Droht die Weltregierung der Mächte der Finsternis?
Ein coronakritischer Aufruf von katholischen Bischöfen warnt. Sie treffen auf Widerspruch – und Zustimmung
Augsburg „Lassen wir nicht zu, dass Jahrhunderte der christlichen Zivilisation unter dem Vorwand eines Virus ausgelöscht werden, um eine verabscheuungswürdige technokratische Tyrannei aufzurichten, in der Menschen, deren Namen und Gesichter man nicht kennt, über das Schicksal der Welt entscheiden können, indem sie uns in eine virtuelle Wirklichkeit verbannen. Wenn das der Plan ist, mit dem uns die Mächtigen dieser Welt uns beugen wollen, dann sollen sie wissen, dass Jesus Christus, König und Herr der Geschichte, verheißen hat, dass die Mächte der Finsternis nicht siegen werden.“
So apokalyptisch klingt der Aufruf besorgter „Hirten der katholischen Kirche“„an alle Menschen guten Willens“, den auch der deutsche Kardinal Gerhard Ludwig Müller, der von Papst Franziskus entlassene Präfekt der vatikanischen
Glaubenskongregation, unterzeichnet hat. Verfasst wurde der Text von Carlo Maria Viganò, ehemaliger päpstlicher Nuntius in den USA.
Deutsche Bischöfe haben sich von dem Aufruf, der finstere Verschwörungstheorien als Argumente heranzieht, entschieden distanziert. Auf Twitter warnte Gebhard Fürst, der Bischof von Rottenburg-Stuttgart: „Wer die Bemühungen der Politik, Menschenleben vor dem Coronavirus zu schützen, in eine dubiose Weltverschwörung umdeutet, spielt mit dem Feuer!“Auch der Regensburger Bischof Rudolf Voderholzer ging auf Abstand. Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Georg Bätzing, erklärte, „dass sich die Bewertung der Corona-Pandemie durch die Deutsche Bischofskonferenz grundlegend von dem Aufruf unterscheidet“.
Der „Aufruf“behauptet, „dass es Kräfte gibt, die daran interessiert sind, in der Bevölkerung Panik zu erzeugen“. Man trachte danach, dauerhaft der Gesellschaft inakzeptable Freiheitsbegrenzungen aufzuzwingen. Die Kriminalisierung persönlicher und sozialer Beziehungen – so werden die Ausgangsbeschränkungen bewertet – sei ein Bestandteil dieses Projekts. Es drohe zudem die Kontrolle der Menschen durch Tracingsysteme. „Der Kampf gegen Covid-19, so ernst er auch sein mag, darf nicht als Vorwand zur Unterstützung undurchsichtiger Absichten übernationaler Organisationen und Gruppen dienen, die mit diesem Projekt starke politische und wirtschaftliche Interessen verfolgen.“Für den Wahrheitsgehalt solcher Behauptungen wird im „Aufruf“keinerlei Nachweis erbracht.
Viganòs „Aufruf“stößt auf Kritik, er findet aber auch Unterstützung. Die Liste der Unterstützer ist öffentlich einsehbar. Auch aus unserer Region sind etliche Menschen darunter. Manche von ihnen haben Ämter in der Kirche inne, sind Mesner, sind verantwortlich für die Ministranten oder Mitglieder im Pfarrgemeinderat. Auch der ImmenstädEpp ter Stadtpfarrer Helmut Epp hat unterzeichnet. Warum hat er sich dazu entschieden? Ein Anruf.
geht sofort ans Telefon und ist zu einem Gespräch bereit. Er äußert sich ruhig und gefasst, versucht seine Sicht zu erklären. Menschen sollten nicht automatisch anhand ihrer Meinung in gut und schlecht einsortiert werden. „Man muss einander doch zuhören und einmal versuchen, die Position des anderen anzunehmen“, sagt er.
In der Corona-Debatte vermisse er es, dass auch andere Sichtweisen gehört werden. Dass Menschen, die nichts von den strengen Einschnitten halten, zu Wort kommen. „Wenn ich sage: Ich habe den Aufruf unterzeichnet, dann werde ich gleich in einen Topf mit den Verschwörungstheoretikern geworfen“, kritisiert Epp. Dabei sehe man doch an den immer größer werdenden Demonstrationen, dass es Menschen mit anderen Meinungen gebe.
Einen Kompromiss zwischen diesen grundverschiedenen Positionen zu finden, sei unmöglich. Aber, sagt Epp: „Ich glaube an Gott. Er wird am Ende die Wahrheit weisen.“
Der Pfarrer befürchte aber, dass in der Corona-Krise die Angst der Menschen ausgenutzt werde, um Dinge wie eine Impfpflicht durchzusetzen. „Wenn ich nicht geimpft oder immun bin, kann ich dann an gewissen Dingen nicht mehr teilnehmen“, sagt er. Das verstoße gegen seinen Begriff von Freiheit.
Aber ging es mit den Maßnahmen nicht darum, die Schwächsten zu schützen? Das Leben gefährdeter Menschen vor einem unbekannten Virus zu bewahren? Pfarrer Helmut Epp sagt: „Der Schutz allen Lebens ist wichtig.“Aber die Regierung handle nur manchmal nach diesem Prinzip, wenn es ihr passe – in der Corona-Krise zum Beispiel. Wenn es aber um Abtreibungen oder Sterbehilfe gehe, sehe die Einstellung der Herrschenden ganz anders aus. Und die Weltregierung der Mächte der Finsternis? „Das ist schwer zu belegen und schwer zu widerlegen. Aber man muss doch annehmen dürfen, dass es stimmt.“