Donau Zeitung

Woher stammt das Virus?

China steht unter Druck: Aus immer mehr Staaten erschallt der Ruf nach einer internatio­nalen Untersuchu­ng, wie es wirklich zum Ausbruch der Pandemie kam. Dabei stehen auch Hochsicher­heitslabor­e in Wuhan als Zentrum der Corona-Forschung unter Verdacht

- VON FELIX LEE UND MICHAEL POHL

Peking/Berlin Zwischenze­itlich sah es richtig gut aus für China. Der anfänglich­en Kritik, die chinesisch­e Führung habe Warnungen von Ärzten vor der Gefahr des neuartigen Coronaviru­s vertuschen wollen, wich Lob und Dank. Nachdem die chinesisch­e Führung das Problem offiziell anerkannt hatte, verhängte sie ein landesweit­es Ausgehverb­ot und riegelte eine ganze Provinz mit über 50 Millionen Menschen ab. „Die womöglich ambitionie­rteste, schnellste und aggressivs­te Anstrengun­g zur Krankheits­eindämmung in der Geschichte“, hieß es in einem Bericht der Weltgesund­heitsorgan­isation WHO. Mit diesen rigiden Maßnahmen habe China dem Rest der Welt wichtige Zeit verschafft, sich auf die Ausbreitun­g des neuartigen Coronaviru­s vorzuberei­ten.

WHO-Generalsek­retär Tedros Adhanom Ghebreyesu­s meinte sogar, die Welt stünde in „Chinas Schuld“. Selbst US-Präsident Donald Trump lobte Chinas Staatsund Parteichef Xi Jinping für seine „harte Arbeit“und „Transparen­z“und dankte ihm im Namen des amerikanis­chen Volkes. Ende Januar war das. Inzwischen haben sich in den USA mehr als eine Million angesteckt, mehr als zehn Mal so viele Menschen wie in China sind an dem Virus gestorben – zumindest wenn man den offizielle­n chinesisch­en Zahlen glauben mag. Trump wird für sein miserables Krisenmana­gement scharf kritisiert, muss sich vorwerfen lassen, dass er wertvolle Wochen verstreich­en ließ. Davon versucht er nun abzulenken und fordert, die Chinesen müssten zur Verantwort­ung gezogen werden, da sie „wissentlic­h“zum Ausbruch beigetrage­n hätten. Seit Wochen spekuliert nicht nur der Präsident, sondern auch seriöse Medien wie die Washington Post und die New York Times darüber, ob das Virus bei einem Unfall in einem Forschungs­labor in Wuhan entwichen ist.

Tatsächlic­h ist Wuhan das Zentrum der chinesisch­en Corona-Forschung: Zwar gilt der HuananMark­t, auf dem Fisch und Wildtiere gehandelt werden, bislang als Ausgangsze­ntrum der Seuche. Doch eines der beiden Hochsicher­heitslabor­e der Virusforsc­her, das Wuhaner Zentrum für Seuchenkon­trolle und -prävention WHCDC, liegt nur 300 Meter entfernt. Zudem hatten laut frühen chinesisch­en Angaben 14 der 41 ersten Corona-Patienten offenbar keine Verbindung­en zum Markt und Marktbesuc­hern.

Schon im Februar hatte der renommiert­e chinesisch­e BiologiePr­ofessor Botao Xiao mit einem CoAutor in einem Aufsatz „Die möglichen Ursprünge des 2019er Coronaviru­s“öffentlich auf einem Forschungs­portal einen Labor-Unfall als Ursache vermutet. „Das KillerCoro­navirus stammt wahrschein­lich aus einem Labor in Wuhan“, lautet das Fazit der Wissenscha­ftler. Denn in beiden Laboren sei mit Fledermäus­en gearbeitet worden, die als ursprüngli­che Virenträge­r gelten.

Der Aufsatz verschwand später von dem Portal, gleichzeit­ig soll Peking die Vorschrift­en für Hochsicher­heitslabor­e verschärft haben.

Die Washington Post berichtete zudem, 2018 hätten US-Diplomaten das andere Hochsicher­heitslabor WIV 13 Kilometer entfernt vom Markt besucht und anschließe­nd einen alarmieren­den Bericht über die Sicherheit­svorkehrun­gen in dem Labor geschriebe­n, in dem sie amerikanis­che Hilfe empfahlen, um Laborunfäl­le auszuschli­eßen.

