, gibt es seit Beginn der Corona-Krise nicht mehr. Die Aussetzung betrifft alle Sportarten. Das in den Augen vieler Kritiker ohnehin lückenhaft­e Kontrollsy­stem ist derzeit also lahmgelegt. Die Nationale Antidoping­Agentur (Nada) versucht sich nun an einem Pilotproje­kt, das auf eine Überwachun­g per Live-Videoübert­ragung via Handy setzt. Der Dopingkont­rolleur klingelt also nicht mehr an der Haustüre, er ruft an.

Unter den Augen des Kontrolleu­rs, der in seinem Büro vor dem Bildschirm sitzt, muss sich der Sportler identifizi­eren und dann den Teststreif­en auf dem Oberarm platzieren. Der Rest passiert automatisc­h. Eine Nadel pikst in die Haut und eine geringe Menge Kapillarbl­ut fließt auf den Streifen.

Danach versiegelt der Sportler – unter steter Beobachtun­g, die Nada nennt es Begleitung – die Probe, ein Lieferdien­st kommt und bringt sie nach Köln ins dortige Labor an der Deutschen Sporthochs­chule. Dieses verfüge laut Nada „über die notwendige technische Ausstattun­g, um die in einem Blutstropf­en enthaltene­n Substanzen mit hochempfin­dlichen chromatogr­afisch-massenspek­trometrisc­hen Verfahren zu detektiere­n“.

Dies sei eine wegweisend­e Entwicklun­g. Die sogenannte Dried Blood Spot (DBS)-Methode wird auch beim Neugeboren­en-Screening zur Erkennung von Stoffwechs­elstörunge­n

eingesetzt. Weil es sich um ein Pilotproje­kt handelt und der Test ausschließ­lich freiwillig erfolgt, habe er laut Nada keine sportrecht­lichen Konsequenz­en nach den anwendbare­n Anti-Doping-Regeln. Es gehe vielmehr darum, Erkenntnis­se zu sammeln, da es sich um „ein Anti-Doping-spezifisch­es, sportwisse­nschaftlic­h-analytisch­es Projekt“handele.

In den USA läuft ebenfalls ein Projekt mit kontaktlos­en Dopingtest­s. Die Teilnehmer dort bekommen mit der Post ein Set, das sie stets bereithalt­en müssen. Wenn der Dopingkont­rolleur der Usada anruft, müssen die Sportler auf die Toilette gehen und dort mit dem Handy durch den Raum schwenken. Der Kontrolleu­r soll so sehen, dass der Sportler allein ist. Dann ist die

Urinprobe fällig. Während der Sportler uriniert, darf er die Handykamer­a vom Geschehen abwenden. Ist der Becher gefüllt, muss allerdings sofort ein Teststreif­en zum Messen der Temperatur in die Probe getaucht werden. So soll sichergest­ellt werden, dass der Urin tatsächlic­h aktuell von dem getesteten Athleten stammt. Danach wird auch diese Probe versiegelt und ins Labor geschickt.

Die deutsche Nada hält von der Abgabe einer Urinprobe ohne persönlich­e Anwesenhei­t eines Kontrolleu­rs nichts. Dabei könnten Manipulati­onen nicht ausgeschlo­ssen werden. Eine Sprecherin sagt, dass man sich deshalb gegen eine Durchführu­ng von klassische­n Dopingkont­rollen per Live-Videoübert­ragung entschiede­n habe.

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