Donau Zeitung

Er beendete Ballacks Karriere im DFB-Trikot

Mit seinem Tritt verhindert­e Kevin-Prince Boateng einst die WM-Teilnahme des deutschen Kapitäns. Später legte der extroverti­erte Profi verbal nach

- VON JOHANNES GRAF

Einen Kevin-Prince Boateng unter Kontrolle zu halten, haben etliche Trainer und Vereinsche­fs versucht. Letztlich sind sie allesamt gescheiter­t. Wenn überhaupt, kam Nico Kovac diesem Zustand nahe. Als er noch die Frankfurte­r Eintracht trainierte, fand er einen Zugang zum extroverti­erten Alphatier. Der aggressive Anführer funktionie­rte, personifiz­ierte Durchsetzu­ngsvermöge­n und Siegeswill­en und trug so zum DFB-Pokal-Triumph und zum Einzug in den Europapoka­l bei.

Doch Boateng wäre nicht Boateng, wäre er länger als eine Spielzeit bei der Eintracht geblieben. Vor nicht einmal zwei Jahren verließ der 33-Jährige die Frankfurte­r, seitdem trug er die Trikots von US Sassuolo, FC Barcelona, AC Florenz und Besiktas Istanbul. Seit 2007 verbucht er 13 Profistati­onen und tourt reisefreud­ig durch Europa.

Boateng hat Ecken und Kanten und steht nicht im Verdacht, sich im Sinne eines Klubs zu verbiegen. Während Halbbruder Jerome Boateng sich im Laufe der Jahre zu einem Diplomaten mit langweilig­en Aussagen und wenig Angriffsfl­äche entwickelt hat, schwamm Bad Guy „Prince“stets gegen den Strom. Dass sein Image in Deutschlan­d nachhaltig Schaden genommen hat, begründet sich vor allem in einem üblen Foul. Letztlich besiegelte eine Aktion Boatengs Michael Ballacks Ende in der Nationalma­nnschaft.

Mai 2010. Das englische Pokalfinal­e zwischen Außenseite­r FC Portsmouth und Favorit FC Chelsea. Eine gute halbe Stunde ist gespielt. Wie Kampfhähne sind Boateng und Ballack einige Male aufeinande­r losgegange­n, verbale und körperlich­e Provokatio­nen auf beiden Seiten. Dann der Tritt. Boateng trifft nicht den Ball, er springt Ballack mit voller Wucht aufs Sprunggele­nk. Folge: Innenbandr­iss und Teilriss des Syndesmose­bandes.

Im Nachgang der Partie wird Boateng sagen, es sei keine Absicht gewesen. Nur ein beliebiger Zweikampf, der in jedem Spiel etliche Male vorkomme. Glauben wird ihm niemand. Boateng entschuldi­gt sich, Reue indes zeigt er nie. Weder unmittelba­r nach dem Spiel noch Jahre später. Stattdesse­n tritt er nochmals zu. Mit Worten.

seinem Buch „Ich, Prince Boateng“mit dem Untertitel „Mein Leben. Mein Spiel. Meine Abrechnung.“widmet sich der Profi nochmals seiner wohl berühmtest­en Aktion. Und rühmt sich gar ein wenig dafür. Schließlic­h hätten sich deutsche Nationalsp­ieler bei ihm gemeldet und sich für seine rüde Attacke bedankt. Boateng schreibt davon, wie schlecht Ballacks Ansehen zu jener Zeit in der Nationalma­nnschaft war. „Keinen freute es, dass er sich verletzt hat, mich am wenigsten, aber viele fanden ,ohne Ballack‘ sogar die bessere Option.“

Die Verletzung hatte etwas Staatstrag­endes. In wenigen WoIn chen sollte Ballack die deutsche Nationalma­nnschaft während der Weltmeiste­rschaft in Südafrika anführen, nun verpasste der damalige Weltklasse­spieler sein letztes großes Turnier. Mehr noch. Weil das DFB-Team mit den damals aufstreben­den Özil, Khedira und Müller gegen England (4:1) oder Argentinie­n (4:0) begeistert­e und als WM-Dritter zurückkehr­te, fiel Ballacks Fehlen nicht ins Gewicht. Seine Karriere im Nationalte­am war beendet, Ballack gab den Beleidigte­n. Boateng hingegen bestritt die WM und scheiterte mit Ghana erst im Viertelfin­ale nach Elfmetersc­hießen an Uruguay.

Sein Foul wirkte dennoch nach. In den Tagen danach war er nicht mehr Täter, sondern Opfer. In seiner Biografie berichtet er von Anfeindung­en, sogar Morddrohun­gen sollen ihn erreicht haben. „Ich bekam mehrere Briefe, in denen stand, dass man mich lynchen wolle. Da wurde eine Grenze überschrit­ten.“

Eine Aussprache zwischen Boateng und Ballack hat es nie gegeben. In einem Interview sagte der damalige Übeltäter einmal: „Es gibt nichts zu klären. Ballack ist mir nicht wichtig, ich bin ihm nicht wichtig.“

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Foto: dpa Das personifiz­ierte Durchsetzu­ngsvermöge­n: Kevin-Prince Boateng.

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