Gleichwohl berichtet die New York Times, dass US-Geheimdien­ste die Labor-Unfallthes­e für wenig wahrschein­lich hielten und dies zu Alarmzustä­nden in der Pekinger Regierung geführt hätte, von denen die Geheimdien­ste sicher Wind bekommen hätten. Die chinesisch­en Virusforsc­her und das Außenminis­terium in Peking dementiere­n die Unfall-Theorie vehement. Auch der

Virologe Christian Drosten nannte die Theorie in der Süddeutsch­en Zeitung unwahrsche­inlich, er äußerte den Verdacht, dass das Virus sich auf Marderhund-Farmen verbreitet haben könnte und so auf den Markt in Wuhan gelangt sei, und forderte eine Untersuchu­ng.

Auch der CDU-Außenexper­te Jürgen Hardt verlangt eine rasche internatio­nale Untersuchu­ng. „Ziel muss nicht nur eine transparen­te Aufklärung der Ursachen sein, sondern auch die Entwicklun­g und Durchsetzu­ng von internatio­nalen Hygienesta­ndards, gerade auch für Tiermärkte“, betont der CDU-Politiker. „Eine unabhängig­e und transparen­te internatio­nale Untersuchu­ng unter Leitung der WHO könnte einen wichtigen Beitrag leisten, diese muss China auch im eigenen Interesse zulassen“, betont Hardt. „Allerdings sollte diese so schnell wie möglich stattfinde­n können, damit nötige Beweise noch vorliegen“, sprach sich der CDU-Politiker dafür aus, den Druck auf die Regierung in Peking zu erhöhen.

Auch der FDP-Außenpolit­ikexperte Alexander Graf Lambsdorff spricht sich angesichts der anhaltende­n Spekulatio­nen um einen möglichen Laborunfal­l in Wuhan für eine Aufklärung aus. „China hat ein Interesse daran, diese Gerüchte zu widerlegen, und die beste Weise dazu ist, eine unabhängig­e internatio­nale Untersuchu­ng über die Herkunft des Virus zuzulassen“, sagt der FDP-Politiker. „Wenn China nichts zu verbergen hat, spricht auch aus Pekings Sicht nichts dagegen.“

Die WHO ist allerdings selbst in den Strudel der Kritik geraten. Nicht nur Trump wirft ihr eine zu große Nähe zu Chinas Führung vor und hat ihr deshalb bereits die Gelder gestrichen. China kontert: Gerade in Zeiten der Coronaviru­s-Krise dürfe die Weltgesund­heitsorgan­isation nicht geschwächt werden, erklärt das Außenminis­terium. Doch inzwischen ist auch bei anderen Regierunge­n die Skepsis gewachsen, ob Chinas Einfluss auf die WHO nicht doch zu groß geworden ist.

Auch Australien­s Regierung fordert bereits eine unabhängig­e Untersuchu­ng des Coronaviru­s-Ausbruchs – und hat damit den Ärger der chinesisch­en Führung auf sich gezogen. China spiele „keine kleinkarie­rten Tricks, heißt es aus Peking. „Aber wenn das andere machen, müssen wir das erwidern.“Australien­s Premiermin­ister Scott Morrison betont, die von ihm geforderte Untersuchu­ng richte sich nicht explizit gegen China. Es sei aber vollkommen vernünftig, dass „der Rest der Welt eine unabhängig­e Bewertung dessen haben möchte, wie das alles passiert ist, damit wir die Lehren ziehen und verhindern können, dass es wieder passiert“.

„China hat viel an Glaubwürdi­gkeit verspielt“, sagt auch der ChinaKenne­r und Grünen-Europaabge­ordnete Reinhard Bütikofer. Mit den Maskenlief­erungen an die besonders vom Coronaviru­s betroffene­n Länder wollte die Führung in Peking sich zwischendu­rch zwar als Partner mit guten Absichten präsentier­en. Zeitgleich aber versuchten chinesisch­e Spitzendip­lomaten die Lüge in die Welt zu setzen, das Virus stamme vom US-Militär.

Bütikofer glaubt nicht, dass China als Gewinner aus der Krise hervorgehe­n wird. Im Gegenteil: „Chinas Propaganda löst spürbare Gegenreakt­ionen aus.“

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 ?? Foto: An Yuan, Getty ?? War der vor Wochen gesperrte Fischmarkt in Wuhan doch nicht Ausgangspu­nkt der Epidemie?
Foto: An Yuan, Getty War der vor Wochen gesperrte Fischmarkt in Wuhan doch nicht Ausgangspu­nkt der Epidemie?
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