Donau Zeitung

Droht die Weltregier­ung der Mächte der Finsternis?

Ein coronakrit­ischer Aufruf von katholisch­en Bischöfen warnt. Sie treffen auf Widerspruc­h – und Zustimmung

- VON CHRISTINA HELLER-BESCHNITT UND ALOIS KNOLLER

Augsburg „Lassen wir nicht zu, dass Jahrhunder­te der christlich­en Zivilisati­on unter dem Vorwand eines Virus ausgelösch­t werden, um eine verabscheu­ungswürdig­e technokrat­ische Tyrannei aufzuricht­en, in der Menschen, deren Namen und Gesichter man nicht kennt, über das Schicksal der Welt entscheide­n können, indem sie uns in eine virtuelle Wirklichke­it verbannen. Wenn das der Plan ist, mit dem uns die Mächtigen dieser Welt uns beugen wollen, dann sollen sie wissen, dass Jesus Christus, König und Herr der Geschichte, verheißen hat, dass die Mächte der Finsternis nicht siegen werden.“

So apokalypti­sch klingt der Aufruf besorgter „Hirten der katholisch­en Kirche“„an alle Menschen guten Willens“, den auch der deutsche Kardinal Gerhard Ludwig Müller, der von Papst Franziskus entlassene Präfekt der vatikanisc­hen

Glaubensko­ngregation, unterzeich­net hat. Verfasst wurde der Text von Carlo Maria Viganò, ehemaliger päpstliche­r Nuntius in den USA.

Deutsche Bischöfe haben sich von dem Aufruf, der finstere Verschwöru­ngstheorie­n als Argumente heranzieht, entschiede­n distanzier­t. Auf Twitter warnte Gebhard Fürst, der Bischof von Rottenburg-Stuttgart: „Wer die Bemühungen der Politik, Menschenle­ben vor dem Coronaviru­s zu schützen, in eine dubiose Weltversch­wörung umdeutet, spielt mit dem Feuer!“Auch der Regensburg­er Bischof Rudolf Voderholze­r ging auf Abstand. Der Vorsitzend­e der Deutschen Bischofsko­nferenz, Georg Bätzing, erklärte, „dass sich die Bewertung der Corona-Pandemie durch die Deutsche Bischofsko­nferenz grundlegen­d von dem Aufruf unterschei­det“.

Der „Aufruf“behauptet, „dass es Kräfte gibt, die daran interessie­rt sind, in der Bevölkerun­g Panik zu erzeugen“. Man trachte danach, dauerhaft der Gesellscha­ft inakzeptab­le Freiheitsb­egrenzunge­n aufzuzwing­en. Die Kriminalis­ierung persönlich­er und sozialer Beziehunge­n – so werden die Ausgangsbe­schränkung­en bewertet – sei ein Bestandtei­l dieses Projekts. Es drohe zudem die Kontrolle der Menschen durch Tracingsys­teme. „Der Kampf gegen Covid-19, so ernst er auch sein mag, darf nicht als Vorwand zur Unterstütz­ung undurchsic­htiger Absichten übernation­aler Organisati­onen und Gruppen dienen, die mit diesem Projekt starke politische und wirtschaft­liche Interessen verfolgen.“Für den Wahrheitsg­ehalt solcher Behauptung­en wird im „Aufruf“keinerlei Nachweis erbracht.

Viganòs „Aufruf“stößt auf Kritik, er findet aber auch Unterstütz­ung. Die Liste der Unterstütz­er ist öffentlich einsehbar. Auch aus unserer Region sind etliche Menschen darunter. Manche von ihnen haben Ämter in der Kirche inne, sind Mesner, sind verantwort­lich für die Ministrant­en oder Mitglieder im Pfarrgemei­nderat. Auch der ImmenstädE­pp ter Stadtpfarr­er Helmut Epp hat unterzeich­net. Warum hat er sich dazu entschiede­n? Ein Anruf.

geht sofort ans Telefon und ist zu einem Gespräch bereit. Er äußert sich ruhig und gefasst, versucht seine Sicht zu erklären. Menschen sollten nicht automatisc­h anhand ihrer Meinung in gut und schlecht einsortier­t werden. „Man muss einander doch zuhören und einmal versuchen, die Position des anderen anzunehmen“, sagt er.

In der Corona-Debatte vermisse er es, dass auch andere Sichtweise­n gehört werden. Dass Menschen, die nichts von den strengen Einschnitt­en halten, zu Wort kommen. „Wenn ich sage: Ich habe den Aufruf unterzeich­net, dann werde ich gleich in einen Topf mit den Verschwöru­ngstheoret­ikern geworfen“, kritisiert Epp. Dabei sehe man doch an den immer größer werdenden Demonstrat­ionen, dass es Menschen mit anderen Meinungen gebe.

Einen Kompromiss zwischen diesen grundversc­hiedenen Positionen zu finden, sei unmöglich. Aber, sagt Epp: „Ich glaube an Gott. Er wird am Ende die Wahrheit weisen.“

Der Pfarrer befürchte aber, dass in der Corona-Krise die Angst der Menschen ausgenutzt werde, um Dinge wie eine Impfpflich­t durchzuset­zen. „Wenn ich nicht geimpft oder immun bin, kann ich dann an gewissen Dingen nicht mehr teilnehmen“, sagt er. Das verstoße gegen seinen Begriff von Freiheit.

Aber ging es mit den Maßnahmen nicht darum, die Schwächste­n zu schützen? Das Leben gefährdete­r Menschen vor einem unbekannte­n Virus zu bewahren? Pfarrer Helmut Epp sagt: „Der Schutz allen Lebens ist wichtig.“Aber die Regierung handle nur manchmal nach diesem Prinzip, wenn es ihr passe – in der Corona-Krise zum Beispiel. Wenn es aber um Abtreibung­en oder Sterbehilf­e gehe, sehe die Einstellun­g der Herrschend­en ganz anders aus. Und die Weltregier­ung der Mächte der Finsternis? „Das ist schwer zu belegen und schwer zu widerlegen. Aber man muss doch annehmen dürfen, dass es stimmt.“

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Foto: Armin Weigel, dpa Steht in der Kritik: Kardinal Gerhard Ludwig Müller.

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