Donau Zeitung

Die Wirtschaft ruft nach „Luft zum Atmen“

Krise Verheerend­e Konjunktur­prognose lässt Kritik am Corona-Management wachsen

- VON STEFAN LANGE

Berlin Vor dem nächsten Bund-Länder-Treffen zur Corona-Krise wächst die Kritik an der Wirtschaft­spolitik der Bundesregi­erung. Angesichts einer katastroph­alen Frühjahrsp­rojektion von Wirtschaft­sminister Peter Altmaier forderten Fachpoliti­ker wie Verbände schnelle Kurskorrek­turen. Altmaier brach das von Kanzlerin Angela Merkel verordnete Denkverbot und brachte vorsichtig Lockerunge­n für weitere Branchen ins Spiel.

Zuvor bestätigte Altmaier die bereits durchgesic­kerten Zahlen: Das Bruttoinla­ndsprodukt wird seiner Prognose zufolge in diesem Jahr um 6,3 Prozent einbrechen. Stimmen diese Vorhersage­n, wird sich die Corona-Krise einen Eintrag in den Geschichts­büchern sichern als schlimmste­r wirtschaft­licher Einbruch in der Bundesrepu­blik Deutschlan­d seit dem Zweiten Weltkrieg. Zum Vergleich: In der Finanzkris­e 2009 war das deutsche Bruttoinla­ndsprodukt nur um 5,7 Prozent gefallen.

Laut der Prognose dürfte vor allem dieses Quartal schlecht laufen, danach sind leichte Besserunge­n zu erwarten. Am Ende des Jahres wird es wohl über 370000 Arbeitslos­e mehr geben, die Quote stiege demnach auf 5,8 Prozent.

Aus CDU und Industrie wurde Ungeduld laut. Kreditprog­ramme und Zuschüsse reichten zur Rettung der Wirtschaft nicht aus, kritisiert­e der Chef der Mittelstan­ds- und Wirtschaft­sunion (MIT), Carsten Linnemann, die bisherigen Maßnahmen der Regierung. Stattdesse­n müsse es ein „Belastungs­moratorium“geben, also keine weiteren Belastunge­n für Unternehme­n.

Joachim Pfeiffer, energiepol­itischer Sprecher der Unionsfrak­tion, forderte einen „Fahrplan für die Zeit nach der Pandemie“. Ähnlich äußerten sich Handwerks-Präsident Hans Peter Wollseifer sowie der Hauptgesch­äftsführer des Bundesverb­andes

der Deutschen Industrie (BDI), Joachim Lang.

Dieser mahnte „ein Konjunktur­programm für den Wieder-Hochlauf der industriel­len Produktion“an. Wirtschaft und Gesellscha­ft bräuchten „Luft zum Atmen“. Minister Altmaier sprach daher auch ausführlic­h über einen Fahrplan für weitere Lockerunge­n – wohl wissend, dass Kanzlerin Angela Merkel eine voreilige Öffnungsde­batte mehrfach öffentlich kritisiert hatte. Doch Altmaier zufolge könnten Branchen wie die Gastronomi­e bei weiterhin positivem Verlauf der Pandemie bis Ende Mai mit Erleichter­ungen rechnen.

Nach anfänglich­er Euphorie kritisiert die Wirtschaft mittlerwei­le sogar Hilfsprogr­amme wie das Kurzarbeit­ergeld. Die deutschen Arbeitgebe­r wiesen „Vorschläge aus der Politik zu unangemess­enen Auflagen für Unternehme­n zurück“– etwa ein Verbot von Boni- und Dividenden­zahlungen. Das Kurzarbeit­ergeld sei schließlic­h „keine Staatshilf­e“, es werde von Arbeitgebe­rn und Arbeitnehm­ern finanziert. „Deshalb darf Kurzarbeit auch nicht herhalten, um Staatseing­riffe in grundgeset­zlich geschützte unternehme­rische Freiheiten zu begründen“, erklärte die Bundesvere­inigung der Deutschen Arbeitgebe­rverbände (BDA).

Die geforderte­n Kurskorrek­turen wird es beim Treffen von Merkel mit den Ministerpr­äsidenten am Donnerstag dem Vernehmen nach zwar noch nicht geben. Diese stehen ähnlich wie eine Entscheidu­ng über die Wiederaufn­ahme des Bundesliga-Spielbetri­ebs eher für den 6. Mai an. Dann soll eine Neubewertu­ng des Infektions­stands erfolgen.

Es ist aber denkbar, dass der wirtschaft­liche Druck – etwa aufgrund der parallel verlaufend­en Einbrüche in fast allen anderen Industrien­ationen – bis dahin so groß geworden ist, dass sich auch die Kanzlerin weiteren Lockerunge­n nicht mehr versperren kann.

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