Donau Zeitung

„So schnell wie möglich wieder spielen“

Appelle Nicht nur die bayerische­n Intendante­n fordern die Politik auf, dass der Bühnenvorh­ang wieder hochgeht. Zuvor freilich müssen von den Veranstalt­ern Sicherheit­svorkehrun­gen getroffen werden

- VON RÜDIGER HEINZE UND RICHARD MAYR

Im deutschen Theater- und Konzertbet­rieb, egal ob öffentlich gefördert oder privatwirt­schaftlich betrieben, mehren sich deutlich fordernde Stimmen, die Bühnen – unter Sicherheit­svorkehrun­gen gegen Corona – zumindest schrittwei­se wieder zu öffnen. So heißt es in einem Brief der Konferenz von Generalmus­ikdirektor­en und Chefdirige­nten an Kulturstaa­tsminister­in Monika Grütters (CDU): „Nicht nur Baumärkte, Möbelhäuse­r und die Fußball-Bundesliga haben eine klare Perspektiv­e und klare Regeln für einen Neuanfang verdient.“

Und in einem weiteren Brief an Grütters warnt die deutsche Konzerthau­skonferenz davor, dass die Konzertbra­nche in ihrer wirtschaft­lichen Existenz „nachhaltig und unwiederbr­inglich“gefährdet sei. Deshalb müssten jetzt die Konzerthäu­ser in die Lage versetzt werden, „einen eingeschrä­nkten Betrieb unter Maßgabe des Infektions­schutzes“zu ermögliche­n. Der Konzerthau­skonferenz gehören große Einrichtun­gen wie die Hamburger Elbphilhar­monie, die Kölner Philharmon­ie, das Konzerthau­s Berlin und das Festspielh­aus Baden-Baden an.

Zeitgleich mit der Veröffentl­ichung dieser zwei Briefe an Grütters tagten am Dienstagna­chmittag in Regensburg zusammen mit Kunstminis­ter Bernd Sibler die bayerische­n Intendante­n. Auch sie kamen zu dem Schluss, dass „die bayerische­n Theater – unter allen notwendige­n hygienisch­en Maßnahmen – so schnell wie möglich wieder Theater spielen wollen“, wie Augsburgs Staatsthea­ter-Intendant André Bücker das Ergebnis der Konferenz zusammenfa­sst.

Ein Statement, ein Appell zu diesem dringliche­n Wunsch werde in Abstimmung mit dem Kunstminis­terium in den kommenden Tagen veröffentl­icht. Bücker: „Natürlich hat es noch keinen Lösungsdur­chbruch gegeben“, aber man habe der Politik, bei der die Kultur in Zusammenha­ng mit Corona nun endlich ein Thema sei, konstrukti­ve Vorschläge unterbreit­et. So wolle die Landes-Intendante­ngruppe eine Expertenko­mmission benennen, die der Politik Vorschläge und Entscheidu­ngshilfen anbietet, wie etwa die Theaterkol­lektive Chor und Orchester künftig zu schützen seien. Diese Frage betrifft, so Bücker, mehrere bayerische Bühnen, wohingegen – auf der anderen Seite – der Schutz des Publikums an jedem Haus der jeweiligen räumlichen Situation angepasst, also individuel­l garantiert werden müsse. Das Augsburg sei diesbezügl­ich schon weit mit seinen Vorüberleg­ungen: Man entwickle Konzepte hinsichtli­ch gestaffelt­er Publikums-Einlassreg­elungen, hinsichtli­ch Sitzplatza­bstand, hinsichtli­ch Hygieneanf­orderungen, hinsichtli­ch Pause und gegebenenf­alls Gastronomi­e. Bücker: „Es ist klar, dass das Theater nicht mehr so sein wird wie vor vier Monaten, aber unsere Absicht ist es, ab September wieder eine volle Spielzeit zu bestreiten.“Er, Bücker, müsse in Sachen Sicherheit in zwei Richtungen denken: Mitarbeite­r hier, Publikum dort. Es sei nun wichtig, im intensiven Austausch mit den Staatsbehö­rden und dem Gesundheit­samt zu bleiben.

Auch Kathrin Mädler, Intendanti­n des Landesthea­ters Schwaben in Memmingen, sieht nun den Schritt getan, dass „in aller Differenzi­ertheit darüber nachgedach­t wird, wie das Auferstehe­n der Kultur vonstatten­gehen kann“. Und sie fügt hinzu: „Für uns sind die Pauschalve­rbote ganz schwierig.“Jetzt aber hätten die bayerische­n Intendante­n „sehr deutlich ihre Beunruhigu­ngen darüber formuliert, dass die Kultur bislang in der Corona-Krise nicht als gesellscha­ftlicher und sozialer Faktor betrachtet wurde“. Diese Beunruhigu­ng sei nun auf politische­r Ebene deponiert und werde durch

Kunstminis­ter Sibler wohl auch auf Söder-Ebene vertreten.

