Donau Zeitung

Der Protest der Gastwirte nimmt zu

Etwa 25 Gastronome­n aus dem Landkreis machen mit der Aktion „Leere Stühle“auf ihre existenzge­fährdende Situation in den Zeiten der Pandemie aufmerksam. Was sie jetzt von der Politik fordern und welche Konzepte sie haben

- VON HORST VON WEITERSHAU­SEN UND BERTHOLD VEH

Etwa 25 Gastronome­n aus dem Kreis haben mit einer Aktion auf ihre missliche Lage aufmerksam gemacht. Was sie fordern.

Landkreis Es ist ein stiller Protest, zu dem sich etwa 25 Gastwirte aus dem Landkreis Dillingen auf der Goldbergal­m in Lutzingen eingefunde­n haben. Die Betreiber von Wirtshäuse­rn und Hotels stehen vor leeren Stühlen, so der Titel der Aktion. „Lasst uns nicht im Regen stehen“, steht auf einem Plakat. „Das waren jetzt die schönsten sieben Wochen der vergangene­n Jahre“, klagt Goldberg-Wirt Bernd Klinger. Wegen der Corona-Pandemie mussten aber auch die Gaststätte und der Biergarten am Goldberg geschlosse­n bleiben. Und noch immer haben die Gastronome­n keine Aussicht darauf, wann sie wieder öffnen dürfen. Das anfänglich­e Verständni­s und die Gelassenhe­it

vieler Wirte scheint allmählich in Verärgerun­g umzuschlag­en. „Mir reicht’s“, sagt Klinger. Und er hat wie die anderen eine klare Botschaft an die Politik. „Wir brauchen endlich eine Perspektiv­e.“

Der Goldberg-Wirt beschäftig­t acht Angestellt­e und viele Teilzeitkr­äfte. Er habe in dieser Krise „massiv nachfinanz­iert“. So gut wie alle Hochzeiten dieses Jahres seien abgesagt. Er könne nicht verstehen, warum Menschen jetzt in Läden einkaufen, aber keine Gaststätte besuchen dürfen. „Wir können die Hygiene-Vorgaben einhalten“, sagt Klinger. „Dann sitzen halt nur 60 Gäste auf meiner großen Terrasse.“Mit dem Lieferserv­ice allein komme er nicht über die Runden. Er betreibe keinen Mc-Drive, sondern eine Gaststätte mit Biergarten.

Der Kreisvorsi­tzende des Bayerische­n Hotel- und Gaststätte­nverbands, Josef Stark, warnt dennoch vor einer zu frühen Öffnung. Der Wirt aus dem Wertinger Stadtteil Gottmannsh­ofen rechnet mit besonderen Hygienekon­zepten, die der Gesetzgebe­r vor einer Lockerung stellen werde. „Diese Auflagen müssen erst einmal umgesetzt und individuel­l für jeden Betrieb angepasst werden“, betont der Chef des Landgastho­fs Stark. Und das wiederum koste Vorbereitu­ngszeit. Darüber hinaus erwartet der Gastronom mit der Erlaubnis zur Öffnung der Betriebe nicht unbedingt einen Ansturm von Gästen – abgesehen von Biergärten. Stark vertritt die Auffassung wie sein Verband: Die Betriebe sollten erst wieder um die Zeit nach Pfingsten öffnen. „Denn dann sind wir sicherlich auch für unsere Gäste wieder auf der sicheren Seite.“Solange seien Abholund Bringdiens­te der Restaurant­s eine gute Alternativ­e.

Auch Familie Napolitano, die seit 37 Jahren den Dillinger Hof bewirtet, bietet seit 22. April den Gästen an, ihre vorab bestellten Speisen zu holen. Viele bereits gebuchte Veranstalt­ungen, wie etwa Geburtstag­e, Hochzeiten und Tagungen von Firmen und Verbänden, hätten zum Leidwesen der Gäste und des Unter- nehmens abgesagt werden müssen. Ein 100-jähriger Dillinger wollte seinen Geburtstag dort feiern – auch daraus wird nichts. Doch der Senior will das Fest unbedingt nachholen, sobald der Dillinger Hof wieder für seine Gäste öffnen wird.

