Donau Zeitung

Muttertag unter besonderen Vorzeichen

Wochenlang galt in Seniorenhe­imen ein striktes Besuchsver­bot. Nun, rechtzeiti­g zum Ehrentag der Mütter, werden die Regelungen gelockert. Auch für Seniorinne­n aus dem Kreis Dillingen wird der Sonntag besonders werden

- VON BERTHOLD VEH, SIMONE BRONNHUBER UND ANDREAS SCHOPF

Pünktlich zum Ehrentag der Mütter werden die Corona-Maßnahmen gelockert. Für viele Familien wird der Tag besonders

Landkreis Erst vor wenigen Tagen gab es einen Blumenstra­uß für Josefa Nietsche. Ihre Tochter Angelika hat ihn ihr geschenkt. Nicht persönlich, sondern über die Mitarbeite­r des privaten Pflege- und Seniorenhe­ims Lipp in Höchstädt wurden ihr die Pflanzen zugestellt. Besuche der lieben Verwandten sind in der Corona-Krise nicht erlaubt. Zwar hat Ministerpr­äsident Söder Lockerunge­n zugelassen, aber die Höchstädte­r Einrichtun­g geht weiter vorsichtig damit um. Josefa Nietsche lebt seit neun Jahren im Seniorenhe­im und „ich vermisse nichts“, sagt sie am Telefon. Die 90-Jährige hat fünf Kinder, ist schon Oma und Uroma. „Ich habe Zwillinge. Drei Mädla und zwei Buben“, erzählt sie. An „normalen“Muttertage­n wären die lieben Kinder auf jeden Fall ins

Die vergangene­n Wochen waren traurig und einsam

Heim gekommen. Dieses Mal nicht. Aber das, so sagt es die rüstige Seniorin immer wieder, „ist halt so und macht doch nichts“. Denn für sie sei jeder Tag ein Wunder – auch schon vor Corona. „Bei mir ist alles alltäglich. Auch der Muttertag ist ein ganz normaler Tag. Wenn man so alt ist, braucht man nichts mehr“, sagt die Bewohnerin.

Ihr reiche es, wenn sie ein gutes Buch zu lesen habe. Vor allem Romane. Aktuell liest sie „Der Jäger“von Julia Leigh. Neben guten Romanen sind es aber auch Blumen, die ihr Freude bereiten. Vielleicht gibt es an Muttertag ein frisches Sträußchen. Sie zitiert einen Romanautor: „Solange du eine Mutter hast, kannst du sie mit Blumen beglücken. Hast du sie nicht mehr, kannst du ihr Grab damit schmücken.“Die Höchstädte­rin macht eine kleine Pause am Telefon, atmet tief durch und sagt dann aus vollem Herzen: „Ich bin glücklich.“Auch am Muttertag.

Waltraud Maier lebt im Dillinger Heilig-Geist-Stift. Zu den Höhepunkte­n des Daseins zählt es für sie, dass Tochter Ingeborg sie mindestens alle zwei Wochen einmal besucht. Doch dann kam Corona – und damit das Besuchsver­bot, gleichsam ein eiserner Vorhang. „Einmal hat mir meine Tochter vom Tor aus hereingewi­nkt“, erzählt die Weisingeri­n. Das sei sehr traurig gewesen. „Manchmal habe ich in den vergangene­n Wochen schon im stillen Kämmerlein geweint“, gesteht Waltraud Maier. Denn das Telefonier­en mit Tochter Ingeborg, ihrem Schwiegers­ohn, den beiden Enkeln und ihren drei Urenkeln könne einen Besuch einfach nicht ersetzen.

Umso mehr freut sich die Weisingeri­n, die im Sudetenlan­d geboren wurde und lange Jahre in München lebte, auf den Muttertag. „Da warte ich schon, dass meine Tochter kommt.“Das Heilig-Geist-Stift habe jetzt eine Besuchsmög­lichkeit in der Spitalkirc­he geschaffen. „Ich finde das ganz toll“, sagt die 85-Jährige. Da könne man alles besprechen und sich wie zu Hause fühlen. „Na ja, das Gitter ist dazwischen, aber das merkt man gar nicht, man hört alles und sieht sich“, freut sich Waltraud Maier.

Ruth Schröder stammt ursprüngli­ch aus der ehemaligen DDR. 1998 ist sie nach Gundelfing­en gezogen, mittlerwei­le lebt die 89-Jährige im dortigen Haus der Senioren. Die vergangene­n Wochen seien für sie nicht schön gewesen. „Ich war sehr einsam“, sagt die Seniorin am Telefon. Wegen der Besuchsver­bote konnte sie ihre Kinder und Enkel nicht sehen. Einzig das Telefon blieb noch, um in Kontakt zu bleiben. So griff Schröder zuletzt regelmäßig zum Hörer, um ihre Familie wenigstens zu hören. „Das war mir sehr wichtig“, sagt sie. Um sich zu beschäftig­en, habe sie in den vergangene­n Wochen sehr viel „Mensch ärgere dich nicht“mit einer anderen Seniorin gespielt. Ein Ersatz für den persönlich­en Kontakt mit Kindern und Enkeln sei dies aber nicht, betont Schröder. Jetzt, pünktlich zum Muttertag, kann sie wohl wieder besucht werden. Tochter und Enkel wollen die Lockerunge­n der Besuchsreg­eln nutzen und am Sonntag in Gundelfing­en vorbeischa­uen, sagt Schröder. Sofern es möglich sein wird, will sie zusammen mit Tochter und Enkeln an Muttertag mal wieder nach draußen gehen, auf den Friedhof, in den Schnellepa­rk, die aufgegange­nen Blumen bewundern, den Kindern beim Spielen zuschauen, mit der Familie plaudern. „Ich freue mich sehr“, sagt Schröder.

Telefon und Spiele waren kein Ersatz für die Familie

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Foto: Berthold Veh Waltraud Maier aus dem Dillinger Heilig-Geist-Stift freut sich auf den Muttertag und darüber, dass sie in der Spitalkirc­he mit ihrer Tochter sprechen kann.

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