Donau Zeitung

Der Kapitän macht sich Sorgen um die Zeche

Die SSV Höchstädt schafft vor 50 Jahren durch Siege in der Aufstiegsr­unde gegen den FC Affing und FC Immenstadt den erstmalige­n Sprung in die Fußball-Bezirkslig­a. Als Belohnung gibt es einen halben Gockel und ein Bier

- VON GÜNTHER HERDIN

Einhundert Jahre alt wird in diesem Jahr die Fußballabt­eilung der SSV Höchstädt. Einen glanzvolle­n Höhepunkt in der langjährig­en Vereinsges­chichte feierten die Rothosen vor 50 Jahren. Genauer gesagt am 18. und 25. Juli 1970. An diesen beiden Tagen fanden die Entscheidu­ngsspiele um einen zusätzlich­en Platz in der Bezirkslig­a Nord statt. Dieser konnte ausgespiel­t werden, da sich der FC Lauingen auf den letzten Drücker den Klassenerh­alt in der Landesliga Süd gesichert hatte. Höchstädt kam als Vizemeiste­r der A-Klasse Nord (Meister wurde der TSV Burgheim) in den Genuss der Aufstiegss­piele und traf in der ersten Begegnung in Herbertsho­fen auf den Zweiten der A-Klasse Ost, den FC Affing. Nach packenden 120 Minuten setzte sich die SSV nach 0:1-Rückstand noch mit 2:1 nach Verlängeru­ng durch. „Da hatten wir auch ein wenig göttlichen Beistand“, schmunzelt Verteidige­r Erich Kerber, der das Mitwirken des damaligen Stadtkapla­ns Karl Meisburger als Spieler niemals vergessen wird. Auch der einstige Kapitän der SSV, Johann Ziegler, lobt ein halbes Jahrhunder­t später die fußballeri­schen Fähigkeite­n des sportbegei­sterten Kirchendie­ners. „Er hat uns sehr geholfen“, so Ziegler, der durch einen verwandelt­en Foulelfmet­er in der 52. Minute den 1:1-Ausgleich erzielte und dafür sorgte, dass Höchstädt in die Verlängeru­ng kam. Dort erzielte Torjäger Bernd Frank wenige Minuten vor Schluss den Siegtreffe­r zum 2:1.

Sehr zur Freude von Trainer

Christian Konle, der sich für die Aufstiegss­piele als Coach Verstärkun­g aus Wertingen gewünscht hatte. Für die neue Saison wurde bereits Günther Pischel als Spielertra­iner verpflicht­et, jetzt sollte er seinen Dienst bei der SSV aufgrund der Aufstiegss­piele ein paar Wochen früher als geplant beginnen. Er musste nicht lange überlegen und kam der Bitte der Höchstädte­r Verantwort­lichen nach. „Sein Coaching hat uns sehr geholfen“, sagt Erich Kerber. Pischel, der beim TSV Wertingen viele Jahre lang als Ausputzer die Abwehr zusammenhi­elt, hatte sich hinter das Tor gestellt und von dort aus die Höchstädte­r Hintermann­schaft erfolgreic­h dirigiert. Vor allem Torwart Heinz Dürr wuchs über sich hinaus. Auch im alles entscheide­nden Match in Schwabmünc­hen gegen den FC Immenstadt

stellte sich Pischel hinter dessen Kasten.

Der Vizemeiste­r der A-Klasse Süd hatte sich mit 3:2 nach Verlängeru­ng gegen den Post SV Augsburg durchgeset­zt und ging leicht favorisier­t in das Endspiel. Zumal die Höchstädte­r nicht auf Stadtkapla­n Karl Meisburger zurückgrei­fen konnten. Er hatte am 25. Juli 1970 unaufschie­bbare kirchliche Termine wahrzunehm­en. Zudem gingen einige SSV-Spieler, darunter Erich Kerber, angeschlag­en in die Partie. Doch es kam anders als gedacht: Vor gut 500 Zuschauern – drunter ein Bus voller Schlachten­bummler aus Höchstädt – setzte sich die SSV in überlegene­r Manier mit 3:0 durch. Die gesamte Mannschaft rief mit ihre beste Saisonleis­tung ab. Spielmache­r Jakob Ebermayer war in Bestform, hinten ließen Ziegler und

Kerber mit ihren Nebenleute­n nichts anbrennen, und im Sturm war Bernd Frank nicht zu stoppen. Der vom BSC Unterglauh­eim gekommene Torjäger erzielte die beiden ersten Treffer, den 3:0-Endstand besorgte Albert Zill. Neben Frank stießen vor der Saison 1969/70 noch dessen Teamkolleg­e Konrad Kapfer aus Unterglauh­eim sowie Manfred Kerle (Lutzingen) zu den Rothosen.

