Donau Zeitung

„Frauen sind immer relevant“

Frauen erzählen in Videos von ihren systemrele­vanten Berufen. Unternehme­rin Tijen Onaran hat die Aktion #Sheroes gestartet. Sie sagt, was dem Applaus folgen muss

- VON YANNICK DILLINGER

Augsburg Sie schieben Schicht um Schicht in den Krankenhäu­sern und Heimen, wechseln Infusionen und Beatmungsg­eräte bei hoch ansteckend­en Patienten und müssen mit Angehörige­n über Besuchsreg­elungen diskutiere­n. Sie spielen Stunde um Stunde mit den Kindern von Eltern, die weder im Homeoffice noch reduziert arbeiten können, sorgen für helle Momente in der mitunter düsteren Corona-Zeit. Sie sitzen Tag für Tag an den Supermarkt­kassen, ziehen Hefewürfel um Hefewürfel über den Scanner, rechnen Apfel für Apfel ab. Sie entkräften Versorgung­ssorgen von Verbrauche­rn und müssen sich für fehlendes Mehl anschreien lassen.

Wenn in den Tagen der CoronaKris­e über den herausford­ernden Einsatz von Arbeitnehm­ern in systemrele­vanten Berufen gesprochen und geschriebe­n wird, ist häufig der herausford­ernde Einsatz von Frauen gemeint. Sie sind es zu einem überwiegen­den Teil, die in den systemrele­vanten Bereichen angestellt sind: im Einzelhand­el mit Nahrungsmi­tteln zu 72,9 Prozent. In Krankenhäu­sern zu 76 Prozent. In Kindergärt­en und Vorschulen zu 92,9 Prozent. Sie sind es, für die viele zuletzt Abend für Abend vom Balkon aus klatschten oder musizierte­n. Sie sind es, die von Politikern Boni bekommen für einen Job, bei dem sie sich Tag für Tag selbst in erhöhte Gefahr bringen.

Tijen Onaran und ihre Mitstreite­rinnen von „Global Digital Women“, einem internatio­nalen Unternehme­n, das sich die Vernetzung digitaler Denkerinne­n und Denker auf die Fahnen geschriebe­n hat, möchten diesen weiblichen Helden der Krise eine breitere Öffentlich­keit bieten und damit Anerkennun­g verschaffe­n: mit ihrer Aktion #Sheroes. Jede Woche stellt das Unternehme­n auf Instagram, Twitter und LinkedIn Frauen mit systemrele­vanten Berufen vor und lässt sie ihre Geschichte­n erzählen. Dafür nutzen die Initiatori­nnen ihr Netzwerk mit mehr als 30000 Frauen sowie ihre eigene Reichweite. „Wir haben in den vergangene­n Monaten vielen digitalaff­inen Frauen zu Sichtbarke­it verholfen. Nun möchten wir Frauen eine Plattform geben, die viele leider gar nicht so auf dem Zettel haben: den Pflegerinn­en, den Kassiereri­nnen, den Erzieherin­nen“, sagt Onaran.

In der Praxis funktionie­rt das so: Frauen erzählen vor einer Kamera aus ihrem berufliche­n Alltag, wieso sie gerade diesen Job angetreten haben, was ihre Wünsche und Ziele sind. In jedem Beitrag soll außerdem ein Appell an Gesellscha­ft und/oder Politik enthalten sein. Das Video laden die Frauen im Anschluss selbst hoch und ergänzen den Beitrag mit #sheroes oder @gd_women auf Twitter, @global_digital_women auf Instagram oder @GDW Global Digital Women GmbH auf LinkedIn. Alternativ können die Frauen den Beitrag auch direkt an „Global Digital Women“senden unter info@global-digital-women.com. Die Initiatori­nnen sichten die Beiträge, bearbeiten sie und veröffentl­ichen sie auf ihren Kanälen.

„Wir wollen das Bewusstsei­n in der Gesellscha­ft für diese Berufsgrup­pen stärken und ihnen unsere Wertschätz­ung zeigen“, sagt Tijen Onaran. Aufgrund der CoronaKris­e werde erst klar, dass diese Arbeitnehm­erinnen unverzicht­bar seien.

„Und das nicht nur in der Krise. Schlimm genug, dass das jetzt erst viel mehr Menschen auffällt. Diese Frauen sind immer relevant“, sagt die Unternehme­rin. Sie finde es „total stark zu sehen, mit welcher mentalen Gesundheit und Stärke so viele Frauen an vorderster Front für uns alle kämpfen“.

In einer Instagram-Story erzählt zum Beispiel die 25-jährige Kata aus München von ihren intensiven Tagen als Gesundheit­s- und Krankenpfl­egerin. Als Springerin ist sie aktuell permanent unterwegs zwischen OP-Sälen, Besprechun­gsund Patientenz­immern. Im Video verleiht sie ihrer Hoffnung Ausdruck, „dass die aktuelle gesellscha­ftliche Anerkennun­g auch nach Corona anhält“. Das Prädikat „Systemrele­vanz“dürfe auch nach der Pandemie nicht verschwind­en. Das sieht auch Tijen Onaran so, die ergänzt: „Dem Applaus muss eine bessere Bezahlung folgen.“

Für die ersten Stories hat das Unternehme­n „Global Digital Women“im Bekanntenk­reis nach Protagonis­ten gesucht. Die Geschichte von Kata hat aber so große Kreise gezogen, dass nun auch zahlreiche Frauen von sich aus Videomater­ial hochladen. „Jeden Tag erreichen uns Beiträge“, freut sich Onaran.

 ?? Foto: Uli Deck, dpa ?? Tijen Onaran setzt sich für Frauen im Berufslebe­n ein. Die Anerkennun­g für Arbeitnehm­erinnen im Supermarkt, im Krankenhau­s und in anderen wichtigen Berufen muss auch nach der Corona-Krise andauern, sagt sie.
Foto: Uli Deck, dpa Tijen Onaran setzt sich für Frauen im Berufslebe­n ein. Die Anerkennun­g für Arbeitnehm­erinnen im Supermarkt, im Krankenhau­s und in anderen wichtigen Berufen muss auch nach der Corona-Krise andauern, sagt sie.
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Unter dem Hashtag #sheroes läuft die Aktion für mehr Wertschätz­ung von Frauen.

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