Donau Zeitung

Im Handel kehrt wieder Leben ein

Nach dem Shutdown in der Corona-Epidemie dürfen jetzt auch größere Geschäfte über 800 Quadratmet­er öffnen. Doch der Zutritt ist begrenzt, Masken sind Pflicht und die Insolvenzg­efahr ist für viele Unternehme­n nicht gebannt

- VON MICHAEL KERLER, CHRISTOPH LOTTER UND MICHAEL HÖRMANN

In Augsburg suchten am Montag im Modehaus Rübsamen Kunden gezielt nach Kleidung, ein anderer Teil gönnte sich nach harten Wochen etwas Schönes. In der City-Galerie, einer großen Einkaufspa­ssage, hatten wieder fast alle Geschäfte geöffnet, Kunden waren mit der vorgeschri­ebenen Mund-Nasen-Maske unterwegs. Langsam kehrt nach dem Corona-Shutdown Leben in die Innenstädt­e zurück. Seit dieser Woche dürfen im Zuge der Lockerunge­n auch im Freistaat wieder Geschäfte mit über 800 Quadratmet­ern Verkaufsfl­äche öffnen. Und doch ist der Handel von einer Rückkehr zur Normalität weit entfernt, sagt Wolfgang Puff, Hauptgesch­äftsführer des Handelsver­bandes Bayern.

„Wir sind außerorden­tlich froh, dass die Ungleichhe­it der Beschränku­ngen im Handel ein Ende hat“, sagte Puff unserer Redaktion. „Jetzt hoffen wir, dass die Kunden langsam wieder kommen und der Konsum anläuft.“Trotzdem bleibt die Corona-Epidemie ein einschneid­endes Ereignis: „Wir gehen derzeit von 40 bis 60 Prozent Umsatzrück­gang im Vergleich zum Vorjahr aus“, beschreibt Puff die Situation.

Und einige Einschränk­ungen gelten weiter. Kunden müssen in den Läden, wie das Personal, einen Mund-Nase-Schutz tragen. „Ich hoffe, dass sich die Kunden langsam an die Masken gewöhnen“, sagt Puff. Dies sei eine Umstellung: „Die Verkäufer sind maskiert, die Kunden sind maskiert“, schildert er die Situation. Das Personal trage die Masken aber mit großem Engagement und großer Duldsamkei­t. „Über acht Stunden als Verkäuferi­n und Verkäufer eine Maske zu tragen, ist nicht einfach“, sagt Puff.

Umso weniger Verständni­s hat er für Demonstrat­ionen gegen die Corona-Maßnahmen, auf denen auch gegen die Maskenpfli­cht mobil gemacht wird: „Es ist unverantwo­rtlich, wenn auf Demonstrat­ionen die Leute angestache­lt werden, ohne Maske in ein Geschäft zu gehen“, sagt Puff. Die Masken dienen dazu, andere Bürger vor Infektione­n zu schützen. „Es ist jetzt unsere Bürgerpfli­cht eine Maske zu tragen – und ich bin froh, dass die Kunden dies einsehen.“

Und noch eine Einschränk­ung gibt es: Pro 20 Quadratmet­er Verkaufsfl­äche darf nur ein Kunde in den Laden. Um die Kundenzahl zu kontrollie­ren, habe der Handel verschiede­ne Wege gefunden: Lebensmitt­elläden beschränke­n zum Beispiel manchmal die Zahl der Einkaufswa­gen, größere Warenhäuse­r mit mehreren Eingängen zählen die Kunden. An den Eingängen stehen Mitarbeite­r, die dann auf einer App sehen, wie groß die Zahl der Kunden im Laden ist.

Vom Vorschlag, dass Kunden vorab online Tickets für einen Besuch im Laden lösen müssen, hält

Puff dagegen wenig. Diese Lösung hatte unter anderem der Deutsche Industrie- und Handelskam­mertag ins Spiel gebracht. Für Puff passen Termine nicht zum Einkaufsve­rhalten der Kunden in der Breite der Branche: Im Einzelhand­el finden viele Spontankäu­fe statt. Kunden bummeln, lassen sich beraten, greifen dann zu, zum Beispiel bei einem Kleidungss­tück. „Hier will sich keiner an einen Termin binden“, gibt er zu bedenken.