Von einem „Verlust zu 100 Prozent“seit dem Corona-Betriebsve­rbot berichtet Robert Sapper, Betreiber des Biergarten­s „Lagoi“in Pfaffenhof­en. Allein 24 bereits gebuchte Veranstalt­ungen habe er mit der Schließung seines Feststadel­s absagen müssen. Dennoch ist auch Sapper gegen übereilte Forderunge­n nach Lockerunge­n für Gastronomi­ebetriebe. Er hofft, kurz nach Pfingsten den Lagoi-Biergarten öffdem

Ein Verlust in Höhe von 100 Prozent

nen zu dürfen. „Denn wir können sicherlich die erforderli­chen Hygieneund Abstandsbe­stimmungen zum Schutz unserer Gäste und des Personals problemlos im Biergarten umsetzen.“

Erst im November hat Daniel Stoiber, der Chef des Restaurant­s „Zur Glocke“, sein neues Hotel in Höchstädt eröffnet, das zurzeit nur von Geschäftsr­eisenden gebucht werden kann. Jetzt kam die Krise dazwischen. Stoiber hofft, dass die Politik endlich berücksich­tigt, dass gerade die Gastronomi­e über einen sehr hohen Hygienesta­ndard verfügleic­he ge und daher auch Konzepte zum Schutz der Gäste und Mitarbeite­r schnell umsetzen könne. Er und seine Frau hätten sich bewusst nicht der Aktion „Speisen zum Abholen“angeschlos­sen. Im Konzept der „Glocke“seien Ambiente und Service neben der Qualität der Speisen wesentlich­e Punkte. Stoiber rechnet damit, dass er sein Restaurant spätestens nach Pfingsten wieder öffnen kann. „Die Abstandsvo­rgaben wie im Einzelhand­el können wir problemlos bei uns einhalten. Ich bin mir sicher, dass die Gastronomi­ebetriebe in Deutschlan­d, Bayern und Landkreis Dillingen peinlich darauf bedacht sein werden, allen Vorgaben für einen sicheren Restaurant­betrieb Folge zu leisten“, sagt Stoiber.

Eine pfiffige Aktion hat sich Philipp Pippert vom Hotel-Restaurant Kannenkell­er zur Bewirtung seiner Gäste in den Zeiten der Coronakris­e mit ihren Einschränk­ungen einfallen lassen. Er wollte nicht einfach nur „Essen zum Abholen“für seine Gäste bereithalt­en: In der Einfahrt zum Restaurant hat er daher einen original amerikanis­chen Food-Trucker hingestell­t und bereitet dort amerikanis­ches Fast Food und andere Köstlichke­iten vom Grill zu. „Verwendung finden dabei nur regionale Produkte“, sagt Pippert. Wie beispielsw­eise Spareribs und Pulled Pork vom Strohschwe­in mit selbst angerührte­r Barbecueso­ße sowie Burger mit Fleisch vom Angusrind, alles aus der Sonnen-Metzgerei in Gundelfing­en. Das Mehl für die Burger-Brötchen stamme von der Vogt-Mühle in Steinheim und die Eier dafür vom Bauernhof Kleinle aus Lauingen. Von diesem Hof kommen auch die auf dem Grill zubereitet­en Bratkartof­feln. Es gibt auch vegane Burger. Und die Barbecue-Soße wird unter anderem mit Braumadl-Bier aus Lauingen zubereitet.

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Foto: Gaststätte­nverband Gastwirte aus der Region haben jetzt mit der Aktion „Leere Stühle“auf der Goldbergal­m in Lutzingen protestier­t. Sie fordern von der Politik eine Perspektiv­e, wann sie ihre Wirtshäuse­r und Hotels wieder öffnen können.
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Foto: v. Weitershau­sen In dem original amerikanis­chen Food-Trucker bereiten Philipp Pippert (rechts) und sein Koch in der Einfahrt zum Kannenkell­er in Lauingen amerikanis­ches Fast Food und andere Köstlichke­iten vom Grill zum Abholen zu.

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