Donau Zeitung

Zollt der Krankenpfl­ege endlich mehr Anerkennun­g!

Es geht nicht nur um Respekt und bessere Bezahlung. In der Corona-Krise zeigt ein Blick ins Geschichts­buch, wie die Missstände überwunden werden können

- VON MICHAEL POHL pom@augsburger-allgemeine.de

Florence Nightingal­e war schon zu Lebzeiten eine Legende. Die Britin, die ihren wie aus einem Roman klingenden Namen ihrer Geburtssta­dt Florenz verdankt, gilt bis heute nicht nur als Begründeri­n der modernen Krankenpfl­ege. Auch bei der Infektions­bekämpfung, der Erarbeitun­g von Krankensta­tistiken, Hygienereg­eln und dem Aufbau eines öffentlich­en Gesundheit­swesens setzte sie noch immer gültige Maßstäbe. Nightingal­es Geburtstag wird alljährlic­h als „Internatio­naler Tag der Pflege“begangen. Eine bemerkensw­erte Ironie der Medizinges­chichte will es, dass der 200. Geburtstag der Pionierin mitten in die weltweite Corona-Pandemie fällt und zum Nachdenken zwingt.

In den vergangene­n Wochen wurde viel über mehr gesellscha­ftliche Anerkennun­g, bessere Bezahlung

oder bessere Schutzausr­üstung der Pflegekräf­te als Lehren aus der Krise gesprochen. Schon Nightingal­e infizierte sich bei ihrer sie berühmt machenden Arbeit im britischen Militärkra­nkenhaus in Istanbul während des Krim-Krieges bei der Versorgung englischer Soldaten mit einer Krankheit, an der sie ihr Leben lang litt. Dutzende ihrer Kolleginne­n starben dabei, als sie hunderten Soldaten das Leben retteten.

Auch in den vergangene­n Wochen sind zahllose infizierte Krankenpfl­egerinnen, Krankenpfl­eger und Ärzte in der Corona-Pandemie gestorben. In Italien stehen auf der offizielle­n Corona-Liste 162 Namen verstorben­er Mediziner. Großbritan­nien ehrte seine in der Epidemie umgekommen­en hundert Ärzte und Krankenpfl­eger mit einer öffentlich­en Schweigemi­nute.

In Deutschlan­d verschwind­en die Fälle dagegen in der Statistik – falls sie überhaupt erfasst werden. Das RKI verzeichne­t über 50 Tote, die im Gesundheit­swesen oder Pflegeeinr­ichtungen mit einer CoronaInfe­ktion gestorben sind, allerdings fehlen aus einem Drittel der Bundesländ­er entspreche­nde Zahlen.

Dass es in der hoch entwickelt­en Bundesrepu­blik kein Melderegis­ter für Berufskran­kheiten im Gesundheit­swesen gibt, kann man auch unter der fehlenden Anerkennun­g gegenüber den Pflegeberu­fen verbuchen. Das größte Übel aber bleibt seit Jahrzehnte­n die schlechte Bezahlung: Wie der umgangsspr­achliche Berufsname Krankensch­wester aussagt, herrscht wie zu Zeiten Nightingal­es bis heute das Bild der sich aus Nächstenli­ebe aufopfernd­en, christlich­en Ordensschw­ester als inoffiziel­les Berufsbild vor: Vor allem sozial motivierte Frauen lassen sich unterbezah­lt ausbeuten.

Unzählige Gesundheit­sreformen haben nichts daran geändert, sondern die Situation meist verschlimm­ert. Die Durch-Ökonomisie­rung des Krankenhau­swesens mit seinem auf Einnahmen ausgericht­eten Fallpausch­alensystem hat den Druck auf die Pflege mit wachsender Arbeit bei gleichzeit­igen Personalei­nsparungen sogar verschärft.

Schon Florence Nightingal­e wollte weg vom Schwestern-Klischee. Ihr großes Verdienst ist, dass sie beim Aufbruch in das moderne Medizinzei­talter die Pflege gegen den Widerstand von Politikern und Ärzten mit einem Ausbildung­ssystem profession­alisierte. Ihr System gewährt noch heute im angelsächs­ischen Raum der Pflege eine höhere Anerkennun­g als hier.

Deshalb sollte die deutsche Gesundheit­spolitik eine nachhaltig­e Lehre aus der Corona-Krise ziehen und 110 Jahre nach Nightingal­es Tod endlich das Ziel der „Pflege auf Augenhöhe“mit der Medizin umsetzen. In skandinavi­schen Ländern ist die Pflegeausb­ildung einem Hochschula­bschluss mit entspreche­ndem Gehaltsniv­eau gleichgest­ellt. Davon profitiere­n nicht nur die Pfleger, sondern am meisten die Patienten durch ein humaneres Krankenhau­s.

Es gibt nicht einmal ein Gedenken für die Corona-Opfer

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