Von Glück und Sonne geküsst
Für viele Leute bedeutet das Virus eine enorme Belastung. Sich mittags vom Homeoffice aus auf die neuen Gartenmöbel zu setzen, ist dagegen die pure Freude
Ich liebe meine Mittagspausen zurzeit. Nichts gegen die netten Kollegen aus der Redaktion, aber beim besten Willen können sie den Luxus, den ich gerade erlebe, nicht ersetzen. Nach der morgendlichen Telefonkonferenz begebe ich mich an die Arbeit und warte, wann ein guter Zeitpunkt ist, um mal zu verschnaufen. Dann rufe ich aus dem Wohnzimmer Richtung Küche und frage, wie es aussieht – wenn meine Freundin es nicht schon vor mir getan hat.
20 Minuten später sitzen wir dann auf der Terrasse, hören die Vögel zwitschern und bewundern das Wachstum unserer Hecke. Ehrlich: Als das Ganze mit dem Homeoffice anfing, war da gar nichts. Mittlerweile, wenige Wochen später, kann man kaum noch erkennen, wenn hinter dem dichten Grün jemand entlangläuft.
Ich bin für das Brötchenholen verantwortlich. Gemüse schneiden kann sie einfach besser. Wenn ich vom Bäcker komme, kümmere ich mich um Musik – die reicht von 80er-Kuschelrock bis zu freshen Frühlingshits von heute – und decke den Tisch. Eine fixe Aufgabenteilung ist die Basis einer funktionierenden Homeoffice-Beziehung, habe ich gelernt.
Wenn wir dann draußen Platz genommen haben, ist zuerst das Grünzeug fällig. Für sie nach dem Motto „Darauf freue ich mich schon den ganzen Vormittag“, für mich eher nach dem Credo „Das Beste kommt zum Schluss“. Denn nach der Pflicht starte ich in die Kür – und die hat es in sich. Die liebevoll und nach stundenlangen Diskussionen auserkorenen Schinken und Salamis von unserem Fünf-SterneMetzger ums Eck bringen meine Augen zum Leuchten. Ich zahle dafür extra mehr in die monatliche Haushaltskasse ein – Verzicht ausgeschlossen. Eineinhalb Semmeln belege ich so großzügig.
Danach rundet eine Hälfte mit Schokocreme diesen Teil ab und es folgt als Finale furioso ein Joghurt oder ein zuvor eingeweichtes Müsli. Ja, ich esse das nur, wenn es richtig pampig ist und ich rate jedem Genießer, das genauso zu tun!
Nach einer Stunde geht es wieder an den Arbeitsplatz, der selbstverständlich Terrassen- und Heckenblick bietet. „Gar nicht so schlecht“, denke ich oft und schreibe wenig später weiter an irgendeiner Corona-Horror-Story. Nicht falsch verstehen: Das Virus ist gerade für Senioren oder für Eltern kleiner Kinder alles andere als ein Spaß. Aber ich fühle mich daheim einfach pudelwohl. Die beste Entscheidung haben meine Freundin und ich Mitte März getroffen: Da haben wir die Terrassenmöbel in weiser Voraussicht bestellt – aus Akazienholz und mit extrem gemütlichen Polstern. So lässt es sich leben.
An dieser Stelle berichten täglich Kolleginnen und Kollegen aus der Redaktion von ihrem Alltag in Zeiten von Corona.