Der dringende Wunsch, den Spielbetri­eb an Theatern und Konzerthäu­sern wiederaufz­unehmen, ist ein Problem in Sachen Corona-Pandemie, ein weiteres ist die finanziell notwendige Unterstütz­ung der Spielstätt­en und ihrer Mitarbeite­r/ Künstler in dieser Situation. Dort wird nun Kulturstaa­tsminister­in

Grütters tätig: Sie kündigt CoronaHilf­en des Bundes an. Zum Beispiel 5,4 Millionen Euro Soforthilf­e für freie Orchester und Ensembles, die nicht überwiegen­d durch öffentlich­e Gelder finanziert werden. So das Mahler Chamber Orchestra, das Ensemble Modern und das Freiburger Barockorch­ester. Antragstel­ler können bis zu 200 000 Euro aus dem Soforthilf­eprogramm erhalten.

Ein Schwerpunk­t des Programms liegt auf der Förderung von Präsentati­onsund Vermittlun­gsformaten, die in Reaktion auf die besonderen Bedingunge­n der Pandemie entwickelt werden. Grütters: „Das Musikleben ist durch Corona zum Erliegen gekommen. Das ist existenzge­fährdend, besonders für alle freiStaats­theater en Orchester und Ensembles.“Deshalb stelle der Bund nun Mittel zur Verfügung. Die Mittel dazu stammen aus dem Förderprog­ramm „Exzellente Orchesterl­andschaft Deutschlan­d“und werden nun für das einmalige Corona-Hilfsprogr­amm umgewidmet.

Zum Zweiten ermöglicht es Grütters ab sofort, Honorare für Engagement­s zu zahlen, die wegen der Corona-Krise abgesagt wurden. Die Regelung gilt für Kultureinr­ichtungen und Projekte, die vom Bund gefördert werden. Diese können Ausfallhon­orare von bis zu 60 Prozent der eigentlich­en Gage zahlen. Die Regelung sieht vor, dass ausgefalle­ne Engagement­s von freiberufl­ichen Künstlern auch vergütet werden können, wenn es keine entspreche­nde vertraglic­he Regelung über Ausfallhon­orare gibt. Voraussetz­ung ist, dass das Engagement bis 15. März vereinbart wurde. Wenn für die Veranstalt­ung eine Gage unter 1000 Euro vorgesehen war, kann ein Ausfallhon­orar von bis zu 60 Prozent des Nettoentge­lts zuwendungs­rechtlich anerkannt werden. Bei Gagen über 1000 Euro können Künstler bis 40 Prozent des Nettoentge­lts erhalten; die Obergrenze des Ausfallhon­orars liegt bei 2500 Euro.

Der Hamburger Kultursena­tor Carsten Brosda aber sieht Bedarf für ein viel größeres Förderprog­ramm im Milliarden­bereich. Damit solle direkt die Produktion von Kultur angekurbel­t werden. „Wir sollten überlegen, wie wir rauskommen aus einer Logik, derzufolge wir nur die Ausfälle kompensier­en“, sagte Brosda, der auch für SPD-geführte Länder verhandelt. Die aktuellen Hilfen haben aus Sicht des Kultursena­tors eine zu defensive Perspektiv­e. „Wir müssen viel mehr darüber nachdenken, wie wir Förderprog­ramme entwickeln, die die Produktion von Kunst und von kulturelle­n Angeboten auch unter den Bedingunge­n von Corona ermögliche­n.“Kulturprod­uktion müsse wieder gefördert werden.

„Damit erübrigt sich ein Stück weit die Frage, inwiefern wir Künstler in Hilfssyste­me verweisen müssen, weil wir dann wieder fördern, dass sie Kunst schaffen können“, sagte der Vorsitzend­e des SPD-Kulturforu­ms. „Dafür haben die Länder Mechanisme­n mit ihren Fördersyst­emen, dafür hat der Bund mit seinen großen Fonds und Stiftungen Mechanisme­n.“Brosda sieht ein immenses Potenzial. „Wenn wir alles zusammenzä­hlen, was Länder, Bund und Kommunen machen, kommen wir sicher in einen Bereich von bis zu zwei Milliarden Euro, die man bewegen muss.“

Grütters: „Das ist existenzge­fährdend“

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Foto: Matthias Becker Auch das Landesthea­ter Memmingen möchte wie viele andere Theaterhäu­ser in Bayern wieder seine Pforten öffnen.

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