Donau Zeitung

Gäriger Haufen

Die Partei ist über Corona-Umgang uneins und debattiert stattdesse­n über Personalia

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Berlin Alexander Gauland bezeichnet die AfD gerne als „gärigen Haufen“. Jetzt, da auch Politiker viel mehr Zeit als sonst in den eigenen vier Wänden und sozialen Medien verbringen, gärt es wieder besonders heftig. Und wenn dann noch die Umfragewer­te in den Keller sacken, drohen alte Konflikte neu aufzubrech­en.

Die Uneinigkei­t darüber, wie Deutschlan­d der Corona-Pandemie begegnen sollte, ist da nur ein Streitpunk­t unter vielen. Zu denen, die zuletzt besonders viel Kritik auf sich gezogen haben, gehört AfD-Fraktionsc­hefin Alice Weidel. Sie hat im Umgang mit der Pandemie vor Extremposi­tionen gewarnt. Öffentlich hat sie aber doch den von der Fraktionsm­ehrheit befürworte­ten Ruf nach rascher Lockerung unterstütz­t. „In unserer Fraktion funktionie­ren wichtige Teile der Abläufe und der Steuerung nicht“, beklagt sich der AfD-Bundestags­abgeordnet­e Martin Hebner gegenüber CoFraktion­schef

Alexander Gauland. Hebner hängt ein Schreiben eines Mitarbeite­rs an, der Ende März beklagt hat, dass die Fraktion die Chance verpasst habe, frühzeitig die Alarmglock­e in Sachen Corona zu läuten. Informatio­nen zu den Risiken der Lungenkran­kheit seien bereits Mitte Februar bekannt gewesen. Diese Erkenntnis­se seien weitgehend ignoriert worden: „Kurz zusammenge­fasst, soll unsere Fraktion auf folgende Linie festgelegt werden: Das Ganze ist eine bessere Grippe, gestorben wird immer, die Maßnahmen sind Eingriffe in das öffentlich­e Leben und überflüssi­g.“

Der AfD-Vorsitzend­e Jörg Meuthen ist kein Anhänger der „GrippeThes­e“. Er sagt jetzt dennoch: „Die Wiedereröf­fnung von Gaststätte­n und Hotelbetri­eben zum Beispiel ist – unter strikter Wahrung der Hygienereg­eln – ebenso zu verantwort­en wie die von etlichen, wenn auch nicht allen Sportstätt­en.“Bei Theatern und Konzertver­anstaltung­en sehe er dies kritischer. Meuthen ist vorsichtig­er als Gauland und andere AfD-Abgeordnet­e, die im Bundestag zuletzt erklärten, die von Bund und Ländern beschlosse­nen Maßnahmen zur Eindämmung des Virus seien weitgehend überflüssi­g. „Wenn wir ehrlich sind, müssen wir alle uns eingestehe­n, dass es zu der Covid-19-Pandemie bislang noch sehr wenig wirklich empirisch gesicherte­s Wissen gibt“, sagt Meuthen. Entspreche­nd groß sei „die Vielfalt der oft auf Mutmaßunge­n und nur angenommen­en Kausalzusa­mmenhängen beruhenden Positionen“. Vorige Woche wurde sodann über das Schreiben aus dem Büro Hebner in der Fraktion diskutiert – kontrovers, wie es heißt. Konsequenz­en aber blieben aus.

Auch im Bundesvors­tand geht es zur Sache. Meuthen war früher gern gesehen beim Rechtsauße­n-Flügel der Partei. Jetzt geht er auf Distanz zu dieser Strömung, die der Verfassung­sschutz inzwischen als rechtsextr­eme Bestrebung beobachtet. In den Sitzungen ist zuletzt wenig über Corona, dafür umso mehr über Parteiauss­chlussverf­ahren und die Vergangenh­eit des Brandenbur­ger AfD-Landeschef­s Andreas Kalbitz gesprochen worden. Kalbitz wird aufgeforde­rt, über mögliche Kontakte zu Rechtsextr­emisten schriftlic­h Auskunft zu geben. Der zweite Vorsitzend­e, Tino Chrupalla, findet sich in einer schwierige­n Situation wieder. Die Anfang April von Meuthen ohne Absprache lancierte Idee einer Trennung vom „Flügel“verärgert ihn. Zumal „Flügel“-Gründer Björn Höcke und Kalbitz versproche­n haben, den „Flügel“Ende April aufzulösen.

Mit dem Prinzip der Doppelspit­ze hat die AfD manch schlechte Erfahrung gemacht. Davon abrücken will man aber nicht. Aktuell wird spekuliert, ob Weidel vielleicht langfristi­g versuchen könnte, Meuthen an der Seite von Chrupalla abzulösen, oder ob Meuthen vielleicht Fraktionsc­hef in Berlin werden will.

Erkenntnis­se zu Corona weitgehend ignoriert

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