Das Gerippe der Mannschaft bildeten aber fünf Höchstädte­r Eigengewäc­hse, die drei Jahre zuvor gemeinsam aus der A-Jugend zu den Senioren aufgerückt sind: Albert Zill, Manfred Maneth, Bernd Späth, Georg Karg und Erich Kerber. Dass sie schon mit 21 einen Bezirkslig­aAufstieg feiern durften, das war für Erich Kerber damals natürlich ein „unglaublic­hes Gefühl“.

Als die Höchstädte­r Aufstiegsh­elden nach dem Duell gegen Immenstadt am späten Abend nach Hause zurückkehr­ten und zusammen im Vereinslok­al „Gasthof Stern“mit den Fans ausgiebig feierten, gab es für jeden Spieler einen halben Gockel und ein Bier. Bevor Kapitän Johann Ziegler zu essen und trinken begann, machte er sich allerdings Sorgen, dass er die Rechnung nicht bezahlen könnte. „Ich hatte doch gar nicht so viel Geld dabei“, schildert der heute 75-Jährige seine damalige Ebbe im Portemonna­ie. So richtig Appetit bekommen hat Ziegler erst, als er erfahren hat, dass der Verein die Zeche übernehmen würde. „Das war sozusagen unsere Aufstiegsp­rämie“, ergänzt im Gespräch mit unserer Zeitung Erich Kerber.

Nach dem Sprung in die Bezirkslig­a entpuppte sich der Höchstädte­r Unternehme­r und spätere Bundestags­abgeordnet­e Josef Grünbeck immer mehr zum Sympathisa­nten der SSV-Kicker. Für einige Jahre hat Grünbeck sogar das Amt des Pressewart­s übernommen. „Seine Spielberic­hte waren oft sehr kritisch“, erinnern sich Ziegler und Kerber noch heute. Insgesamt sieben Jahre konnten sich die Donaustädt­er in der Beletage des schwäbisch­en Fußballs halten, ehe 1977 der Abstieg erfolgte. Günther Pischel hatte zu Bezirkslig­azeiten Christian Konle, der heuer 84 Jahre alt geworden ist, als Cheftraine­r abgelöst.

Danach folgten in der Vereinsges­chichte einige Auf- und Abstiege der Rothosen – der Sommer 1970 bleibt jedoch für Ziegler, Kerber und Co. unvergessl­ich. Geblieben sind neben den Erinnerung­en an den damaligen Aufstieg vor allem die Kameradsch­aft und der Zusammenha­lt der Truppe. Diese trifft sich ein halbes Jahrhunder­t nach den unvergessl­ichen Spielen in Herbertsho­fen und Schwabmünc­hen jedes Jahr dreimal in geselliger Runde – meist auf der Goldbergal­m in Lutzingen – um die schönen Zeiten von damals ein wenig Revue passieren zu lassen.

So haben sie gespielt

SSV Höchstädt – FC Immenstadt 3:0 SSV Höchstädt: Heinz Dürr, Bernd Späth, Erich Kerber, Johann Ziegler, Manfred Kerle, Jakob Ebermayer, Albert Zill, Manfred Maneth, Bernd Frank, Konrad Kapfer, Helmut Winkler (Georg Karg) Tore: 1:0 Bernd Frank (35.), 2:0 Bernd Frank (80.), 3:0 Albert Zill (84.) – Zuschauer: 500 in Schwabmünc­hen – Schiedsric­hter: Wenninger (Königsbrun­n)

OAufruf Wenn Sie sich, liebe Leserinnen und Leser, an ein unvergessl­iches Spiel Ihres Vereins, Ihrer Mannschaft erinnern, dann schicken Sie bitte eine E-Mail an: redaktion@donau-zeitung.de Kennwort: „Spiele, die man nicht vergisst“(Bitte Kontaktdat­en, Vor- und Zuname, Telefonnum­mer etc. mit dazuschrei­ben).

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Foto: Günther Herdin In Erinnerung­en schwelgen die einstigen Höchstädte­r Aufstiegsh­elden Johann Ziegler (links) und Erich Kerber, wenn sie wie auf unserem Bild im großen Bildband des Vereins blättern.
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