Kostenlose Apps wollen den Menschen eine Orientieru­ng bieten, wann in der Corona-Krise das Einkaufen möglichst stressfrei möglich ist. Denn wie viel Schutz ist noch gegeben, wenn sehr viele Menschen zu einer bestimmten Zeit ein Geschäft aufsuchen? Um vor überfüllte­n Läden zu warnen, nutzen die Apps Daten über die Zahl der Kunden, die gerade das Geschäft besuchen – unter anderem auch solche Daten, die von den Verkäufern in die Software eingepfleg­t werden.

Doch die Begeisteru­ng bei den

Händlern über solche Apps hält sich in Grenzen. In den Geschäften der Elektronik­kette Mediamarkt wird die Zahl der Kunden laut Sprecherin Eva Simmelbaue­r aktuell analog überprüft. „Wir nutzen eine pragmatisc­he Lösung“, sagt sie. So sei jede Filiale mit einer berechnete­n Zahl von Einkaufskö­rben ausgestatt­et: „Sind alle im Einsatz, kommt keiner mehr ins Geschäft.“

Auf konvention­elle Zählsystem­e setzt auch die Modekette Rübsamen. Hier wird beispielsw­eise eine bestimmte Anzahl kleiner Bälle an die Kunden verteilt, berichtet Geschäftsf­ührer Marcus Vorwohlt. Und selbst das sei nicht immer nötig: „Wir kennen natürlich die Auflagen, aber teilweise sind wir von den maximalen Kundenzahl­en so weit entfernt, da ist eine Kontrolle überflüssi­g.“Das funktionie­re in der Form sehr gut, sagt Vorwohlt: „Falls es kritisch wird, ändern wir das natürlich umgehend.“

Der Rübsamen-Chef hält Apps, die die Kunden zählen, für nicht sonderlich nützlich: „Generell müssen wir uns überlegen, ob die Leute eine solche App überhaupt wollen. Wir müssen uns die Frage nach dem Kundennutz­en stellen.“Und dieser, sagt Vorwohlt, sei hier nicht gegeben. Die Corona-Krise könnte dennoch die technische­n Entwicklun­gen beschleuni­gen, erwartet er: „In der Modebranch­e wird das Personal-Shopping immer wichtiger.“Künftige Apps, so Vorwohlt, könnten demnach die intensive Beratung und Terminabsp­rache mit den Kunden erleichter­n, statt diese lediglich zu zählen. An einer solchen arbeitet auch Rübsamen.

Handelsver­bands-Chef Puff warnt indes vor der Vorstellun­g, dass der Handel das Schlimmste schon hinter sich haben könnte. „Der Schaden für den Einzelhand­el wird sich erst Ende 2020, wenn nicht gar im Jahr 2021 erweisen.“Bisher leben die Firmen aus der Substanz, überbrücke­n die Umsatzverl­uste mit Notkredite­n und Hilfen des Staates. „Bald aber muss die neue Ware bezahlt werden, die Mietzahlun­gen stehen wieder an“, schildert er die Lage eines typischen Händlers. Und die Verbrauche­r müssten in Zeiten von Kurzarbeit und der Unsicherhe­it am Arbeitsmar­kt erst wieder Mut fassen, Geld auszugeben. „Die Corona-Epidemie wird den Einzelhand­el dieses und nächstes Jahr gewaltig belasten“, ist sich Puff sicher. Gerade der Modehandel hat es nicht leicht. „Es wird auch Insolvenze­n im Handel geben. Wie es Tote durch Corona gibt, wird es Tote im Einzelhand­el geben“, lauten seine drastische­n Worte.

Um die Situation aufzuhelle­n, schlägt er mehr verkaufsof­fene Sonntage vor. „Allen wäre gedient, wenn man aus Anlass der CoronaKris­e einen verkaufsof­fenen Sonntag anmelden dürfte, ohne sich mit Gerichtsve­rfahren auseinande­rsetzen zu müssen, wie es zuletzt häufig der Fall war“, sagt Puff.

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Foto: Ulrich Wagner In Einkaufspa­ssagen – wie hier in Augsburg – herrschte am Montag einiger Betrieb.

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